Präsidentenwahl in Tunesien:Essebsi wird neuer Staatschef

  • Kandidat Béji Caïd Essebsi hat die Präsidentschaftswahl in Tunesien gewonnen. In der Stichwahl setzt er sich gegen seinen Konkurrenten Moncef Marzouki durch.
  • In der Stadt Hamma gingen Hunderte Jugendliche aus Protest auf die Straße.
  • Die Wahl gilt als wichtiger Meilenstein: Zum ersten Mal konnten die Tunesier frei über einen Staatschef entscheiden.

Kandidat Essebsi gewinnt die Stichwahl

Der anti-islamistische Politikveteran Béji Caïd Essebsi ist Sieger der Präsidentschaftswahl in Tunesien. Wie die Wahlleitung bekannt gab, erhielt der 88-Jährige im zweiten Wahlgang am Sonntag 55,68 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Moncef Marzouki kam auf 44,3 Prozent.

Der 88-jährige Essebsi verkündete bereits unmittelbar nach Schließung der Wahllokale vor 2000 Anhängern in der Hauptstadt Tunis, er habe die Stichwahl für sich entscheiden. Er dankte seinen Wählern und würdigte seinen Gegner Marzouki. "Tunesien braucht alle seine Kinder", sagte er. Marzouki sagte, er werde Essebsis Äußerungen nicht kommentieren.

Essebsi hatte seinen Konkurrenten bereits im ersten Wahlgang vor einem Monat auf den zweiten Platz verwiesen, ohne dabei aber die nötige absolute Mehrheit zu erreichen.

Protest gegen den angeblichen Sieg Essebsis

In der südtunesischen Stadt Hamma sind am Montag Hunderte Jugendliche aus Protest gegen den Sieg des langjährigen Regierungspolitikers Essebsi auf die Straße gegangen. Nach Angaben von Einwohnern setzten die Demonstranten Reifen in Brand und blockierten Straßen. Einen Sturm auf eine Polizeistation hätten Sicherheitskräfte mit Tränengas abgewehrt. Alle Geschäfte in der Stadt seien geschlossen. Die Jugendlichen skandierten nach Angaben der Zeugen: "Nein zum alten Regime."

Essebsi gegen Marzouki: die beiden Kandidaten

Essebsi gehört der antiislamistischen und neoliberal ausgerichteten Partei Nidaa Tounès an, die als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl im Oktober hervorging. Sie gilt als Sammelbecken der alten Staatselite um Ben Ali.

Der 69 Jahre alte Marzouki ist der Kandidat des sozialdemokratischen Kongresses für die Republik (CPR). Der Bürgerrechtler war Anfang 2012 mit Unterstützung der islamistischen Partei Ennahda zum Übergangspräsidenten gewählt worden.

Marzouki hatte sich im Wahlkampf als Verteidiger der "Revolution" vom Frühjahr 2011 präsentiert. Essebsi warf er vor, das alte Regime wiederherstellen zu wollen. Zudem kritisierte er das hohe Alter seines Kontrahenten, der bereits unter Staatsgründer Habib Bourguiba diente.

Essebsi wiederum beschuldigte Marzouki, ein "Extremist" und Vertreter der Islamisten zu sein, die das Land seit 2011 heruntergewirtschaftet hätten.

Erste freie Präsidentenwahl in der Geschichte des Landes

Es war die erste freie Wahl eines Staatschefs seit der Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich im Jahr 1956. Sie soll den demokratischen Übergangsprozess in dem nordafrikanischen Land vollenden. In Tunesien hatte im Dezember 2010 der Arabische Frühling seinen Anfang genommen. Der Volksaufstand führte im Januar 2011 zum Sturz von Ben Ali.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius würdigte die Präsidentschaftswahl am Montag als "Meilenstein". Der erfolgreiche Ablauf der Wahl bestätige Tunesiens "historische Rolle". Zu der Abstimmung waren 5,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. Die Beteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bei 59 Prozent.

Zehntausende Soldaten und Polizisten waren im Einsatz, um die Wahl abzusichern, nachdem Dschihadisten mit Anschlägen gedroht hatten. In der Region von Kairouan gab es in der Nacht zum Sonntag einen Angriff auf eine Schule, in der Wahlunterlagen gelagert wurden. Dabei wurden dem Verteidigungsministerium zufolge ein Angreifer getötet und drei Männer festgenommen. Das Ministerium ging aber nicht von einem dschihadistischen Hintergrund aus.

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