Erbschaftsteuer:So beschränkt Karlsruhe die Steuerrabatte

Bundesverfassungsgericht verhandelt über Erbschaftssteuer

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe mit dem Vorsitzenden Ferdinand Kirchhof (Archivbild), der über das Erbrecht urteilt.

(Foto: dpa)
  • Wer ein Familienunternehmen erbt, bekommt bisher sehr großzügige Steuerrabatte. Diese Ausnahmen beschränkt das Bundesverfassungsgericht jetzt in einem Grundsatzurteil.
  • Kleine Firmen mit bis zu 20 Beschäftigten müssen bisher nicht die Arbeitsplätze nach dem Erbfall erhalten, um von der Steuer befreit zu werden. Diese Bevorzugung verstößt gegen das Prinzip der Gleichbehandlung, wie es das Grundgesetz vorschreibt.
  • Nun muss das Erbrecht reformiert werden. Bis Juni 2016 gelten aber die aktuellen Regeln weiter.

Von Bastian Brinkmann und Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Karlsruhe kippt Ausnahmen im Erbrecht

Die Vorschriften zur Entlastung der Familienunternehmen von der Erbschaftsteuer verstoßen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil entschieden. Zwar habe der Gesetzgeber einen "weiten Gestaltungsspielraum" bei der Erbschaftsteuer. Er dürfe also jene Unternehmen privilegieren, die nach dem Übergang auf die Erben Arbeitsplätze erhalten.

Das Gesetz von 2009 verfehlt jedoch aus Sicht des Ersten Senats dieses Ziel. Denn es befreit Betriebe bis zu 20 Arbeitnehmern von der Erbschaftsteuer - unabhängig vom Arbeitsplatzerhalt. Zudem eröffnet das Gesetz den Unternehmen zahlreiche Schlupflöcher, um die Steuerpflicht zu umgehen.

Außerdem darf das Steuerprivileg nicht ohne Weiteres über den Mittelstand hinaus auch für große Unternehmen gewährt werden. Die Regeln bleiben aber vorerst in Kraft. Der Gesetzgeber muss bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen.

Bundesverfassungsgericht verlangt weniger Ausnahmen

Kleine Firmen müssen bisher gar keine Erbschaftsteuer zahlen, wenn sie 20 oder weniger Mitarbeiter haben. Diese Ausnahme ist aber gar keine Ausnahme - sondern die Regel, stellen die Richter fest. Laut Bundesfinanzhof, dem obersten deutschen Steuergericht, haben mehr als 90 Prozent aller Betriebe weniger als 20 Beschäftigte. Firmenerben könnten daher "fast flächendeckend" vom Steuerrabatt profitieren.

Ausnahmen sollen Arbeitsplätze sichern

Die Erbschaftsteuer wurde 2009 reformiert. Das Ziel: Familienunternehmen beim Übergang des Betriebs auf die Erben nicht übermäßig zu belasten, um den Erhalt von Arbeitsplätzen sicherzustellen. Sie müssen dafür die Arbeitsplätze und das Lohnniveau der Firma nach dem Übergang halten - dann bekommen sie einen Steuerrabatt. In manchen Fällen müssen die Erben gar nichts zahlen. Die Regeln gelten im internationalen Vergleich als sehr großzügig.

Pro Jahr erleben 27 000 Familienunternehmen einen Generationenwechsel, schätzt der Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Betroffen von Erbfällen sind demnach jährlich 400 000 Arbeitsplätze.

Politik muss Gesetz ändern

Bundesregierung und Parlament müssen jetzt das Erbrecht reformieren. Will die Politik weiterhin Familienunternehmen fördern, die Arbeitsplätze sichern, muss sie künftig die Zahl der Betriebe reduzieren, die von der Steuer befreit werden. Die Ausnahme, nicht die Zahl der Arbeitsplätze und das Lohnniveau halten zu müssen, darf nur für "Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten" gelten, urteilen die Verfassungsrichter.

Ob die vererbten Firmen auch wirklich die Arbeitsplätze erhalten, sei nur aufwendig zu kontrollieren, hatte die Politik argumentiert. Dem widersprechen die Richter: "Der Verwaltungsaufwand ist nicht so hoch, wie teilweise geltend gemacht."

Das Bundesfinanzministerium kündigt an, das Urteil zu prüfen. Dann wolle man über eine notwendige Neuregelung entscheiden, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister.

Was sind Argumente für und gegen die Erbschaftsteuer?

Es geht bisher nicht um sehr viel Geld. 2013 hat die Erbschaftsteuer 4,7 Milliarden Euro eingebracht, das sind weniger als ein Prozent der Staatseinnahmen. Die steuerliche Belastung soll aber auch durch die nun nötige Reform nicht steigen, kündigte das Bundesfinanzministerium nach dem Urteil an.

Aus Sicht mancher ist die Erbschaftsteuer zu niedrig. Wer zufällig in eine Familie geboren werde, der eine erfolgreiche Firma gehört, dürfe nicht allein aufgrund der Geburt bevorteilt werden, argumentieren sie. Die Befürworter einer höheren Erbschaftsteuer sehen darin auch einen Weg, die Ungleichheit abzubauen.

So sahen es auch drei Richter des Ersten Senats in Karlsruhe. Sie stimmten zwar dem Urteil zu, ergänzen es aber noch mit einer weiteren Ausführung, die ihre Minderheitenmeinung ausdrückt. Das Erbrecht sei auch "ein Instrument des Sozialstaats", betonen sie darin. Die Steuer solle verhindern, dass Reichtum über Generationen "in den Händen weniger" angehäuft wird und "allein aufgrund der Herkunft unverhältnismäßig anwächst".

Die Erbschaftsteuer hat allerdings auch viele Gegner. Sie finden die Steuer schon an sich problematisch. Denn das angehäufte Vermögen - ob in Form einer Firma oder eines gefüllten Bankkontos - hat der Besitzer vor seinem Ableben bereits versteuert. Der Staat hält im Erbfall also ein zweites Mal die Hand auf. Unternehmen könnten durch die Steuer zudem weniger investieren oder schlimmstenfalls in den Ruin getrieben werden, kritisieren die Gegner der Steuer. Das koste Arbeitsplätze - und damit Steuereinnahmen.

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