Obamas Alleingang in Kuba-Politik:Der Zauderer greift endlich durch

  • Vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit arbeitet US-Präsident Barack Obama eine Liste kontroverser Themen ab - notfalls im Alleingang.
  • Die Kehrtwende in der Kuba-Politik ist ein weiterer Beleg für diese These. Bereits in der Klima- und Einwanderungspolitik hat Obama weitreichende Entscheidungen getroffen.
  • Der US-Präsident wird es nicht einfach haben, seine Kuba-Pläne umzusetzen: Politischer Widerstand, vor allem in Floridas Establishment, formiert sich bereits.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

An diesem Freitag fliegt Barack Obama mit seiner Familie nach Hawaii in den alljährlichen Weihnachtsurlaub. Bis dahin, so scheint es, will der US-Präsident keine Zeit verlieren. Am Mittwochmittag erklärt er in einer Fernsehansprache seine Entscheidung, nach mehr als 50 Jahren mit der Regierung in Kuba über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu beraten.

Am Abend schließt er im Interview mit dem TV-Sender ABC einen Besuch in Havanna nicht aus: "Ich habe keine konkreten Pläne. Warten wir ab, wie sich die Dinge entwickeln." Ein Besuch auf der Insel wäre ebenso geschichtsträchtig wie der nun verkündete Kurswechsel. Der letzte US-Präsident, der während seiner Amtszeit nach Kuba gereist ist, hieß Calvin Coolidge - und das war im Jahr 1928.

Mit der Offerte in Richtung Raúl Castro, die jahrzehntelange Feindschaft zu beenden, sorgt Obama zum Jahresende noch mal für einen Paukenschlag. Er wisse, dass viele seine Entscheidung kritisieren werden, sagte der US-Präsident in seiner Ansprache. Er respektiere deren "Leidenschaft" und teile deren "Einsatz für Freiheit und Demokratie" - nur um dann das durchzusetzen, was er für richtig und lange überfällig hält.

"Er hat eine Liste voller komplizierter Themen, die seit Jahrzehnten an uns Amerikanern zerren", sagt David Axelrod der New York Times. Axelrod kennt Obama wie kaum ein Zweiter, denn er hat seit 2004 alle Wahlkämpfe mitorganisiert. In dieser Zeit hat der Berater jedes Manuskript gelesen und umgeschrieben, bevor Obama seine Reden hielt.

Axelrod, der seit 2013 als Berater und Uni-Professor arbeitet, ist sich sicher: Der Präsident wird bis zum letzten Tag seiner Amtszeit alles tun, um bei möglichst vielen dieser Themen voranzukommen. Die vergangenen Wochen sprechen für dieses Narrativ, das der PR-Experte Axelrod hier geben will:

Waren die ersten sechs Jahre seiner Amtszeit vor allem durch Zaudern und fruchtlose Kompromissbereitschaft geprägt, so trifft Obama plötzlich im Wochenrhythmus wegweisende Entscheidungen. Seit seine Demokraten die Kongresswahl Anfang November krachend verloren haben, hat Obama in vier Politikfeldern Weichen gestellt - und in allen Bereichen werfen ihm die Republikaner mit größtmöglicher Leidenschaft vor, Fehler zu machen und Amerikas Interessen zu verletzen. Fast scheint es, als hätte die Pleite bei den mid-terms eine befreiende Wirkung.

Viele Republikaner sind entsetzt

Marco Rubio, kubanischstämmiger Senator aus Florida, nennt Obamas Entscheidung eine "Schande" und "Illusion". Er werde im Senat alles daran setzen, die Finanzierung einer US-Botschaft in Havanna zu verhindern. Für den Republikaner, der 2016 selbst Präsident werden will, ist Obama "der schlechteste Verhandler, der jemals im Weißen Haus saß".

John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, bezeichnet Obamas Ankündigung als "töricht". Die USA sollten erst verhandeln, wenn die Kubaner Freiheit genießen können, findet der Republikaner aus Ohio, der ebenfalls ankündigt, im Kongress gegen den Kurswechsel Obamas arbeiten zu wollen.

Als ehemaliger Gouverneur von Florida und potenzieller Präsidentschaftskandidat 2016 wählt Jeb Bush besonders deutliche Worte: Der jetzige Präsident gefährde durch diesen Schritt Amerikas Glaubwürdigkeit in der Welt. Vor wenigen Wochen hatte Bush vor Exil-Kubanern in Miami gar eine Verschärfung des Embargos gefordert und gesagt: "Kuba ist schlicht und einfach eine Diktatur."

Allerdings lässt sich die Ablehnung und Zustimmung für die Öffnung gegenüber Havanna nicht nur an der Parteizugehörigkeit festmachen. Robert Menendez, der scheidende Chef des Außenausschusses des Senats, ist ein Demokrat und beklagt bitterlich diese "Belohnung für ein totalitäres Regime". Menendez ist Sohn von Exil-Kubanern, das zählt in dieser Frage mehr als das Parteibuch. Auf der anderen Seite erhält Obama von ungewohnter Seite Lob: Der Republikaner Jeff Flake aus Arizona will bei seinen Parteifreunden dafür werben, dass diese den Kurswechsel unterstützen.

In Floridas Establishment formiert sich Widerstand

Denn ganz so einfach wird Obama seine Pläne (Details hier) nicht umsetzen können. Um das Embargo aufzuheben, müsse das bestehende Gesetz geändert werden, betont die CNN-Analystin Ana Navarro - und die Demokraten hätten bekanntlich keine Mehrheit. Rubio und Menendez würden im Senat versuchen, diesen Prozess aufzuhalten. Zudem säßen die aus Florida stammenden Abgeordneten Mario Díaz-Balart und Ileana Ros-Lehtinen im Repräsentantenhaus an wichtigen Schaltstellen, betont Navarro, die früher auch als Beraterin für einige Republikaner tätig war. Dazu hat der Republikaner Díaz-Balart eine interessante Biografie: Er ist der Cousin von Fidel Castros ältestem Sohn "Fidelito", Fidel Ángel Castro Díaz-Balart.

In den kommenden Wochen und Monaten wird der Umgang mit Kuba also viele Debatten in Washington bestimmen. Die Sorge, dass ihm ein sanfterer Kurs gegenüber dem Castro-Regime im oft wahlentscheidenden Bundesstaat Florida schaden könnte, wird Barack Obama nicht mehr beschäftigen, da er nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.

Allerdings ist es alles andere als sicher, dass Obama oder seine mögliche Nachfolgerin Hillary Clinton, die eine ähnliche Haltung gegenüber Kuba vertritt, für die Annäherung in Florida einen politischen Preis zahlen muss. Denn im Sunshine State geht der Anteil der kubanischstämmigen Amerikaner immer weiter zurück - es dominieren mittlerweile die Zuwanderer aus Puerto Rico. Und auch die jungen Cuban Americans vertreten nur noch selten eine Hardliner-Position wie ihre Eltern und Großeltern, sondern plädieren wie die Mehrheit der Amerikaner (Umfragedaten hier) für diplomatische Beziehungen mit Kuba.

Obamas neuer Mut muss also weder ihm noch seiner Partei schaden.

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