BVB im Abstiegskampf:Ciro Immobile findet neue Wege

BVB Wolfsburg Ciro Immobile

Vorlage und Tor: Ciro Immobile.

(Foto: AFP)

Der teure Stürmer aus Italien zeigt seine mit Abstand beste Leistung bei Borussia Dortmund, gegen Wolfsburg reicht es dank Ciro Immobile zu einem Punkt. Trainer Jürgen Klopp huldigt den Fans.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Dieter Hecking begann seine Ausführungen zögerlich. "Ich weiß, in Dortmund kann man es im Moment nicht hören, weil es die Tabellensituation nicht hergibt", fing Wolfsburgs Trainer an - da wurde er schon von seinem Kollegen neben sich unterbrochen: "Dann sag es auch nicht." Jürgen Klopp kennt sie zu genüge, jene Lobgesänge, seine Mannschaft sei doch eigentlich viel zu gut, um ihr Dasein dort unten im Tabellenkeller zu fristen. Er kann sie nicht mehr ertragen.

Denn die Realität ist, dass sein hochkarätig besetztes Ensemble mit 15 Punkten aus 16 Spielen mitten im Abstiegskampf steckt, auch wenn es in seinen lichten Momenten weiterhin in der Lage ist, mitreißenden Fußball zu präsentieren. So wie beim 2:2 (1:1) gegen den Tabellenzweiten aus Wolfsburg, das vor mehr als 80 000 Zuschauern im ausverkauften Dortmunder Stadion zum ebenso temporeichen wie hochklassigen Schlagabtausch wurde.

Dass es für die aufopferungsvoll kämpfenden Dortmunder nicht zum Sieg reichte, lag vor allem daran, dass sie einstudierte Abläufen vermasselten, die in einem Spitzenteam wie ihrem eigentlich reibungslos funktionieren sollten. Zwei vermeidbare Tore nach Standardsituationen sind definitiv zu viel. Beim Freistoßtreffer des überragenden Kevin De Bruyne zum zwischenzeitlichen 1:1 patzte Torhüter Mitch Langerak, der Schlenzer in die Torwartecke wäre eigentlich eine leichte Beute gewesen.

Und beim 2:2 kurz vor dem Abpfiff kam Wolfsburgs bester Kopfballspieler Naldo reichlich unbedrängt zum Abschluss. "Wir haben sehr gut gefightet und endlich die Zweikämpfe angenommen", sagte Kevin Großkreutz, "aber dann fangen wir uns zwei Standardtore." 24 Gegentreffer hat der BVB mittlerweile hinnehmen müssen, das sind zwei mehr als in der Meistersaison 2010/2011 - damals nach 34 Spieltagen.

Der BVB kämpft weiter um den Ausweg aus der Krise, aber immerhin tat es der gestürzte Ex-Meister dieses Mal mit viel mehr Überzeugung als beim blutleeren Auftritt in Berlin. Deshalb mochte Klopp an diesem Abend auch lieber über die guten Ansätze sprechen: "Es gibt auch positive Dinge aus Dortmund zu berichten", vermeldete der Trainer, "auch wenn es nicht das Ergebnis ist, was wir uns alle gewünscht haben." Um dann bei seiner Bewertung einen philosophischen Ansatz zu wählen: "Es gibt drei Dinge: Das Ergebnis, das du unbedingt willst, das, was du brauchst und das, was du kriegst."

Immer noch ist es bei der Borussia so, dass der Ertrag meist nicht in Relation steht zum Aufwand, den die Mannschaft betreibt. Trotz dieses Missverhältnisses wähnen sie sich beim Revierklub auf dem richtigen Weg. "Wenn wir mit dem Messer zwischen den Zähnen spielen, können wir jedem Gegner weh tun", sagte Ciro Immobile. Der Italiener wählte martialische Worte, um auszudrücken, was in Dortmund derzeit in erster Linie zählt.

"So etwas ist weltweit einmalig"

Immobile, für fast 20 Millionen Euro aus Turin gekommen, war der große Gewinner eines rasanten Spektakels. Der Stürmer war unheimlich lauffreudig und präsent, bereitete den Treffer von Aubameyang vor und traf selbst mit einem fulminanten Schuss zum 2:1. Neben dem omnipräsenten De Bruyne war Immobile der auffälligste Spieler auf dem Platz. "Ciro hat absolute Qualität", lobte Klopp. "Was der im Strafraum abgezogen hat, ist schon außergewöhnlich." Und doch bleibt es ein krasses Missverhältnis, dass die für etwa 30 Millionen Euro verpflichteten Immobile und Adrian Ramos in der Liga zusammen weniger Tore zustande gebracht haben als der in Dortmund für unwürdig befundene Julian Schieber allein. Der brachte es in Berlin bereits auf sechs Treffer.

Derzeit arbeiten Klopp und seine Mitarbeiter daran, das Spiel so umzustellen, dass Immobile die Räume erhält, die er benötigt, um seine Stärken auszuspielen. Zudem gehe es darum, die Laufwege des Stürmers anzupassen. "In Deutschland wird nun mal anders gespielt als Italien", erklärt Klopp. Gelingt der Adaptionsprozess, werden sie bei der Borussia wohl noch viel Freude am Mann aus Turin haben. Immobile versichert, er zweifele nicht daran, "in Dortmund anzukommen". "Der Trainer hilft mir viel, er macht alles richtig."

Ein Spiel bleibt dem BVB noch, um die Bilanz einer katastrophalen Hinrunde zumindest ein wenig zu schönen. Allerdings treten die Dortmunder beim letzten Auftritt vor Weihnachten nicht vor heimischer Kulisse, sondern in Bremen an. Um dort zu gewinnen, "müssen wir endlich diese Diskrepanz ablegen", fordert Kapitän Mats Hummels: "Auswärts sind wir bis jetzt katastrophal aufgetreten."

Das mag auch daran liegen, dass es schwerer fällt, sich aufzuraffen, wenn man nicht von einer Kulisse wie bei den Heimspielen beflügelt wird. Als Jürgen Klopp auf die Unterstützung der Fans zu sprechen kam, endeten seine Ausführungen wieder einmal in einer Eloge: "Es mag der Zeitpunkt kommen, dass ich nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund bin. Dann werde ich das am meisten vermissen. So etwas ist weltweit einmalig bei einer Mannschaft, die auf Platz 16 steht."

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