Proteste in Moskau:Polizei nimmt mehr als 250 Demonstranten fest

Opposition rally in Moscow

Die Polizei in Moskau greift zu harten Maßnahmen gegen die Anhänger Nawalnys.

(Foto: dpa)
  • Kurz nach seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe ist der führende russische Oppositionelle Alexej Nawalny auf einer kremlkritischen Demonstration in Moskau kurzzeitig festgenommen worden.
  • Zusätzlich verhafteten die Sicherheitskräfte in Moskau zahlreiche Demonstranten.
  • Zuvor war Nawalny in einem umstrittenen Prozess wegen Unterschlagung schuldig gesprochen worden.
  • Ein Gericht in Moskau verurteilte Nawalny zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung, sein Bruder muss hingegen ins Gefängnis.

Nawalny und mehr als 250 Anhänger in Moskau festgenommen

Nach seiner Festnahme am Rande einer Demonstration in Moskau ist der russische Oppositionelle Alexej Nawalny wieder nach Hause gebracht worden. Polizisten hätten ihn zu seiner Wohnung gefahren, teilte Nawalny auf Twitter mit. Mehrere Beamte seien dort geblieben und würden vor seiner Tür darüber wachen, dass er seine Wohnung nicht verlasse.

Nawalny war am Dienstagabend in der Nähe des Kreml auf dem Weg zu einer nicht genehmigten Protestkundgebung festgenommen worden. Außerdem wurden nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 250 Menschen festgenommen, erklärte die Gruppe OVD-Info.

Nawalny kommt mit Bewährung davon, Bruder muss ins Gefängnis

Zuvor war Nawalny in einem umstrittenen Prozess wegen Unterschlagung schuldig gesprochen worden. Ein Gericht in Moskau verurteilte ihn am Dienstag zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung. Sein Bruder Oleg wurde ebenfalls zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt und laut russischen Agenturen schon im Gerichtssaal festgenommen.

Sein Bruder verurteilte dies lautstark als Versuch, "Druck" auf ihn auszuüben, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Das sei eine "Schweinerei", sagte Alexej Nawalny demnach. "Wollt ihr mich damit noch mehr bestrafen?" Gleichzeitig schickte er eine Kampfansage an Russlands Präsident Wladimir Putin: "Dieses Regime hat kein Recht zu existieren, es muss zerstört werden." Nawalny rief seine Unterstützer auf, sich an den für Dienstag geplanten Protesten zu beteiligen.

Der Ex-Oligarch Michail Chodorkowski bezeichnete das Urteil als Rache von Beamten für Nawalnys Kampf gegen Korruption. "Es besteht kein Zweifel, dass es keinen Rechtsstaat in Russland gibt", teilte er Berichten zufolge mit. Auch die Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa von der Moskauer Helsinkigruppe kritisierte das Urteil. "Es gab weder für eine Bewährungs- noch für eine lange Haftstrafe eine Grundlage. Der gesamte Prozess ist politisch", sagte sie.

Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Lagerhaft gefordert, das Urteil fiel deutlich milder aus, als von Beobachtern erwartet. Die Brüder weisen die Vorwürfe zurück. Ihre Anwälte kündigten Berufung gegen das Urteil an. Sie kritisieren den Prozess als politisch motiviert. Das Urteil sollte eigentlich am 15. Januar gesprochen werden, der Termin wurde dann aber vorgezogen. Eine Gerichtssprecherin sagte der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti, das Gericht habe früher Zeit gefunden, das Urteil zu formulieren.

Nawalnys Anwältin Olga Michailowa vermutete jedoch einen anderen Grund für die Terminänderung. Sie sei vermutlich darauf zurückzuführen, dass sich im Internet Widerstand gegen die zu erwartende Verurteilung Nawalnys formiert habe und Demonstrationen für den 15. Januar in Vorbereitung gewesen seien. Derzeit seien hingegen viele Menschen in den Ferien, sodass der neue Termin für die Behörden "praktischer" sei, sagte die Anwältin.

Brüder sollen Yves Rocher um 27 Millionen Rubel geprellt haben

Nawalny war vorgeworfen worden, gemeinsam mit seinem Bruder Oleg den französischen Kosmetikkonzern Yves Rocher um fast 27 Millionen Rubel (nach damaligem Wechselkurs fast eine halbe Million Euro) betrogen zu haben, als das Unternehmen den Vertriebsdienst der Brüder benutzte.

Der Finanzdirektor der russischen Filiale von Yves Rocher, Christian Melnik, gab zwischenzeitlich eine Erklärung ab, nach der dem Unternehmen durch die Kooperation mit dem Vertriebsdienst der Brüder Nawalny letztlich kein Schaden entstand. Ursprünglich hatte Yves Rocher eine Klage gegen Unbekannt eingereicht, weil das Unternehmen zunächst davon ausgegangen war, der Transportdienst hätte billiger ausgeführt werden müssen.

Zweiter Platz bei Bürgermeisterwahl in Moskau

Alexej Nawalny hat sich als regierungskritischer Blogger einen Namen gemacht. In seinen Veröffentlichungen prangerte er insbesondere die Korruption in Russland an. 2011 und 2012 führte er Massendemonstrationen gegen Präsident Wladimir Putin an. Bei der Wahl des Moskauer Bürgermeisters im September 2013 landete der Blogger und Aktivist mit mehr als 27 Prozent auf dem zweiten Platz.

Im vergangenen Jahr war er wegen Veruntreuung von 16 Millionen Rubel zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Sie wurde später jedoch ausgesetzt und Nawalny unter Auflagen freigelassen. So durfte er Moskau nicht verlassen. Später wurde er unter Hausarrest gestellt, weil er gegen die Auflagen verstoßen haben soll. Außerdem wurde ihm die Nutzung von Internet und Telefon verboten.

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