Kinderporno-Affäre:Edathys Abrechnung

***BESTPIX*** Sebastian Edathy Testifies In Child Pornography Accusations

Sebastian Edathy bei seinem Auftritt auf der Bühne der Bundespressekonferenz in Berlin.

(Foto: Getty Images)
  • Auf einer beklemmenden Pressekonferenz versucht der SPD-Politiker Sebastian Edathy einen Befreiungsschlag. Die von ihm bestellten Bilder nackter Kinder seien legal gewesen, sein Verhalten bezeichnet er trotzdem als verkehrt.
  • Der Ex-Bundestagsabgeordnete bringt den früheren Chef des BKA, Ziercke, in Bedrängnis. Dieser habe den Sozialdemokraten Hartmann über den Stand der Kinderporno-Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten.
  • Den SPD-Fraktionschef Oppermann beschuldigt Edathy, die Unwahrheit gesagt zu haben.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es war ein schwer zu ertragendes Spektakel, und je länger es dauerte, desto unerträglicher wurde es für viele im Publikum. Mehr als zwei Stunden lang versuchte der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy am Donnerstag vor der Bundespressekonferenz zu erklären, warum er es für legal, wenn auch für verkehrt hält, dass er Material von einer kanadischen Firma bestellt hat, die Bilder nackter Kinder und Jugendlicher vertrieb. Der Händler geriet ins Visier von Kinderporno-Ermittlern - und mit ihr auch der Kunde Edathy, der mittlerweile sein Bundestagsmandat niedergelegt hat. Obendrein muss er sich von 23. Februar an vor dem Landgericht Verden wegen des Besitzes von Kinderpornografie verantworten.

Am Donnerstag musste Edathy auch vor den Untersuchungsausschuss des Bundestags. Dort legte er eine schriftliche Erklärung vor, in der er den ehemaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, schwer belastet. Ziercke habe den SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann regelmäßig über den Sachstand bei den Ermittlungen gegen Edathy informiert. Dabei seien strafrechtliche Bewertungen mitgeteilt worden, aber auch der Stand des Verfahrens. Im Raum steht der Verdacht der Strafvereitelung im Amt. Ziercke hat alle Vorwürfe zurückgewiesen. Die Opposition will ihn nun erneut vor den Untersuchungsausschuss den Bundestags laden, um die neuen Vorwürfe zu klären.

Edathy, der im Herbst noch als versierter Innenpolitiker und Hoffnungsträger der SPD galt, versuchte, vor seinem Auftritt im Untersuchungsausschuss am Donnerstag, einen Befreiungsschlag zu landen. Auf eigenen Wunsch - und zum Ärger von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) - setzte Edathy sich vor die blaue Wand der Bundespressekonferenz, um sich der versammelten Hauptstadtpresse zu erklären. Viel war da von Edathys Karriere die Rede und von den Umständen ihres jähen Endes. "Ich führe ein Leben im Ausnahmezustand", sagte er. Oder: "Den Politiker Edathy gibt es nicht mehr." Nichts war bei dieser beklemmenden Veranstaltung dagegen darüber zu erfahren, welche Gedanken sich der Sozialdemokrat über das Schicksal von Kindern und Jugendlichen macht, die von der Pornoindustrie ausgebeutet werden.

Karrieretechnisch eine Dummheit, auch moralisch nicht zu rechtfertigen, aber strafrechtlich kein Problem - das war der rote Faden, von dem Edathy zwei Stunden lang nicht abwich. "Es war falsch, diese Filme zu bestellen, aber es war legal", sagte er. Edathy, der zunächst betont sachlich und seriös auftrat, dann aber immer öfter einen schärferen Ton anschlug, angeblich falsch gestellte Fragen rügte und sich gegen Ende auch mehrfach ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen konnte, wirkte wenig reumütig und nicht so, als habe er wirklich verstanden, warum sein Leben eine so jähe Wendung nehmen musste.

Edathy sagt nichts über Inhalt der Filme

Dabei leugnete Edathy keineswegs, dass er "Fehler gemacht" habe. Auf Nachfragen zum Inhalt der Bilder und Filme betonte er, sein Verhalten sei "moralisch nicht in Ordnung" gewesen. In einem Rechtsstaat müssten Menschen aber privat legale Dinge tun können, die andere nichts angingen. Welche Bilder oder Filme er sich angesehen habe, wollte er nicht sagen. Dazu könnten und sollten die Journalisten selbst recherchieren.

Als die Presseleute nicht locker ließen und einer ihn direkt fragte, ob er pädophil sei, fragte Edathy zurück: "Sind Sie heterosexuell? Vielleicht sind Sie ja pädophil. Das geht mich auch nichts an." Später dann räumte er wieder ein, "wenn ich ehrlich bin", müsse er sagen, dass die kritischen Stimmen in der Bevölkerung zu seinem Verhalten schon richtig seien.

Gegenstand zahlreicher Nachfragen war aber auch, wer an der Spitze der SPD wann was erfahren hat von den Ermittlungen gegen Edathy. Im Raum steht der Verdacht der Strafvereitelung, weil Edathy von Ermittlungen informiert worden sein soll, noch bevor die Öffentlichkeit etwas davon ahnte und die Polizei in seinen Wohnungen mögliches Beweismaterial sicherstellen konnte. Eine Flüsterkette soll es da gegeben haben, die vom damaligen BKA-Chef Jörg Ziercke über den inzwischen zurückgetretenen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bis zu SPD-Chef Sigmar Gabriel, dem damaligen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sowie dessen Nachfolger an der Fraktionsspitze, Thomas Oppermann, und der Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD, Christine Lambrecht, reichen soll. So jedenfalls stellt es Edathy dar.

Er will von seinem Fraktionskollegen Michael Hartmann im vergangenen November erfahren haben, dass sein Name auf der Kundenliste einer kanadischen Firma aufgetaucht ist, gegen die wegen Kinderpornografie ermittelt werde. Hartmann habe ihm zunächst berichtet, er habe diese Informationen "aus Sicherheitskreisen". Im Dezember dann habe Hartmann Edathy verraten, dass er die Hinweise "persönlich vom damaligen BKA-Präsidenten Jörg Ziercke" erhalten habe, sagte Edathy vor der Bundespressekonferenz. Edathy und Hartmann verstanden sich gut, der Fraktionskollege habe sich um Edathy gekümmert, weil es ihm nicht gut ging. Hartmann habe erzählt, dass er "nach mehrfacher Rücksprache mit Ziercke" Edathy habe "informieren wollen über den aktuellen Stand". Es sei um die strafrechtlichen Bewertungen bei den Ermittlungen gegangen, aber auch darum, "an welcher Stelle sich die Akte befand".

Drei Seiten voller Gesprächsnotizen

Wäre das so, dann hätte Ziercke sich des Geheimnisverrats und der Strafvereitelung schuldig gemacht, was er bestreitet. Aber auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ist unter Druck geraten. Er erklärt, er habe von den Ermittlungen gegen Edathy zwar gewusst, sie aber keinem Außenstehenden mitgeteilt - auch nicht dem SPD-Abgeordneten Hartmann, der sie angeblich zu Edathy getragen haben soll.

Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags gab Sebastian Edathy am Donnerstag eine schriftliche Erklärung ab, in der er die Auskünfte von Hartmann noch einmal akribisch auflistet. Demnach war Oppermanns Aussage, mit keinem Außenstehenden über den Fall Edathy geredet zu haben, nicht richtig. Edathy legte drei Seiten voller Gesprächsnotizen vor, sie beziehen sich allesamt auf Gespräche mit seinem Parteifreund Hartmann. Der mochte Edathy und wollte ihm nach eigener Aussage in schwierigen Zeiten helfen. Wenn stimmt, was Hartmann Edathy berichtet haben soll, dann sei Oppermann genauestens im Bilde gewesen und habe mit Hartmann immer wieder über den Fall Edathy geredet. Am Rande einer Plenarsitzung habe Oppermann sogar gesagt: "Falls sich Sebastian umbringt, wie positionieren wir uns gegenüber den Medien?"

Edathy aber erhebt noch weitere Vorwürfe. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann habe versucht, indirekt und auf dem Umweg über den Abgeordneten Hartmann, auf Edathy einzuwirken, damit dieser sein Mandat niederlege. Dies habe Edathy getan, aber aus eigenen Stücken - und "um Schaden abzuwenden", wir er sagte, von sich und anderen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: