Presseschau zu USA-Kuba:"Die Geschichte wird Obama recht geben"

Was bedeutet die diplomatische Wende für die kubanische Bevölkerung? Was hat die Europäische Union mit dem Tauwetter zu tun? Internationale Pressestimmen zum sich anbahnenden Ende der Feindschaft zwischen den USA und Kuba.

Die New York Times lobt Obamas neuen Ansatz als sinnvoll im Vergleich zur bisherigen Politik des Strafens:

Die USA lagen richtig mit ihrer Politik, auf mehr persönliche Freiheitsrechte und demokratischen Wandel zu bestehen. Aber ihr bestrafender Ansatz war in überwältigender Weise kontraproduktiv. Amerikanische Unterstützung für Kubas Zivilgesellschaft und seine Dissidenten hat viel bessere Chancen, Wirkung zu zeigen, insbesondere weil andere westliche Staaten Kuba nicht mehr als Opfer einer sinnlos harschen US-Politik darstellen können. (...) Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Geschichte Mr. Obama recht geben.

Die Washington Post glaubt, dass sich nur wenig am Machtanspruch von Kubas Regime ändern wird:

Raúl Castro hat ein klares Ziel, sich und Kubas kommunistische Elite an der Macht zu halten, und dafür einen lange erprobten Ansatz: minimale wirtschaftliche und politische Liberalisierungsschritte zuzulassen, die im Einklang sind mit der totalen Kontrolle, nicht mehr. Stärkere Beziehungen zu den USA bedeuten aber in der Tat Risken für das Regime, nicht zuletzt in Form von Touristen und Geschäftsleuten, die ein tiefgreifendes System der sozialen und politischen Kontrolle aushöhlen könnten.

Die regierungskritische kubanische Aktivistin Yoani Sánchez zeigt sich in einem Beitrag skeptisch:

Das Castro-Regime hat gewonnen, auch wenn es positiv zu werten ist, dass Alan Gross lebendig aus dem Gefängnis entlassen wurde, das drohte, zu seinem Grab zu werden. Nun erwarten wir lange Wochen von Jubel und Kampagnen, in denen sich die kubanische Regierung als Sieger in ihrem letzten Kampf ausrufen wird.

Die Neue Zürcher Zeitung analysiert, dass sich die USA mit einer Öffnung gegenüber Kuba in erster Linie selbst helfen:

Seit Jahrzehnten stand Washington mit seiner rigorosen Haltung gegen das Castro-Regime allein auf weiter Flur. Nur Israel pflegte sich bei den jährlichen Verurteilungen des Embargos in den Vereinten Nationen noch mit den USA zu solidarisieren. Von besonderer Tragweite war, dass auch in der westlichen Hemisphäre, welche die Vereinigten Staaten als ihre ureigenste Einflusssphäre ansahen, am Ende nicht Kuba isoliert dastand, sondern sie selbst.

Der Guardian beschreibt die amerikanische Kehrtwende in der Kuba-Politik als ausführlich und penibel vorbereiteten Prozess:

Falls jemals die Illusion im Raum stand, Barack Obama sei auf dem Begräbnis von Nelson Mandela im vergangenen Dezember "zufällig" Kubas Präsidenten über den Weg gelaufen, ist sie verschwunden wie ein Schwall Zigarrenrauch. Der angeblich ungeplante öffentliche Handschlag in Soweto war, wie sich herausstellt, der Höhepunkt von sechsmonatigen diplomatischen Geheimgesprächen, die in Kanada gehalten wurden.

Die linksliberale spanische Tageszeitung El País schreibt zur Rolle der Europäischen Union:

Die Europäische Union und Lateinamerika haben sich für die Annäherung der Positionen eingesetzt. Seit Monaten - und mit Zustimmung der USA - verhandelt Brüssel über ein wirtschaftliches und politisches Abkommen mit Havanna, ohne die demokratische Öffnung der Insel oder die Bewilligung eines Mehrparteiensystems zur Bedingung zu machen. Lateinamerika setzt sich fast geschlossen für die Einbeziehung Kubas in allen Foren ein, ohne dafür etwas im Gegenzug zu fordern. Diese Aspekte musste die amerikanische Regierung im Blick gehabt haben, bevor sie den Beginn einer Normalisierung der Beziehungen zu der kommunistischen Insel verkündet.

Die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera schreibt zur Rolle von Papst Franziskus:

Ein persönlicher Erfolg. Erreicht, indem alle traditionelle Vorsicht der Diplomatie fallen gelassen wurde. Papst Franziskus hat sich getraut, einen persönlichen Appell an die Führer der beiden Länder, Barack Obama und Raúl Castro, zu richten. Und die Staatsoberhäupter haben seinen Einsatz anerkannt, zur Einigung beigetragen zu haben. Der lateinamerikanische Papst hat Obama geholfen, aus der Notlage zu kommen, in der die amerikanische Politik seit Jahren festsaß. Aber Franziskus hat auch eine Sicherheit für Kuba verkörpert. Aus dieser Wende geht der Papst (pastoral und nicht diplomatisch) als Mann des Friedens hervor. Der Kalte Krieg ist wirklich zu Ende.

Der österreichische Standard sieht die Annäherung als entscheidend für den Präsidentschaftswahlkampf 2016:

Damit ist ein erster Salsaschritt getan. Eine Mehrheit der Amerikaner - in Umfragen zwischen 50 und 60 Prozent - unterstützt diese Politik. Insbesondere die Republikaner und die Exilkubaner-Fraktion in Florida lehnen sie vehement ab. Das Tabu ist dennoch gebrochen. Und das Thema wird den bereits angelaufenen US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 bestimmen, denn der wird auch in Florida entschieden. Nach dieser Wahl wird man sehen, ob es dann noch immer zwei Tänzer für den Öffnungstanz gibt.

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