Aufregung um Gutachten:Wie Wolfgang Schäubles Beirat den Rundfunk umbauen will

  • Der Wissenschaftlicher Beirat im Bundesfinanzministerium hat ein Gutachten zum Thema "Öffentlich-rechtliche Medien - Aufgabe und Finanzierung" erstellt.
  • An sich ist es eine gute Idee, wenn sich Außenstehende über das komplizierte System der Öffentlich-Rechtlichen Gedanken machen.
  • Aber die Symstemferne des Beirats-Papier wirkt besonders fern und sieht Journalismus als Notfallversorgung vor.

Von Claudia Tieschky

Ein Gutachten heißt Gutachten, weil es kein schlechtes gibt. Natürlich ist auch das Gutachten gut, das der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Thema "Öffentlich-rechtliche Medien - Aufgabe und Finanzierung" erstellt hat und das über die Feiertage Aufregung erzeugt hat mit der populären Forderung, die Rundfunkabgabe abzuschaffen. Mit den Worten von Bild.de: "Schäuble-Berater wollen GEZ-Gebühr abschaffen". So stehe es im "brisanten Papier", das "im Bundesfinanzministerium kursiert".

Das Papier kursiert nicht nur, es steht sogar auf der Webseite des Ministeriums. Aus guter Gepflogenheit, wie eine Sprecherin erläutert: Der Beirat sei ein unabhängiges Gremium und wähle seine Themen selbst. Eine inhaltliche Stellungnahme zu dem Gutachten gibt das BMF nicht ab. Ein bisschen Aufregung schadet nicht, aber Rundfunk ist Sache der Länder, Schäubles Haus ist schlicht nicht zuständig.

Gut, wenn sich systemferne Menschen Gedanken machen

Egal. Es ist ja tatsächlich eine gute Idee, wenn über das System Menschen nachdenken, die nicht jahrelang Konsensgymnastik in der Rundfunk-Kommission der Länder übten. Zu Werbefreiheit, zum Beitragssystem, zur Abgrenzung gegenüber den Privaten und Qualitätskontrolle fehlen originelle systemferne Gedanken.

Doch das Beirats-Papier liefert davon wenig, fordert aber dafür mehr Markt. Die Systemferne wirkt besonders fern, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender den Zeitungen und Privatsendern entgegengestellt werden. Da heißt es dann, die finanziellen Hürden für das Betreiben eines Senders über Kabel, Antenne oder Web seien "heute niedrig", Zeitungen wiederum "einfach und preiswert zu produzieren". Das hört sich gut an - aber auch nach Weihnachtsmann.

Als würden die Milliarden direkt in die Produktionen fließen

Berechnet haben die Experten der Finanztheorie und Finanzpolitik auch, dass bei der Zahl der Haushalte allein die Höhe der Rundfunkabgabe auf "eine weit überdurchschnittliche Versorgung" durch öffentlich-rechtliche Programme hindeute. Ganz so, als würden die Milliarden unmittelbar in Produktionen fließen - und nicht aufgefressen werden von den riesigen Personalapparaten der Sender mit ihren Versorgungskosten, dem größten Problem.

Kai Konrad, der Vorsitzende des Beirats, teilt auf Anfrage mit, man habe das Thema der Öffentlich-Rechtlichen wegen "der überragenden ordnungs- und wirtschaftspolitischen Bedeutung aufgegriffen". Problematisch sieht der Beirat auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vor dem der Streit um die Rundfunkordnung regelmäßig endet; sie sei "zunehmend selbstreferenziell".

Öffentlich-Rechtliche als Notfallversorger

Noch ferner wird der Blick, wenn die Experten vorschlagen, dass die Öffentlich-Rechtlichen nur noch zuständig sein sollen, wo die Privaten versagen oder bei "Unterabdeckung von wünschenswerten Nischenangeboten" - zu solchen Nischenprodukten zählten auch "Reportagen, die ein kostspieliges Auslandskorrespondenten-Netzwerk mit hohen Fixkosten erfordern". Was die Berater entwerfen, ist somit ein Rundfunk, in dem Journalismus nurmehr als Notfallversorgung vorgesehen ist. Aber ein Gutachten ist auch nur ein Gutachten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: