Flüchtlingsunterkunft in München:Schmutzig und gefängnisartig

Flüchtlingsunterkunft in München: Das Ankunftszentrum ist seit rund 25 Jahren Asylunterkunft. Es ist heruntergekommen und eng, sogar an Stühlen mangelt es.

Das Ankunftszentrum ist seit rund 25 Jahren Asylunterkunft. Es ist heruntergekommen und eng, sogar an Stühlen mangelt es.

(Foto: Robert Haas)
  • Nach der Bayernkaserne rücken jetzt die Zustände im Ankunftszentrum in Obersendling in den Fokus. Das Haus ist in einem heruntergekommenen Zustand.
  • Dort werden Flüchtlinge registriert und untersucht. Seit November ist das Haus der Erstaufnahme in der Bayernkaserne vorgeschaltet.
  • Die Flüchtlinge sollen maximal 24 Stunden dort bleiben. Aber oft müssen sie viel länger ausharren.

Von Bernd Kastner

Die Situation in dem Haus wird als "desolat" oder "gefängnisartig" beschrieben: Das Ankunftszentrum für Asylbewerber in Obersendling befinde sich in einem "total heruntergekommenen" Zustand, "verwohnt, schmutzig, ungepflegt", sagt eine ehrenamtliche Asylhelferin. "Das ist traurig und beschämend."

Das Zentrum ist seit dem 24. November der Erstaufnahme in der Bayernkaserne vorgeschaltet. In der Baierbrunner Straße 14 werden neu angekommene Flüchtlinge erst registriert und medizinisch untersucht, anschließend in andere Bundesländer oder Regierungsbezirke weitergeschickt. Wer in Oberbayern bleibt, zieht vorerst in die Bayernkaserne um.

"Man hat einen neuen Missstand geschaffen"

Während sich die Staatsregierung für die Entspannung in der Bayernkaserne lobt, wo es seit Wochen Hunderte freie Betten gibt und neuerdings ein ehrenamtlich betriebenes "Welcome Center", finden sich die neu ankommenden Flüchtlinge in einem schäbigen Gebäude wieder. Der frühere Siemens-Bau wird seit rund 25 Jahren als Asylunterkunft genutzt, seither dürften ihn Zehntausende durchlaufen haben. "Man hat einen neuen Missstand geschaffen", bewertet Rebecca Kilian-Mason das Ankunftszentrum. Als Mitarbeiterin des "Infobusses für Flüchtlinge", einem Projekt von Münchner Flüchtlingsrat und Amnesty International, kennt sie die Situation. Andere Insider wollen namentlich nicht genannt werden, ihre Berichte aber unterscheiden sich kaum voneinander.

Im Ankunftszentrum sollen sich die Asylbewerber nach dem Plan der Regierung von Oberbayern, die das Haus betreibt, maximal 24 Stunden aufhalten. Es dauere aber oft wesentlich länger, manchmal fünf, sechs Tage, ehe neu Angekommene das Anwesen verlassen dürfen. Auf viele Flüchtlinge müsse das Haus wie ein Gefängnis wirken, da sie es tagsüber nicht verlassen sollen, berichten Helfer. Grund ist, dass die Verwaltung nicht erst nach denen suchen will, die zur Registrierung anstehen.

Wie vor Kurzem in der Bayernkaserne beklagen Asylhelfer, dass die oft traumatisierten Flüchtlinge nicht oder nur unzureichend über das weitere Procedere aufgeklärt würden: "Was passiert mit mir?" Diese Frage stellten sich viele Ankömmlinge, ohne eine Antwort zu erhalten. Es gebe für sie bislang keine adäquaten schriftlichen Informationen und auch keine Dolmetscher, die im Auftrag der Regierung tätig sind. Lediglich der Sozialdienst der Inneren Mission arbeite mit - spendenfinanzierten - Dolmetschern. Die Büros des Sozialdienstes befinden sich im zweiten Stock. Da Flüchtlinge tagsüber aber den Wartebereich im Erdgeschoss nicht verlassen sollen, finden sie in der Regel die Büros der Inneren Mission gar nicht. Die Sozialarbeiter müssen sich also auf "aufsuchende Beratung" im Wartebereich beschränken.

"Es verschlägt einem den Atem, wenn man reinkommt"

Im dritten Stock werden jene Flüchtlinge in einer Art Isolierstation einquartiert, bei denen Läuse oder Krätze festgestellt wurden. In diesem Trakt aber gibt es keine Toiletten, weshalb sie die im zweiten Stock aufsuchen müssen. Begleitet werden sie dorthin von Sicherheitsmitarbeitern, die sie auf der Isolierstation bewachen. Zwar bekämen Krätzepatienten entsprechende Salben verabreicht, bislang jedoch keine frische Kleidung. Dabei wäre diese wichtig, um die Krätze schnell zu bekämpfen.

Im Wartebereich drängen sich oft 100 bis 200 Menschen auf sehr engem Raum, entsprechend stickig ist die Luft. "Es verschlägt einem den Atem, wenn man reinkommt", sagt eine ehrenamtliche Helferin. Die Flüchtlinge müssten "eingepfercht" über viele Stunden auf ihre Erfassung warten. Zu essen gebe es nur kalte Speisen, vor allem Brot mit Fischkonserven und Scheibenkäse. Wer mehrere Tage im Ankunftszentrum verbringen muss, müsse so lange mit dieser Nahrung vorlieb nehmen.

Die Regierung vermeidet es, den Schmutz zu kommentieren

Die Regierung von Oberbayern räumt indirekt einen Großteil der Kritik ein, vermeidet aber, den Schmutz zu kommentieren. Es gebe, erklärt Pressesprecherin Simone Hilgers, "Nachsteuerungsbedarf" angesichts der zuletzt wieder gestiegenen Ankunftszahlen: Ausgelegt sei das Zentrum für 150 bis 170 Neuzugänge täglich, von Montag auf Dienstag etwa seien knapp 300 gekommen. Es gebe "Engpässe in den Abverlegungswartebereichen", man werde nun mehr Sitzgelegenheiten schaffen. "In wenigen Ausnahmefällen" müssten Flüchtlinge länger als 24 Stunden im Haus bleiben. Man arbeite derzeit an einem Infoblatt in verschiedenen Sprachen, um das Verfahren zu erklären.

Den Vorwurf, das Haus wirke gefängnisartig, weist die Sprecherin zurück: Die Flüchtlinge dürften beispielsweise in den Hof zum Rauchen. Man müsse aber auf ihre Anwesenheit achten, weil sonst das System nicht funktioniere. Dieses sei am ehesten mit dem Transitbereich in einem Flughafen zu vergleichen. Künftig wolle man Krätzepatienten aus der Kleiderkammer der Bayernkaserne mit Kleiderpaketen versorgen.

Jüngst hat auch die evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Kessler das Zentrum besucht. Auch sie kritisiert den Zustand des Hauses, es müsse dringend saniert werden und sei maximal für eine Nacht akzeptabel, "für länger auf keinen Fall". Ausdrücklich würdigt sie die Leistung der Regierungs-Mitarbeiter: Es sei "eindrucksvoll", wie sich die Behörde um Verbesserungen bemühe. Verantwortlich für die Misere sei das Versäumnis der Politik: Man hätte schon vor zwei Jahren die anwachsenden Flüchtlingszahlen vorhersehen können. Günther Bauer, Chef der Inneren Mission, wollte sich noch nicht zum Ankunftszentrum äußern: "Uns sind die Vorwürfe selbstverständlich bekannt", erklärte er. Deshalb will er sich diesen Mittwoch mit der Regierungsspitze vor Ort treffen.

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