SZ-Weihnachtslied:"Mensch, erbarme Dich"

Marc Sinan mit der Musikerin Raushan Orazbaeva.

Marc Sinan (links) mit der kasachischen Musikerin Raushan Orazbaeva. Ihr Instrument ist die zweisaitige Kobys.

(Foto: Helmut Mauró)

Gesungene Freude ist vielfache Freude - sie schließt Leidende und Flüchtende ein. Der deutsch-türkisch-armenische Komponist Marc Sinan nimmt Heiligabend zum Anlass sich dessen zu besinnen - in einem Weihnachtslied, das er eigens für die SZ komponiert hat. Hören Sie rein, oder spielen Sie es nach!

Von Helmut Mauró

Der deutsch-türkisch-armenische Komponist Marc Sinan versucht mit seinen Multimedia-Projekten wie etwa "Hasretim" (auf DVD bei ecm), "Dede Korkut" und "Komitas" (Premiere kommenden April im bayerischen Irsee, weitere Aufführungen im Berliner Gorki-Theater) einen schwierigen Spagat zwischen kulturübergreifender Kunst und Verständigungspolitik.

Sein Konzept ist so einfach wie wirkungsvoll: Er bringt Künstler aus den in ihm verwurzelten Kulturkreisen zusammen, lädt türkische, kasachische, usbekische, armenische Sängerinnen und Musiker nach Berlin ein zu seinen Theater-Videoperformance-Livekonzert-Produktionen. Und die sollen nicht nur einen vergnüglichen Abend bringen, sondern auch über die Vorstellung hinaus einen Geist sympathischen Miteinanders installieren.

Mensch, erbarme Dich" von Marc Sinan.

Mensch, erbarme Dich! Für Singstimme, Klavier zu vier Händen und Glockenspiel. 100 Jahre nach dem letzten friedlichen Weihnachtsfest vor dem Genozid an den Armeniern. Für alle, die auf der Flucht sind. Nach einem Motiv des armenischen Priesters und Komponisten Komitas (1869 - 1935).

(Foto: Trio Musik Edition)

Das Verstehen und Reden und zusammen Musizieren kommt dann von selbst. Man ist neugierig aufeinander geworden, und Essen, Wein und Schnaps ist genug da.

An solchen Abenden mit Marc Sinan kann man lernen, dass Jux und Dollerei und das Reden über schlimmstes Leid und Verfolgung keine Gegensätze sind, sondern sich geradezu bedingen. Und dass sich das große Rad der Politik am besten dadurch drehen lässt, dass sich viele kleine menschliche Rädchen drehen.

Insofern ist die Umdichtung des ursprünglichen "Herr, erbarme Dich" in "Mensch, erbarme Dich" nur konsequent (live gesungen auf www.sueddeutsche.de/sz-weihnachtslied). Denkt man das an den Schluss des christlichen "Vaterunser", muss man noch weitergehen: Erbarme Dich unser, wie auch wir uns unseren Mitmenschen erbarmen, die unsere Hilfe brauchen oder erbitten oder verlangen oder ohne Gegenleistung einfach einfordern.

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