Deutscher Mittelstand: Was macht eigentlich Michael Mossbacher?:"Damals galten wir als Spinner"

Als er seine erste Bio-Feinkost herstellte, gab es dafür noch gar keine Labels: Byodo-Chef Michael Mossbacher setzt seit Jahrzehnten auf ökologisch hergestellte Lebensmittel. Ein Interview über die idealistischen Anfänge - und warum höher, schneller, weiter noch immer nicht das Maß ist.

Interview von Elisabeth Dostert

Byodo

Das Sensorik-Team des Bio-Feinkosthändlers Byodo bei der Arbeit.

SZ: Was machen Sie eigentlich?

Michael Mossbacher: Wir vertreiben Bio-Feinkost unter dem Markennamen Byodo im Bio-Fachhandel. Diese lassen wir für uns bei ausgewählten Lieferanten herstellen, zum Teil nach unseren Rezepten. Senf, Öl, Mayonnaise, Essig, Nudeln - alles - mal abgesehen vom Meerrettich - was man nicht im Kühlschrank aufbewahren muss, jedenfalls nicht so lange wie die Packung nicht angebrochen ist.

Was gibt es bei Ihnen an Weihnachten zu essen?

Andrea Sonnberger: Shrimps, die mögen die meisten in der Familie, und Käsefondue. Früher gab es bei uns zuhause immer Würstchen mit Kartoffelsalat.

Wer kocht?

Mossbacher: Ich bin eher für anspruchsvollere Gerichte zuständig, da gehören Shrimps und Fondue nicht dazu.

Fisch ist noch schwerer in Bio-Qualität zu beschaffen als andere Produkte.

Mossbacher: Wir essen halt wenig Fleisch und viel Fisch. Am besten, man kennt die Zuchtbetriebe, aus denen der Fisch herkommt. Seefisch ist heutzutage ein No Go.

Aber Ihre Shrimps stammen doch auch nicht aus Oberbayern, sondern sind weit gereist, das ist nicht besonders ökologisch!

Sonnberger: Das stimmt. Aber natürlich sind sie Bio und zu Weihnachten gönnen wir uns das, weil Shrimps wirklich alle mögen. Wir behaupten ja auch nicht, dass wir perfekt sind. Wir lieben beide den Genuss. So sind wir uns auch begegnet. Nach meinem Ökotrophologie-Studium habe ich Anfang der 90er Jahre ein Praktikum bei Byodo gemacht. Wir genießen, aber bewusst und meist aber nicht immer ökologisch perfekt. Wir haben auch in unseren Produkten Zutaten, die weit gereist sind.

Mossbacher: Von Ökos wird immer erwartet, dass sie in allem absolut politisch korrekt sind. Mich fragt auch jeder, ob ich ein Elektroauto fahre, tue ich aber nicht. Manchmal habe ich auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich mit dem Auto zur Arbeit fahre statt mit dem Fahrrad. Aber der Mensch ist der Mensch, er hat Schwächen. Ich auch. Aber wenn alle so viel tun würden wie wir, wäre die Welt schon ein Stückchen grüner und sozialer. Wir zahlen auch für alle gefahrenen Kilometer mit Firmenwagen Ausgleichszahlungen an My Climate.

Die Firma

Byodo Naturkost GmbH

  • Sitz: Mühldorf
  • Gegründet: 1985
  • Umsatz: rund 17 Millionen Euro
  • Mitarbeiter: 50
  • Geschäftsführende Gesellschafter:
  • Andrea Sonnberger, 48, Ökotrophologin, und Michael Mossbacher, Gründer und Betriebswirt, 60

Sind Sie Vegetarier?

Sonnberger: Nein.

Mossbacher: Nein, ich war einer, als ich die Firma 1985 mit zwei Köchen gegründet habe. Da war die Welternährung ein ganz großes Thema. Deshalb haben wir damals auch mit der Herstellung von Sojaprodukten, Tofu und ähnlichem angefangen. Irgendwann habe ich festgestellt, dass mir ohne Fleisch und vor allem Fisch etwas fehlt.

Was genau fehlt Ihnen denn?

Mossbacher: Wenn jemand wie ich gerne kocht, hat man mit Fleisch viel mehr Möglichkeiten...

Sonnberger: ... und wir essen es einfach gern.

Als Sie Mitte der 80er Jahre Byodo gründeten, waren Die Grünen noch eine junge Partei, Joschka Fischer - in Hessen - gerade zum ersten grünen Minister ernannt worden und die Fronten zwischen Ökos und Nicht-Ökos und zwischen den Parteien waren noch klarer!

Mossbacher: Ja. Mich hat damals fasziniert, dass es Menschen gibt, die Themen ökologischer, sozialer, basisdemokratischer angehen. Heute läuft das alles unter dem Thema Nachhaltigkeit, aber die Sehnsucht, die dahinter steckt, ist die gleiche. Die Menschen sehnen sich nach einem anderen Miteinander und nach einer anderen Wirtschaftsweise.

Sonneberger: Damals galten wir allerdings noch als Spinner...

Mossbacher: ...heute sind grüne und soziale Themen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wer hätte damals gedacht, dass eine CDU die Energiewende einläutet. Undenkbar! Das heißt nicht, dass nicht noch einiges im Argen liegt und Die Grünen sind auch nicht perfekt, aber vieles hat sich zum Besseren gewandelt.

War es damals einfacher, Bio-Lebensmittel zu verkaufen?

Mossbacher: Anders. Es gab kaum Läden und schon gar keine Bio-Ketten. Die ganze Branche war ein Haufen Idealisten. Die gesamten Gesetze der Marktwirtschaft haben in der Bio-Branche gar nicht gegriffen. Werbung galt als kapitalistisch und war verpönt.

Wann hat Ihre Firma zum ersten Mal Gewinn gemacht?

Mossbacher: Ich glaube von Anfang an, aber auf Kosten unseres persönlichen Einkommens.

Sie haben sich keinen Lohn gezahlt?

Mossbacher: Doch, 500 Mark im Monat, ein, zwei Jahre lang. So konnte die GmbH zumindest kleine Gewinne ausweisen, das war auch wichtig, um mal einen Kredit zu bekommen. Bio war Bankern suspekt.

Sonnberger: Ich kann mich noch an meinen ersten Termin bei der Bank erinnern im Kostümchen. Grauenvoll. Ich kam mir vor wie ein Bittsteller, nicht wie ein Kunde. Die Banken schenken ja nichts, man muss ja alles zurückzahlen.

Wie haben Sie sich denn anfangs finanziert?

Mossbacher: Es gab einen kleinen Kreis von Investoren, Anthroposophen, die uns über Jahre hinweg kleinere Beträge zur Verfügung gestellt haben. Ich habe auch mein Erspartes, 7000 Mark, in die Firma gesteckt. Meine Mitgründer mussten manchmal abends noch in Restaurants Kochen, deshalb sind sie irgendwann auch ausgestiegen. Das Geld reichte nicht zum Leben.

"Die Labels sind Marketing"

Ihre Entscheidung, selbst Bio-Kost herzustellen, hat sich ja auch irgendwann für Sie als falsch erwiesen!

Mossbacher: Ja. Es gibt für jedes Produkt spezielle Maschinen, die konnten wir uns nicht leisten und nicht auslasten. Deshalb haben wir Ende der 80er Jahre die eigene Produktion aufgegeben und uns einen Kreis von Lieferanten erarbeitet. Jeder liefert, was er am besten kann. Und wir entwickeln immer noch eigene Rezepte.

Ist die Bio-Branche heute auch noch ein "Haufen Idealisten"?

Mossbacher: Es gibt noch viele und es gibt auch neue. Zwischendurch hatte ich schon mal das Gefühl, dass die Branche jetzt sehr kommerziell wird und es nur noch ums Geld geht.

Sonnberger: Früher kannte jeder jeden. Es gab spezielle Bio-Läden. Heute gibt es Bio auch bei Rewe, Edeka, Lidl und Aldi. Jeder Händler hat ein bisschen Bio. Im Fachhandel, den wir beliefern, gibt es viele Idealisten. Wir reden vom Fachhandel.

Das Wort Bio ist ziemlich abgenutzt. Sie nutzen es auch geradezu inflationär. Was verstehen Sie darunter? Wie groß ist denn Ihr Produktsortiment und wie viel Prozent erfüllt denn die Kriterien anspruchsvollerer Anbauverbände wie Bioland oder Demeter?

Sonnberger: Etwa ein Viertel der etwa 200 Produkte erfüllt die Bioland-Kriterien.

Mossbacher: Wir haben zwar viel Bioland. Aber das ist doch gar nicht so entscheidend. Entscheidend ist doch, wie die Menschen das, was sie tun, tun. Als ich angefangen habe, gab es noch gar keine gesetzlichen Regeln. Alles basierte auf Vertrauen. Man musste den Bauern kennen, um zu wissen, wie er arbeitet. Ich bin kein Freund dieser Labels.

Weshalb nicht?

Mossbacher: Die Labels sind Marketing, aber natürlich eine Orientierung für die Kunden. Die setzen bestimmte Kriterien und wenn man die erfüllt, ist alles in Ordnung. Aber ist es dann wirklich in Ordnung? In Ordnung ist es, wenn die Menschen in Ordnung sind. Wir haben einen erweiterten Qualitätsbegriff. Wir wollen nicht nur ein gutes Produkt. Wir wollen auch gut mit dem Handwerker, der draußen etwas repariert, umgehen und unseren Mitarbeitern. Wir kennen unsere Lieferanten alle persönlich. Unsere Erfahrung nimmt uns keiner.

Sonnberger: Papier ist sehr geduldig. Die konventionellen Handelskonzerne schicken dann kiloschwere Traktate, die man abarbeiten soll. Ich vermisse bei solchen Kunden oft ein ernsthaftes Interesse an einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Denen ist die Qualität nicht wirklich wichtig.

Ihre Branche - sowohl die Hersteller als auch die Händler - haben sich einiges von den Konzernen abgeschaut!

Mossbacher: Ja, aber wir leben nun mal in einer Marktwirtschaft. Das kann ich gut oder schlecht finden. Die Gesetze gelten für alle. Man muss Gewinne machen, um überlebensfähig zu sein. Wir auch. Auch wir stoßen an Grenzen und fragen uns immer wieder, ob wir dies oder jenes noch mit unserem Gewissen vereinbaren können. Wir wachsen nicht um jeden Preis. Schneller, höher, weiter ist nicht das Maß.

Sonnberger: Ohne Zugeständnisse an die Marktwirtschaft würde es uns gar nicht geben. Es gab am Anfang radikale Idealisten, nur die Läden haben sich nicht lange gehalten.

Hat der Preisdruck in Ihrer Branche zugenommen?

Mossbacher: Ja. Wenn Aldi ein Bio-Joghurt für nicht einmal 40 Cents anbietet, dann wächst natürlich auch der Druck auf den Bio-Fachhandel mitzuhalten. Byodo ist davon nicht betroffen. Wir sind da ziemlich konsequent. Wir machen keine Preiszugeständnisse auf Kosten der Qualität. Das können wir auch gar nicht. Wir arbeiten im Schnitt mit einer Umsatzrendite von zwei bis drei Prozent nach Steuern. Da ist kein Spielraum. Da müsste ich unsere Lieferanten unter Druck setzen, teure Rohstoffe wegzulassen. Das machen wir nicht!

Sie sagten, Sie wollen nicht um jeden Preis wachsen. Haben Sie überhaupt Wachstumsziele?

Sonnberger: Na klar.

Mossbacher: Die braucht man auch.

Und?

Mossbacher: In den nächsten zwei, drei Jahren wollen wir jährlich um fünf bis sieben Prozent wachsen.

Wollen oder müssen?

Sonnberger: Wir müssen nicht, wir wollen. Wir wollen uns aber nicht unter Druck setzen.

Reichen 17 Millionen Euro Umsatz, um in diesem Markt zu bestehen?

Mossbacher: Ja.

Sonnberger: Der Markt wächst und wir wachsen mit.

Mossbacher: Der Markt gibt noch viel her. Wir machen erst ein Drittel unseres Umsatzes mit der Gastronomie und Großküchen wie Kindergärten oder Kantinen. Der Anteil lässt sich sicher ausbauen. Wir machen auch regelmäßig Kurse für Köche in solchen Einrichtungen, um zu zeigen, dass man auch mit Bio preiswert kochen kann. Wir haben bloß ein Problem...

... das da wäre?

Mossbacher: Es gibt Firmen, die haben schlechte Produkte, aber ein riesiges Marketingbudget, die reden Schlechtes schön. Bei uns ist es umgekehrt. Wir haben ein Olivenöl, das hat international wichtige Preise abgeräumt, aber wir bringen es schwer an den Kunden ran.

Weil es zu teuer ist?

Mossbacher: Es ist nicht zu teuer.

Sonnberger: Naja, ein Viertel Liter kostet rund zehn Euro. Ursprünglich mussten wir zwölf Euro verlangen.. Es ist schwer die hohe Qualität an den Kunden zu kommunizieren, der Preis spielt in dem Fall keine Rolle.

Gibt es Preisschwellen, über denen gar nichts geht?

Sonnberger: Der Verbraucher wäre eher bereit zu zahlen, wenn er weiß, warum, etwa weil die Rohstoffe teurer geworden sind. Der Handel ist schwieriger.

Mossbacher: Aber auf solche Preisspielereien haben wir gar keine Lust.

Sonnberger: Wenn allerdings Aldi gerade eine Preissenkungsrunde macht, fällt es schwerer, Preiserhöhungen zu erklären. Ich kann es ja manchmal auch nicht verstehen. Da ist bei uns schon die Verpackung teurer als bei Aldi der Becher mit Inhalt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: