Ein Jahr große Koalition:Die SPD ist Merkels natürlicher Koalitionspartner

Germany To Send Arms To Iraqi Kurds, Bundestag Debates

Vielleicht ist Angela Merkel zu schüchtern, die SPD öffentlich zu loben.

(Foto: Getty Images)

Wenn die Bundeskanzlerin gegen die SPD wettert, erweist sie sich als bemerkenswert undankbar. Die Sozialdemokraten sind nicht nur der beste Regierungspartner, den Angela Merkel hat. Sie sind auch ihr einziger.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Angela Merkel ist eine eigenwillige Jubilarin. Vom ersten Geburtstag ihrer zweiten großen Koalition wird vor allem in Erinnerung bleiben, dass die Kanzlerin über ihren aktuellen Regierungspartner wenig Gutes zu sagen hatte und stattdessen würdigte, was gar nicht existiert.

So ließ Merkel bei ihrem Auftritt vor dem CDU-Parteitag jüngst die Regierungsarbeit mit der SPD fast völlig unter das Rednerpult fallen. Lobende Worte fand sie dagegen ausgerechnet für die verblichene schwarz-gelbe Koalition. Und auch der 2013 nach ersten Sondierungen gescheiterten schwarz-grünen Option weinte Merkel noch ein Krokodilstränchen hinterher.

Man kann sich diese nostalgischen Reminiszenzen nur mit Merkels schrägem Humor erklären, wenn man sieht, wo ihre große Koalition nach einem Jahr steht. Die Zufriedenheit der Bürger erreicht jenseits von Pegida konstant hohe Werte. Merkel ist die populärste Politikerin weit und breit.

Nur Frank-Walter Steinmeier reicht in den Umfragen an die Kanzlerin heran, kann ihr aber im richtigen Leben nicht mehr gefährlich werden, nachdem er einmal schon verloren und beim zweiten Mal verzichtet hat. Die Wähler wollten diese Regierung und sie bleiben ihr treu.

In Wahrheit regiert Merkel schon seit neun Jahren mit der SPD

Merkel und die Union regieren um des Regierens willen. Die SPD regiert um ihre Existenzberechtigung. Sie ist fleißig und verlässlich. Es war zwar im ersten Jahr wiederholt Gerumpel zu hören. Meistens waren das aber nur Steine, die Unionspolitikern vom Herzen fielen, weil sie nach dem ewigen Gezerre mit der FDP nun wieder mit den Sozis Kompromisse machen dürfen.

Außerdem setzt die SPD vom Mindestlohn bis zur Frauenquote Ideen durch, die Merkel sich gerne aufzwingen lässt, weil sie am Ende auch ihren Ruhm mehren. Kurzum: Die Kanzlerin sitzt nicht trotz, sondern wegen der großen Koalition derart ungefährdet in ihrem Amt. Gemessen daran, erweist sich Merkel freilich als bemerkenswert undankbar.

Die überraschendste Pointe in ihrer Kölner Parteitagsrede war die Bezeichnung der FDP als natürlichen Koalitionspartner. Da denkt man unwillkürlich an vier schwarz-gelbe Jahre zurück, die damit endeten, dass Merkel die verzweifelten Liberalen im Bundestagswahlkampf am langen Arm verhungern ließ.

Nichts war natürlich an der schwarz-gelben Koalition

Natürlich war überhaupt nichts an dieser Koalition, noch nicht einmal der parlamentarische Tod, den die Liberalen am Ende zur Hälfte wegen unterlassener Hilfeleistung der Union, zur anderen Hälfte durch Selbstmord starben.

Zudem hat Merkel in ihren neun Kanzlerjahren zwar nicht immer mit der SPD koaliert, aber immer mit ihr regiert - vor allem, wenn es wirklich darauf ankam: Die Sozialdemokraten halfen Merkel als Koalitionspartner in der ersten Legislaturperiode bei der Bekämpfung der Finanzkrise; sie halfen Merkel in der zweiten Legislaturperiode als Oppositionspartei bei der Bekämpfung der Euro-Krise, während die Liberalen noch Mitgliederbefragungen veranstalteten.

Und die SPD steht in der dritten Legislaturperiode wieder als Koalitionspartner in der Ukraine-Krise fest an Merkels Seite, jedenfalls der Teil der SPD, der unter 60 ist.

Merkel verkörpert das Konsensprinzip

Merkel ist von ihrem Wesen her die natürliche Großkoalitionärin. Ihre Beliebtheit rührt nicht zuletzt daher, dass sie wie keine andere das Konsensprinzip verkörpert, das die streitscheuen Deutschen in der Politik im Allgemeinen und in der Außenpolitik im Besonderen so mögen.

Deshalb ist und bleibt es für die SPD verdammt schwierig, vielleicht sogar unmöglich, aus einer großen Koalition heraus und gegen Merkel das Kanzleramt zu erobern: Der Streit, den die Sozialdemokraten zwangsläufig schon vor dem Wahltag über eine rot-rot-grüne Mehrheit zu führen hätten, würde diese Mehrheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sowieso verhindern.

Auf dem CDU-Parteitag hat Merkel die SPD für ihre Rolle als Juniorpartner eines linken Ministerpräsidenten in Thüringen verhöhnt. Der stürmische Beifall der Delegierten dokumentierte eindrucksvoll das Mobilisierungspotenzial, das eine drohende linke Mehrheit unter selbstzufrieden und bequem gewordenen Christdemokraten im Zweifelsfall entfalten könnte.

Vor allem aber war das, was wie eine Provokation Merkels an die Adresse der SPD daherkam, eigentlich die verkappte Liebeserklärung einer treuen Seele. Denn nach neun gemeinsamen Jahren ist klar, dass die Kanzlerin ohne die Sozialdemokraten niemals geworden wäre, was sie ist - und dass sie es ohne SPD nicht bleiben kann, wenn sich eine Partei wie die AfD etablieren sollte. Die SPD ist nicht nur Merkels natürlicher Koalitionspartner, sondern eigentlich auch ihr einziger. Wahrscheinlich war sie einfach nur zu schüchtern, um das mal offen zu sagen.

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