Komödie "The Interview":Panzerfahrt mit Katy Perry

Seth Rogen und James Franco in "The Interview".

Die zwei Talkshow-Moderatoren Dave (James Franco) und Aaron (Seth Rogen) haben Spaß in Nordkorea.

(Foto: AP)

Musste es ausgerechnet dieser Film sein? "The Interview", der wegen anonymer Drohungen nicht in die Kinos kommt, bietet Anarchie, Travestie und Slapstick auf hohem Niveau. Er zeigt Nordkoreas Diktator als besten Kumpel.

Von David Steinitz

"Meine Empfehlung: Gehen Sie ins Kino." Das sagte am Mittwoch US-Präsident Barack Obama in einem Fernsehinterview mit dem Sender ABC. Eigentlich wollte sich Obama kurz vor seinem Weihnachtsurlaub in Ruhe mit der Verbesserung der Beziehungen zu Kuba und der Familie Castro beschäftigen - doch dann kamen ihm eine derbe Slapstick-Komödie aus Hollywood und der nordkoreanische Kim-Clan dazwischen.

Das Interview mit dem Präsidenten fand statt, kurz nachdem die bislang anonyme Hacker-Gruppe "Guardians of Peace", die seit Wochen das Sony-Filmstudio mit der Veröffentlichung interner Mail-Korrespondenz und Mitarbeiterdaten quält, Anschläge auf US-Kinos angedroht hatte. Hacker hatten Ende November von Sony Pictures zunächst Geld gefordert, schwenkten dann in ihrem Erpressungsplan um und verlangten, dass die Sony-Bosse ihre Komödie "The Interview" nicht in die Kinos bringen dürften.

Aus einer Hollywood-Posse wird eine ernste Drohung

Darin spielen James Franco und Seth Rogen zwei amerikanische Talkshow-Macher, die ein Exklusivinterview mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un bekommen - und von der CIA gebeten werden, ihn zu töten. Der Filmstart war in den USA auf den 25. Dezember terminiert. Die Entscheidungsträger bei Sony ließen sich bis zum 18. Dezember aber trotz der Klatsch-Schlammschlacht durch die E-Mail-Publikation sowie des Unmuts ihrer Mitarbeiter, deren Gehälter und Sozialversicherungsnummern plötzlich im Netz standen, nicht von einem Kinostart abbringen.

Also legten die "Guardians" nach und veröffentlichten am Dienstag auf der Website Pastebin eine Terrorwarnung, in der es unter anderem heißt: "Die Welt wird voller Angst sein. Erinnert euch an den 11. September 2001." Damit wurde aus der Hollywood-Posse plötzlich eine ernsthafte Drohung. Sony musste reagieren.

Zunächst hielt das Studio zwar trotzdem am Kinostart fest, weil den US-Behörden keine handfesten Beweise für Anschlagspläne vorlägen - weshalb auch Obama seinen Landsleuten beherzt zum feiertäglichen Kinobesuch riet. Allerdings bot Sony allen Kinobetreibern an, bereits georderte Filmkopien wieder abzubestellen.

Womit die Sony-Bosse wohl nicht gerechnet hatten: Zehn der größten US-Kinokettenbetreiber nahmen dieses Angebot tatsächlich in Anspruch. Die Firmen fürchten um ihr Weihnachtsgeschäft, weil an den Feiertagen Tausende Familien gemeinsam ins Kino gehen. Nicht unbedingt in "The Interview", der mit einem "R-Rating" ohnehin erst ab 17 Jahren freigegeben gewesen wäre. Aber die Androhung von Anschlägen hätte viele wohl auch von anderen Filmbesuchen abgehalten.

Deutscher Kinostart ebenfalls ungewiss

Also zog Sony in der Nacht zum Donnerstag doch noch den Stecker und sagte jetzt radikal nicht nur den Kinostart ab, sondern schloss aus, den Film in naher Zukunft überhaupt zu verwerten. Womit vorerst auch ein Erscheinen als Video on Demand oder DVD ausgeschlossen ist, was dem Studio zumindest einen Teil des 42 Millionen Dollar-Budgets wieder hätte einspielen können.

Ein Firmensprecher äußerte sich "tieftraurig" über die Entwicklung der Ereignisse, auf der US-Webpräsenz von Sony sind alle Hinweise auf den Film entfernt worden. Auch Sony Deutschland teilte auf SZ-Anfrage mit, dass der für den 5. Februar geplante Filmstart erst mal auf Eis gelegt worden sei und man abwarten wolle, wie die US-Kollegen weiter vorgehen.

Die wiederum werden wohl abwarten, was das FBI bei seinen Ermittlungen herausfindet. Denn wer hinter der Gruppe mit dem hochtrabenden Namen "Guardians of Peace" steckt, ist nach wie vor mysteriös. Nordkorea bestreitet eine Beteiligung, auch wenn die US-Regierung diese angeblich bald beweisen und mögliche Sanktionen prüfen will. Möglich ist auch, dass mehrere Gruppen als Trittbrettfahrer unter demselben Namen auftreten, was die etwas wirre Vermischung von ideologischen und Geldforderungen erklären würde.

Smarte Selbstparodie des US-Showbusiness

So oder so: Im Mittelpunkt dieses Hollywood-Tohuwabohus steht mittlerweile "The Interview", über dessen Handlung sich der nordkoreanische UN-Botschafter Ja Song Nam prophylaktisch schon im Juli beschwert hatte. Weshalb man jetzt - während die Behörden ermitteln, die Sony-Leute fluchen, die Nordkoreaner schimpfen und die Verschwörungstheoretiker das Internet überschwemmen - vielleicht einfach auf den Rat des amerikanischen Präsidenten hören sollte.

James Franco und Seth Rogen in "The Interview".

Im Land von Diktator Kim Jong Un läuft nicht alles glatt. Da hilft nur noch Hündchen halten.

(Foto: AP)

Sprich: ins Kino gehen sollte. Denn trotz der nun erfolgten Selbstzensur war der Firma Sony bis Mittwoch noch an der fleißigen Promotion dieses Films gelegen, wozu auch gehört, dass schon Pressevorführungen stattgefunden haben.Was also ist das für ein Monster von einem Film, den Menschen mit Hacker-Angriffen und Terrordrohungen verhindern wollen? Zunächst einmal: es ist ein sehr, sehr lustiger Film - und vor allem viel mehr eine smarte Selbstparodie des US-Showbusiness als eine Herabwürdigung Nordkoreas.

Zu Beginn lernen wir den selbstverliebten Moderator Dave Skylark (James Franco) und seinen Redakteur Aaron (Seth Rogen) in Aktion kennen. Gerade haben sie es geschafft, dem Rapper Eminem (gespielt von Eminem) zu entlocken, dass er schwul ist. Auch an Matthew McConaughey, der unter heftigem Sodomie-Verdacht steht, sind sie ganz nah dran. Doch während Dave seine eigene Enthüllungsmaschinerie in konstante Partylaune versetzt, würde Aaron ganz gern auch mal über Hollywood hinausblicken.

Diktator als bester Kumpel

Weshalb es sich gut trifft, dass Nachwuchsdiktator Kim Jong Un ein Riesenfan ihrer Show ist und die beiden Klamauk-Macher in sein streng abgeriegeltes Land einlädt. Dorthin reisen sie nicht nur mit großen Scoop-Erwartungen, sondern auch mit einem kleinen Giftbriefchen der CIA - bei Hautkontakt soll es Kim aus seinen Despoten-Stiefeln hauen.

Dummerweise entpuppt sich der Diktator zunächst als der beste Kumpel, den man sich als kokainabhängiger TV-Trash-Moderator nur wünschen kann. Gemeinsam toben Dave und er übers Basketballfeld, schlürfen Champagner mit heißen Nordkoreanerinnen - und erzählen sich ihre tiefsten Geheimnisse. Dazu gehört, dass Kim wie Dave an einem saftigen Daddy-Komplex leiden. Vor allem aber sind beide der Meinung, dass man sich nicht schämen muss, ein Fan von Katy Perry zu sein.

Wie James Franco und der famose Kim-Darsteller Randall Park dann in herzlichster Männerfreundschaft vereint Arm in Arm im Panzer durchs nordkoreanische Hinterland brettern und brüllend laut Perrys "Firework" hören, ist definitiv die beste Slapstick-Szene des ganzen Kinojahres: "Cause baby you're a firework / Come on show 'em what you're worth / Make 'em go Oh, oh, oh!"

Was das Kino leisten könnte, wenn es wollte

Komödien wie "The Interview", die aus Hollywoods Mittelbau stammen - also weder Indie-Produktion noch Blockbuster sind - werden gern belächelt, besonders in Deutschland, woran oft die hirnverbrannten deutschen Verleihtitel schuld sind. Aber gerade in den letzten Jahren hat sich das Genre in den USA zu einem so sicheren wie subversiven Seismografen nordamerikanischer Befindlichkeiten gemausert.

Das ist Übervätern wie dem Produzenten und Regisseur Judd Apatow zu verdanken, der so ziemlich die komplette aktuelle Riege an US-Comedy-Stars entdeckt hat. Auch Seth Rogen gehört dazu, der bei "The Interview" auch Drehbuch und Regie verantwortet, gemeinsam mit seinem Kumpel Evan Goldberg.

Nachdem die beiden mit der Weltuntergangskomödie "Das ist das Ende" im vorigen Jahr schon eine ziemlich fiese Hollywood-Parodie vorgelegt hatten, legen sie in "The Interview" nochmal einen Zahn zu. Natürlich geht es letztlich überhaupt nicht um Kim Jong Un, der sich am Ende doch als Depp erweist und sich in einem irren Hubschrauberstunt von der Despoten-Weltkarte verabschiedet. Sondern darum, was Kino heute eigentlich leisten könnte, wenn es wirklich will.

Anarchie, Travestie, Slapstick - Tugenden, die diesen Film auszeichnen und die in Hollywood früher mal als Einstellungsvoraussetzung galten - bieten heute nur noch sehr wenige Filme. Und auf diese grassierende Lahmarschigkeit zielen Rogen und Goldberg mit ihrer wilden Provokation ab. Umso dramatischer, dass ein Filmstudio, das sich zunächst dazu entschlossen hat, dieses Risiko einzugehen, jetzt einknicken musste.

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