Toni Kroos bei Real Madrid:Metronom in der Mitte

Toni Kroos bei Real Madrid: Toni Kroos wehrt sich viel entschiedener als früher: Seine Statistiken beweisen das.

Toni Kroos wehrt sich viel entschiedener als früher: Seine Statistiken beweisen das.

(Foto: AFP)

Er ist doch ein "Sechser": Toni Kroos gewinnt zum zweiten Mal in Serie die Klub-WM und beweist bei Real Madrid, dass er seine Spielweise angepasst hat. Die Königlichen sind derzeit kaum zu schlagen - in Spanien ist von einer neuen Ära die Rede.

Von Oliver Meiler

Himmel und Götter waren bemüht worden, Päpste und Sakramente. Kaum ein Fußballspiel wurde je mit so vielen Analogien aus dem Spirituellen und Religiösen überlagert wie das "göttliche Finale" um die Klubweltmeisterschaft in Marokko zwischen San Lorenzo aus Buenos Aires und Real Madrid. Die Argentinier hören gerne auf das Prädikat "Franziskus' Team", seit der Papst der Welt seine Vorliebe für diesen Verein kundgetan hat und die Herrschaften im Vatikan empfing. Madrids Königliche wiederum nahmen flugs für sich in Anspruch, die "Mannschaft Gottes" zu sein, was sie allerdings, wenn sie denn müssten, nur unzulänglich belegen könnten.

Das Spiel war dann eine sehr irdische Angelegenheit, zuweilen gar eine unterirdische. Die Päpstlichen mauerten, traten nach den Knochen ihrer Gegner, ließen alle Nächstenliebe vermissen, während sich die vermeintlich Göttlichen Mühe gaben, zwischen den vielen Unterbrechungen ein bisschen Fußball zu spielen. Viel Gelingen war dem löblichen Unterfangen aber nicht beschieden.

Real gewann 2:0 und schließt damit ein Rekordjahr ab. Wieder mal sprengte der Innenverteidiger Sergio Ramos, eine Naturgewalt bei Standardsituationen, die blockierte Partie mit einem seiner Kopfstöße (37.), die bei aller Weltberühmtheit anscheinend noch immer völlig überraschend über die Gegner hereinbrechen. Die Ecke hatte Toni Kroos getreten, von dem noch die Rede sein muss.

Gareth Bale, ebenfalls ein Mann für die Lösung komplizierter Finalspiele, bugsierte dann noch einen Kullerball an San Lorenzos Torwart vorbei zum Endstand (51.). Wenn das der Höhepunkt des globalen Klubfußballs gewesen sein soll, das höchstmögliche Messen zwischen den Kontinenten, dann freut man sich wieder uneingeschränkt auf die hiesige Königsklasse.

Vom Abend in Marrakesch wird nur die Szene nach dem Spiel haften bleiben, und auch die wohl nur in den Köpfen der Madridistas: das Heben der Trophäe. Real Madrids vierte in diesem Kalenderjahr. Man gewann die Copa del Rey, die Champions League, den europäischen Supercup und nun also zum ersten Mal auch den "Mundialito", die Weltmeisterschaft der Klubs. Nie in seiner 112-jährigen Geschichte holte der Verein mehr Titel als 2014.

Und es hört unerhört spektakulär auf, dieses Jahr: 22 Spiele in Serie hat Real zuletzt gewonnen, alle Wettbewerbe eingerechnet. Auch das schafften die Madrilenen nicht einmal zu Zeiten von Alfredo Di Stéfano. Und bei diesen 22 Siegen schossen sie 81 Tore und kassierten nur zehn. Vor der Winterpause stehen sie an der Spitze der spanischen Liga, vor dem FC Barcelona, der nur mit sehr viel Mühe der höllischen Gangart des Rivalen folgen kann.

Es ist, als beginne da eine Ära. Real Madrid wirkt so souverän wie seit vielen Jahren nicht mehr, mit innerer und äußerer Balance. Es geht auch die Rede vom "perfekten Real".

Ancelotti dirigiert die Berühmtheiten

Die meisten Meriten werden einem Bauernsohn aus der Emilia Romagna zugeschrieben, der die Mannschaft seit eineinhalb Jahren mit dem Gleichmut leitet, der seine Heimat prägt: Trainer Carlo Ancelotti. Das Spanisch des Italieners hat sich schnell verbessert, es trägt nun bei öffentlichen Auftritten auch seine gelassene Ironie. Ancelotti ist bekannt dafür, dass er mit Stars umgehen kann, sie wie Erwachsene behandelt, wie Angestellte auf Augenhöhe.

Das ist dann besonders wichtig, wenn der Kader ausschließlich aus Stars besteht, aus zwei Dutzend davon, die alle immer spielen möchten. "Carletto" schafft es, die Ungeduld der Wartenden zu temperieren, die Spieler frisch zu halten für den Moment des Ruhms. Und: Ancelotti lehrte die Herren Offensiv-Superstars, die ihre feinen Füße nicht so gerne im Abwehrkampf abnützen, auch zu verteidigen, wenn sich Löcher auftun zwischen den Linien. Selbst Cristiano Ronaldo opfert jetzt mal eine Kunstnummer der Pflicht.

Die neue Stabilität Reals erstaunt umso mehr, als Ancelotti das gesamte Mittelfeld umbaute. Es blieb ihm nichts anderes übrig, nachdem Xabi Alonso, der Chef in der Schaltzentrale, den Verein verlassen hatte, und Sami Khedira und später auch Luka Modric verletzt ausfielen. Nun treten die Madrilenen im Zentrum mit drei jungen Männern auf, die als Gestalter mit Vorwärtsdrang aufgewachsen sind, das Spiel jetzt aber auch mal zügeln und sichern müssen: Toni Kroos eben und seine beiden unmittelbaren Vorderleute Isco und James Rodríguez, beides Schönspieler im defensiven Lernprozess, die man jetzt auch grätschen sieht. Der Deutsche taktet das Spiel in Alleinregie, mal kurz, mal lang, meist schnörkellos.

In Madrid wundert man sich noch immer darüber, wie kopflos sich Barça im Sommer eine mögliche Verpflichtung von Kroos, mit dem die Katalanen offenbar bereits einen Vorvertrag unterschrieben gehabt hatten, noch durch die Lappen gehen ließ. Und dann war er ja auch noch so günstig, der deutsche Weltmeister: nur 25 Millionen Euro Ablöse an den FC Bayern.

Die Sportzeitung Marca, die sich nicht sattschreiben kann mit Elogen über den früheren Münchner, nennt ihn schon den "Transfer des Jahres", "Metronom", "Kaiser Kroos". Kein Wochenende ohne neue Lobhudelei. Elf Torvorlagen gab Kroos schon, seit er für Real spielt, inklusive des fein gezirkelten Eckballs von Marrakesch auf den Kopf von Ramos.

Pro Spiel gewinnt er nun im Schnitt 6,6 Bälle zurück, während es in seiner Zeit in der Bundesliga nur 2,5 Bälle waren. Er kann die "Sechs" also doch, diese Rolle des Stabilisators vor der Abwehr, wider alle anfängliche Skepsis. Er gilt nun gar als Garant für die hoffnungsfroh eingeläutete Ära der Dominanz, als notwendiger Taktgeber in einem Team mit furiosem Sturmdrang.

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