Steve Ballmer bei den LA Clippers:Maskottchen mit Hardcore-Herz

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Emotional extrem involviert: Steve Ballmer (links), Besitzer der Los Angeles Clippers, bei einem Heimspiel im Staples Center. (Foto: imago/ZUMA Press)

Früher entwickelte er für Microsoft Computerprogramme, jetzt renoviert er ein Basketball-Team: Steve Ballmer hat die LA Clippers für eine Rekordsumme gekauft - und in vier Monaten in eine echte Attraktion verwandelt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist ein herrlicher Samstag in der Innenstadt von Los Angeles. Die Sonne scheint, die Menschen tragen Shorts und Shirts und Schlittschuhe und fahren auf einer Eisbahn um einen überdimensionalen Christbaum herum. Anschließend gehen sie in die Arena auf der anderen Straßenseite, um sich ein Basketballspiel zwischen den Clippers und den Toronto Raptors anzusehen - es gibt schlimmere Wochenend-Beschäftigungen.

Wer acht Monaten zuvor über diesen Platz lief, der sah keine Eisfläche und keinen Christbaum, der sah grimmige Gesichter, T-Shirts mit Schimpfwörtern als Aufschrift und Polizisten, die Ausschreitungen verhindern sollten. Der damalige Besitzer der Clippers, Donald Sterling, hatte mit diskriminierender Äußerungen die Stimmung bei den Clippers verdorben.

Das alles ist fast vergessen, jedenfalls verdrängt. Der Grund für diesen atmosphärischen Wandel sitzt direkt hinter einem der beiden Basketballkörbe: Steve Ballmer. Er klatscht schneller als sein Schatten. Er ballt die Fäuste. Er brüllt. Seine Gesichtsfarbe schwankt je nach Spielminute und Ergebnis zwischen Basketball-Orange und Clippers-Rot - an diesem Nachmittag tendiert es zu Rot, denn die Clippers spielen schrecklich und verlieren 98:110. Ballmer feuert sein Team dennoch an, bis zur letzten Sekunde, auch wenn es aufgrund des Rückstands kapituliert hat. "Er ist der Erste, den wir nach einem Spielzug hören", sagt Center DeAndre Jordan: "Er schreit mindestens so viel und laut wie unser Trainer. Er ist immer voll dabei."

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Wenn Ballmer brüllt und hopst, wirkt er wie ein Maskottchen, das zu viel Koffein konsumiert hat. Seit vier Monaten ist er der Eigentümer der Clippers, was im amerikanischen Sport nichts anderes bedeutet als die Alleinherrschaft über dieses Gebilde: Zwei Milliarden Dollar, eine Rekordsumme, hat Ballmer im August für die Lizenz bezahlt, weil Donald Sterling auf Lebenszeit aus der Basketball-Profiliga NBA ausgeschlossen und zum Verkauf der Clippers gedrängt worden war.

Der 80-Jährige hatte mit diskriminierenden Äußerungen über Schwarze in einem ursprünglich privaten Telefongespräch den Rassismus-Vorwurf ausgelöst. Das Klatschportal TMZ veröffentlichte einen Mitschnitt. Später folgte ein intensiver Rechtsstreit, an dessen Ende Balmer die Clippers bekam.

Der 58-Jährige hat nach eigenen Angaben nur wenig Ahnung vom Basketball, bekannt wurde der Unternehmer aus Detroit als Chef des Computerkonzerns Microsoft, bei dem er im Frühjahr 2014 ausgestiegen war. Seine relativ kurze Beziehung zum Basketball hindert ihn nicht daran, schon heute festzustellen: "Das hier macht wirklich Spaß. Ich glaube, dass ich diesen Klub bis an mein Lebensende besitzen werde."

Der gewaltige Kaufpreis, eine Rekordsumme, ist noch immer Zentrum hitziger Debatten. Die Angestellten aber haben sich schnell umgestellt, sie berichten schmunzelnd über die Forderung des ehemaligen Microsoft-Chefs, doch bitte keine Apple-Produkte zu verwenden. Und natürlich sprechen die Fans der Clippers auch Wochen später noch über diese wunderbar skurrile Antrittsrede, in der Ballmer brüllend und hopsend betonte, wie und was dieser Verein fortan zu sein habe: "Hardcore, baby!" In große Buchstaben schrieben die Zeitungen: HARDCORE.

Ballmer hat die Clippers binnen vier Monaten geprägt, weil er markigen Worten markige Taten folgen ließ. Er zeigte damit, dass Klubbesitzer nicht unbedingt reiche Profilneurotiker auf der Suche nach einem exklusiven Spielzeug sein müssen, die während der Spiele in der Loge Champagner trinken. Sondern dass sie durch ihr Verhalten und ihre Entscheidungen eine Hauskultur prägen, ja sogar komplett verändern können. "Ich will, dass wir der beste Verein der Welt sind", sagt Ballmer: "Dabei zählt nicht nur die Qualität der Spieler, sondern der Charakter des gesamten Klubs."

Es geht nicht nur um die großen, die offensichtlichen Entscheidungen wie zum Beispiel jene, den Präsidentenposten mit einer Frau, mit Gillian Zucker, zu besetzen. Oder um den neuen Vertrag für Cheftrainer Doc Rivers (mehr als 50 Millionen Dollar für fünf Jahre), der durch sein besonnenes Verhalten im April einen Streik der Spieler und Krawalle unter den Fans verhindert hatte und der nun den kompletten sportlichen Bereich verantwortet. Die beiden stärksten Figuren des Vereins sind eine Frau und ein Afroamerikaner - das klingt nach Klischee, wird von den Anhängern aber nach dem Sterling-Skandal als Zeichen für Gleichberechtigung und gegen Rassismus gewertet.

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Nach seinem ersten Heimspiel als Eigentümer bekam Ballmer in der Umkleide von Rivers den Spielball überreicht und hielt heiser eine Rede. Dann ging er hinaus und schüttelte auf dem Weg zum Auto jedem Angestellten die Hand. Ballmer hat Verträge verlängert, Gehälter erhöht, Versicherungen abgeschlossen. Er lädt die Fans ein, Statistiken auszuwerten und Spielzüge zu entwerfen - die Ideen werden während der Spiele auf der Leinwand gezeigt.

Die Clippers waren mehr als 40 Jahre lang aufgrund ihrer Erfolglosigkeit die Lachnummer der Liga. Nun gehört der Klub nicht nur von der sportlichen Qualität her zu den besten der NBA (in dieser Saison schon 20 Siege in 31 Partien), sondern gilt als einer der am besten geführten Sportvereine der USA. Ballmer hat das Image des Vereins umgekrempelt.

Langsam wird klar, warum dieser Mann die Clippers kaufen wollte, warum er derart viel Geld dafür bezahlt hat. Wenn er als Microsoft-Geschäftsführer bei Besprechungen oder öffentlichen Auftritten hopste und brüllte, dann wurde er belächelt und bisweilen für verrückt erklärt. Ein Besitzer eines Sportvereins dagegen wird für sein Engagement gefeiert, für seinen Enthusiasmus verehrt. Er darf sein, wie er ist - und die Menschen in Los Angeles finden es wunderbar.

© SZ vom 29.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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