Putin-Kritiker Nawalny verurteilt:Freiheit sieht anders aus

-

Alexej Nawalny, Russlands bekanntester Oppositioneller, ist zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

(Foto: AFP)
  • Ein Moskauer Gericht verurteilt Russlands bekanntesten Oppositionellen Alexej Nawalny zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung. Sein Bruder Oleg muss drei Jahre ins Straflager.
  • Das Urteil war erst Mitte Januar erwartet worden, Kreml-Gegner interpretieren die Vorverlegung als Versuch des russischen Präsidenten, Proteste zu unterdrücken.
  • Der Druck auf Oppositionelle ist trotz der Begnadigung des Putin-Kritikers Chodorkowskij und der Punk-Band Pussy Riot im vergangenen Jahr groß.

Von Hannah Beitzer

Immerhin, ins Straflager muss er nicht. So könnte das Fazit zu dem Urteil lauten, das ein Moskauer Gericht in einem umstrittenen Prozess gegen Russlands bekanntesten Oppositionellen fällte. Alexej Nawalny wurde zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Er soll mit seinem Bruder Oleg bei einer Firma Geld hinterzogen und anschließend über ein Geflecht von Firmen legalisiert haben. Die beiden Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, ihre Unterstützer kritisieren den Prozess als politisch motiviert. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Lagerhaft gefordert. Sind drei Jahre auf Bewährung also ein mildes Urteil? Zu diesem Schluss könnte kommen, wer die sonstige Härte, mit der die russische Justiz gegen Oppositionelle vorgeht, in Betracht zieht.

Doch Nawalny steckt schon seit Jahren in einem direkten Konflikt mit dem Kreml. Der jüngste Prozess ist nicht der erste Versuch, ihn unter Druck zu setzen. Er hat sich als Anti-Korruptions-Blogger einen Namen gemacht und kritisiert die verkrusteten Strukturen der russischen Wirtschaft, die ein Grund dafür sind, dass das Land immer wieder von Krisen erfasst wird.

Nawalny wird zum Kreml-Gegner Nummer eins

Nawalny war eines der Gesichter der Massenproteste gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin in den Jahren 2011 und 2012. Zahlreiche Male wurde er nach politischen Kundgebungen verhaftet, 2013 in einem umstrittenen Prozess wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Straflager verurteilt. Nach Protesten von Oppositionellen setzte der Richter das Urteil überraschend zur Bewährung aus.

Kurz darauf kandidierte Nawalny für das Amt des Moskauer Bürgermeisters und wurde mit 27 Prozent der Stimmen Zweiter - auch wenn er innerhalb der Opposition wegen fremdenfeindlicher Äußerungen nicht unumstritten ist. Auf einer Demonstration wurde er abermals festgenommen und schließlich im Februar 2014 unter Hausarrest gestellt. Ohne Zugang zu Internet und Telefon. Freiheit sieht anders aus.

Oleg Nawalny muss nun - anders als sein Bruder - gleich für drei Jahre ins Straflager, er wurde bereits im Gerichtssaal abgeführt. Alexej Nawalny bezeichnete das als "Schweinerei", als Versuch, Druck auf ihn auszuüben. "Der Kreml hat das sehr geschickt gemacht, indem er nicht nur versucht, mich ins Gefängnis zu bringen, sondern auch andere Unschuldige hineinzuziehen", hatte er vor einigen Wochen vor Gericht gesagt.

Druck auf die Opposition wächst

Das Urteil war eigentlich erst am 15. Januar erwartet und am gestrigen Montag überraschend vorgezogen worden. Für diesen Termin hatten die Unterstützer Nawalnys bereits Demonstrationen angekündigt. Sie vermuten hinter der Vorverlegung deswegen einen Versuch des Staatsapparats von Wladimir Putin, die Proteste zu unterdrücken.

Und noch einen Vorteil könnte der russische Staat aus dem frühen Termin ziehen: Zwischen Silvester und dem 10. Januar verabschiedet sich ganz Russland in die Winterferien. Behörden haben geschlossen, Unternehmen stoppen den Betrieb und vor allem: Zeitungen erscheinen nicht.

Dabei ist der Druck auf kritische Medien ohnehin ähnlich hoch wie auf Oppositionelle. Die Organisation Reporter ohne Grenzen beklagt, dass die Pressefreiheit in Russland so eingeschränkt sei, wie seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr. Immer neue Gesetze bereiten kritischen Medien Probleme, immer wieder werden kritische Journalisten und Journalistinnen wie die Chefredakteurin des angesehenen Nachrichtendienstes Lenta.ru, Galina Timtschenko, entlassen.

Anhänger rufen zu Protesten auf

Anderen Regierungskritikern geht es ähnlich, auch wenn Putin vor genau einem Jahr milde gestimmt schien und den Kreml-Kritiker Michail Chodorkowskij und die Mitglieder der oppositionellen Punk-Band Pussy Riot überraschend begnadigte. Das dürfte auch den damals bevorstehenden Olympischen Spielen geschuldet gewesen sein. Ganz abgesehen davon, dass willkürlich ausgesprochene Begnadigungen etwas anderes sind als ein tatsächlich vorhandenes und akzeptiertes Recht auf politische Opposition.

Trotzdem will Alexej Nawalny nicht aufgeben. "Wir kämpfen darum, dass die Leute aufhören wegzuschauen, und sich eingestehen: Alles, was in unserem wunderbaren Land passiert, ist auf Lügen aufgebaut", sagte er während des jüngsten Prozesses. "Ich bin nicht bereit, diese Lügen weiter zu ertragen."

Nach der Urteilsverkündung sagte er: "Dieses Regime hat kein Recht zu existieren, es muss zerstört werden." Die Anwälte der Nawalny-Brüder wollen in Berufung gehen. Für heute Abend rufen ihre Unterstützer zu Protesten auf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: