Urteil gegen Nawalny erwartet
Im Betrugsprozess gegen den Kremlkritiker Alexej Nawalny hat die russische Justiz das Urteil überraschend vorgezogen. Der Urteilsspruch soll bereits heute um neun Uhr (sieben Uhr MEZ) und damit mehr als zwei Wochen früher als erwartet bekanntgegeben werden. Das teilte der Oppositionelle am Montag in seinem Blog mit. Dem populären Kremlkritiker drohen bis zu zehn Jahre Straflager.
Gerichtssprecherin Julia Petrowa sagte der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti, der Termin sei vom 15. Januar auf den 30. Dezember vorverlegt worden, weil das Gericht früher als gedacht Zeit gefunden habe, das Urteil zu formulieren.
Nawalnys Anwältin Olga Michailowa vermutet jedoch einen anderen Grund für die Terminänderung. Sie sei vermutlich darauf zurückzuführen, dass sich im Internet Widerstand gegen die zu erwartende Verurteilung Nawalnys formiert habe und Demonstrationen für den 15. Januar in Vorbereitung gewesen seien. An dem neuen Termin seien hingegen viele Menschen in den Ferien, sodass er für die Behörden "praktischer" sei, sagte die Anwältin.
Erste Festnahmen von Demonstranten in Moskau
Bereits vor der Verkündung des Urteilsspruchs hat die Polizei vor dem Gerichtsgebäude in Moskau zwei Demonstranten festgenommen. Der eine Mann habe ein Nawalny-kritisches Plakat getragen, der andere habe Losungen zur Unterstützung des Oppositionspolitikers gerufen, berichtete die Agentur Interfax. Die Polizei riegelte eine Straße vor dem Gerichtsgebäude ab, zahlreiche Beamte waren im Einsatz.
Protest vor dem Kreml geplant
Wenige Minuten nach der Ankündigung des neuen Gerichtstermins war im sozialen Netzwerk Facebook eine Seite eingerichtet worden, auf der zu einer Demonstration vor dem Kreml in Moskau für Dienstagabend aufgerufen wurde.
Bereits am Montag fand der Aufruf mehr als 10 000 Unterstützer im Netz. Damit könnte die geplante Demonstration eine der größten gegen Russlands Staatschef Wladimir Putin seit Ausbruch der Ukraine-Krise im Frühjahr werden.
Die Vorgänger-Seite, auf der zu Protestversammlungen für den 15. Januar eingeladen worden war, hatte Russland bei Facebook sperren lassen. Die russische Internetaufsicht Roskomnadsor teilte mit, die Seite sei auf Anordnung der Generalstaatsanwalts blockiert worden, weil sie eine "ungenehmigte Massenkundgebung" beworben habe. Zur Zeit ihrer Sperrung in Russland hatten sich etwa 12 000 Nutzer auf der Seite angemeldet.
Die Vorwürfe gegen Nawalny und seinen Bruder
Nawalny soll gemeinsam mit seinem Bruder Oleg den französischen Kosmetikkonzern Yves Rocher um fast 27 Millionen Rubel (nach damaligem Wechselkurs fast eine halbe Million Euro) betrogen haben, als das Unternehmen den Vertriebsdienst der Brüder benutzte. Nawalny und sein Bruder weisen die Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Die Staatsanwaltschaft forderte zehn Jahre Haft in einem Straflager.
Der Finanzdirektor der russischen Filiale von Yves Rocher, Christian Melnik, gab zwischenzeitlich eine Erklärung ab, nach der dem Unternehmen durch die Kooperation mit dem Vertriebsdienst der Brüder Nawalny letztlich kein Schaden entstand. Ursprünglich hatte Yves Rocher eine Klage gegen Unbekannt eingereicht, weil das Unternehmen zunächst davon ausgegangen war, der Transportdienst hätte billiger ausgeführt werden müssen.
Hausarrest und Internetverbot für den regierungskritischen Blogger
Alexej Nawalny hat sich als regierungskritischer Blogger einen Namen gemacht. In seinen Veröffentlichungen prangerte er insbesondere die Korruption in Russland an. 2011 und 2012 führte er Massendemonstrationen gegen Präsident Wladimir Putin an. Bei der Wahl des Moskauer Bürgermeisters im September 2013 landete der Blogger und Aktivist auf dem zweiten Platz.
Im vergangenen Jahr war er wegen Veruntreuung von 16 Millionen Rubel zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Sie wurde später jedoch ausgesetzt und Nawalny unter Auflagen freigelassen. So durfte er Moskau nicht verlassen. Später wurde er unter Hausarrest gestellt, weil er gegen die Auflagen verstoßen haben soll. Außerdem wurde ihm die Nutzung von Internet und Telefon verboten.