Staatliche Anerkennung von Palästina:Politik fürs Schaufenster

135 Staaten der Welt haben Palästina bereits als unabhängigen Staat anerkannt. Gebracht hat das den Palästinensern wenig. Eher stärkt es die israelischen Hardliner im Wahlkampf.

Kommentar von Ronen Steinke

Weltweit haben bereits 135 Staaten Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, nun hat auch das Europaparlament in Straßburg grundsätzlich diesen Schritt empfohlen. 135 Staaten - das sind beinahe drei Viertel der Länder dieser Erde, von Russland bis Brasilien. Und was hat es gebracht? Nichts.

Die Palästinenser leben noch immer in einem politisch unselbständigen Gebilde, genauer: in zwei voneinander unabhängigen, unselbständigen Gebilden, wobei das eine ringsum eingezäunt und auch zur See hin blockiert ist, während das andere gerade wieder von neuen israelischen Siedlungen durchlöchert wird. Politisch souverän ist in der Realität weder der Gazastreifen noch das Westjordanland. Davon, ein unabhängiger Staat zu sein, ist das geteilte Palästinensergebiet weit entfernt - außer vielleicht auf dem Papier.

Das Spiel mit der Anerkennung könnte negative Folgen haben

Dass ein Staat Palästina in den meisten Hauptstädten der Welt in den Akten der Außenministerien bereits existiert, hat man im Alltag in Ramallah oder Hebron nicht gespürt. Und dass nun die Europa-Abgeordneten - die über die Anerkennung von Staaten ohnehin nicht zu entscheiden haben - in Aussicht stellen, dass es noch ein paar mehr Akten zum Staat Palästina geben soll, ändert daran wenig. Das ist Politik fürs Schaufenster.

Weshalb die Palästinenser nun zwar höflich danken, aber nicht feiern; zu drängend sind die Probleme, die sie im echten Leben haben. Auch die Israelis zucken eher mit den Achseln. Der 1948 gegründete Staat Israel ist umgeben von Nachbarn, die ihm fast alle die Anerkennung als Staat verweigern und teils seine Pässe nicht akzeptieren - was im Alltag zwischen Haifa und Eilat aber auch nichts bedeutet.

Immerhin: Die Botschaft, welche die EU-Abgeordneten mit ihrer symbolischen Geste aussenden, ist nach langen, internen Diskussionen vernünftig und abgewogen ausgefallen. Eine Anerkennung Palästinas wird nicht sofort empfohlen, sondern erst für den theoretischen zukünftigen Zeitpunkt, an dem sich Israelis und Palästinenser auf eine Zwei-Staaten-Lösung geeinigt haben. Das ist wesentlich zurückhaltender als das, was jüngst aus Schweden kam - die bedingungslose Anerkennung Palästinas, sofort und ohne Verhandlungen.

Die Kompromissformel des EU-Parlaments lässt sich so lesen: Nicht nur Israel muss sich bewegen, auch die Palästinenserführung muss Israels Sicherheit garantieren, bevor man von Jerusalem verlangen kann, den Palästinensern mehr politische Unabhängigkeit zu geben.

Wird all das auf irgendjemanden wirklich Druck erzeugen im Nahen Osten? In Israel ist gerade Wahlkampf. Dort könnte die greifbarste Folge der EU-Deklaration zu Palästina sein, dass der politischen Rechten ein Thema geschenkt wird: Alle sind gegen uns. Wenn Fragen der nationalen Sicherheit ausgerechnet zu einem solch ungünstigen Zeitpunkt behandelt werden, dann spielt das - das zeigt die traurige Erfahrung - leicht den Hardlinern in die Hände. Einem Kompromiss zwischen Israel und den Palästinensern hilft das nicht.

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