Altersvorsorge:Bundesregierung fehlt Durchblick bei Riester-Rente

Frühling am Bodensee

Jahrelang geriestert? Ob die Deutschen damit künftig entspannt in Rente gehen können, weiß auch der Staat nicht so genau.

(Foto: Felix Kästle/dpa)
  • Die Riester-Rente kostet den Staat jährlich etwa drei Milliarden Euro, dabei weiß die Regierung nicht genau, wie gut das Geld angelegt ist.
  • Neuen Angaben des Bundesfinanzministeriums zufolge stagniert die staatlich geförderte private Altersvorsorge 13 Jahre nach ihrer Einführung.
  • Die Grünen werfen der Bundesregierung "komplette Realitätsverweigerung" vor und fordern Alternativen für die Bürger.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Staat hat Wissenslücken bei der Riester-Rente

Anfang des Jahres machte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine klare Ansage: "Wir werden auf die berechtigte Kritik an der Riester-Rente reagieren." Man müsse mehr tun, um die Angebote attraktiver zu machen und die staatlich geförderte private Altersvorsorge, die im Prinzip eine gute Idee sei, "zu retten". Davon scheint die Bundesregierung derzeit jedoch weit entfernt zu sein.

Obwohl der Staat jährlich gut drei Milliarden Euro an Zulagen und Steuervorteile für die Zusatzrente gewährt, weiß die Regierung nicht genau, wie gut das Geld angelegt ist und wie viel Versicherungen, Banken oder Fondsgesellschaften mit den Produkten verdienen. Dies geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Darin räumen die Ministerialen offen ein: "Zu den durchschnittlichen Gesamtkosten aller in Deutschland angebotenen Riester-Produkte liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor." Auch zu den Renditen von Riester-Verträgen kann das Ministerium keine detaillierten Angaben machen. Die Riester-Rente steht bei Verbraucherschützern wegen der zum Teil hohen Kosten und geringen Erträge sowie wegen der fehlenden Transparenz seit Jahren in der Kritik.

Wie sich die Altervorsorge entwickelt hat

Die neuen Angaben des Ministeriums zeigen, dass die geförderte private Altersvorsorge fast 13 Jahre nach ihrer Einführung stagniert: Bis Ende September waren etwa 16 Millionen Verträge abgeschlossen - bei mehr als 34 Millionen Menschen, die Anspruch auf die staatliche Grundzulage von 154 Euro hätten. Seit 2011 wurden lediglich 700 000 neue Verträge abgeschlossen, und das auch nur, weil sich viele Bürger das Staatsgeld fürs Eigenheim (Wohn-Riester) sichern wollten. Die Zahl der geförderten Versicherungs- und Banksparverträge ist sogar rückläufig.

Aus der Antwort geht weiter hervor, dass die Riester-Verträge je nach Einkommen höchst unterschiedlich verteilt sind: So ist die Anzahl der Verträge bei Geringverdienern und bis tief in die Mittelschicht hinein geschrumpft. Gerade Gering- und Kleinverdiener müssten aber zusätzlich vorsorgen, um wegen ihrer Mini-Renten nicht im Ruhestand in die Altersarmut zu rutschen. Bei Besserverdienern ab einem Jahreseinkommen von 45 000 Euro ist der Zuwachs jedoch am stärksten.

Zwei weitere Probleme kommen hinzu: Das Finanzministerium weist darauf hin, dass "knapp ein Fünftel" der Verträge ruhend gestellt sind. Es werden also keine Beiträge mehr eingezahlt, folglich gibt es auch kein Geld mehr vom Staat obendrauf. Außerdem nahmen 2011 nur 6,4 Millionen Riester-Sparer die volle Förderung in Anspruch. Daraus ließe sich jedoch nicht schließen, "dass nur dieser Teil der Versicherten ausreichend versorgt" sei. Denn 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig Versicherten hätten auch Anspruch auf eine betriebliche Vorsorge. Das Ministerium hält es daher für "nachrangig", dass die Sparer die Zulagen voll ausschöpften.

Was die Grünen der Bundesregierung vorwerfen

Markus Kurth, rentenpolitischer Sprecher der Grünen, hält diese Antwort für "grotesk". Er verweist auf den neuen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung. Darin wird unterstellt, dass die Riester-Rente - so wie es politisch einmal vorgesehen war - die Einbußen durch das sinkende Rentenniveau nur wettmachen kann, wenn die Verträge mit durchschnittlich vier Prozent im Jahr verzinst werden, die Verwaltungskosten bei zehn Prozent liegen und der Sparer die volle Förderung in Anspruch nimmt.

Da die Kosten jedoch in vielen Fällen höher und die Renditen auch wegen der seit Jahren niedrigen Zinsen geringer seien, wirft er der Bundesregierung "komplette Realitätsverweigerung" vor. Tatsächlich könne die Riester-Rente "ihr Versprechen, die Rentenlücke zu schließen, für die meisten nicht einlösen". Die Regierung habe vor diesem Problem kapituliert, wenn sie das Ziel einer flächendeckenden Absicherung der Bürger aufgebe.

Kurth fordert jetzt eine ehrliche Bilanz. Die Riester-Rente habe in ihrer bisherigen Form keine Zukunft mehr, weil sie sich als riesige Enttäuschung entpuppt habe. "Alternativen zu den bisherigen Produkten müssen her. Eine Möglichkeit ist ein staatlich verwaltetes Basisprodukt für jeden", sagt der Grünen-Politiker. Das Ministerium weist hingegen lapidar darauf hin, "dass sowohl die gesetzliche Rentenversicherung als auch die Riester-Rente ihre Aufgaben im deutschen Alterssicherungssystem erfüllen".

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