Nachlese zum "Tatort" aus Dortmund:Nazi kann jeder

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Pure Panik: Nora Dalay wird von Neonazis überfallen.

(Foto: WDR/Thomas Kost)

Sie wollen mitreden über den "Tatort"? Hier erfahren Sie, wer in "Hydra" ausrastet und was der ARD-Krimi mit Pegida zu tun hat. Die Nachlese zum "Tatort" aus Dortmund - mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

In "Hydra" muss das Dortmunder Quartett den Mord an dem führenden Neonazi Kai Fischer aufklären. Das wäre an sich schon heikel genug, denn das Netz der Rechtsradikalen ist nur schwer zu durchdringen und jeder scheint verdächtig. Aber die persönlichen Verstrickungen der Kommissare Nora Dalay und Daniel Kossik in den Fall erschweren zusätzlich die Ermittlungen. All das zusammen macht den fünften Dortmunder Tatort wirklich sehenswert.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Die Kommissare Nora Dalay und Peter Faber haben gerade zwei Verdächtige in deren Wohngemeinschaft besucht. Als die junge Lena Keller Dalay als "Türkenfotze" beschimpft, platzt dieser der Kragen; Faber muss schlichten. Hinterher kommt es im Treppenhaus zur Aussprache.

Faber: Wenn Sie das nächste Mal auf Krawall gebürstet sind, sagen Sie mir vorher Bescheid.

Dalay: Mann, so ein Scheiß-Gerede, das kotzt mich einfach an.

Faber: Wieso? Sie ärgern sich doch auch, dass die Nordstadt vor die Hunde geht.

Dalay: Ja, aber ich versuche, etwas zu ändern.

Faber: Die doch auch.

Dalay: Wollen Sie mich jetzt zum Nazi stempeln?

Faber: Deutscher, Grieche, Türke, Holländer - Nazi kann jeder.

Dalay: Tut mir leid, Faber. Ich wollte Ihnen nicht die Show stehlen.

Faber: Wenn ich Zeugen oder Verdächtige provoziere, ist das nichts Persönliches.

Dalay: Und der Papst ist Moslem.

Die besten Zuschauerkommentare:

Die beste Szene:

Nora Dalay bewegt sich mit ihrem provokanten Verhalten in "Hydra" auf dünnem Eis. Eines Abends fliegen tatsächlich kleine Stahlkugeln durchs Fenster ihrer Wohnung. Als die Kommissarin dem Mann nachstellt, der den Stein geworfen hat, sieht sie sich plötzlich von dunklen Gestalten umringt. Es folgen harte Worte, eine unruhige Kameraführung, ein lauter Schrei, Dalays Blick purer Panik, die auf den Zuschauer übergeht. Und Angst, Unruhe, Abscheu sind plötzlich täuschend real.

Top:

Faber, Faber, Faber! Schnoddrig, abgebrüht und unangepasst löst er seine Fälle - und hat inzwischen sogar zur Selbstironie gefunden. Zwar bleiben diesmal sowohl Schreibtisch als auch Waschbecken heil, verbal ist der Dortmunder Bulle aber immer noch auf Provokationskurs. Auf der einen Seite. Auf der anderen schafft es Faber, immer den Ton seines Gegenübers zu treffen und sich so den Nazis (zu Kai Fischers Kontrahent sagt er einmal: "Kamerad Fischer. Bitte, ein bisschen mehr Respekt") ebenso anzunähern wie einem altbekannten Penner. Mit Erfolg. Faber ist einer der ganz großen Tatort-Joker.

Und außerdem:

Selten passte ein Tatort-Titel so gut zum Fall wie bei "Hydra". Kaum ist Kai Fischer als Nazi-Boss tot, wollen gleich mehrere an die Spitze aufrücken - wie bei dem mehrköpfigen Ungeheuer aus der griechischen Mythologie. Und nicht nur für die Neonazi-Hochburg Dortmund gilt: Je mehr "Köpfe" dem rechtsradikale Monster wachsen, desto schwerer ist ihm beizukommen.

Flop:

Höchstens, dass die Dortmunder Tatort-Kommissare nicht öfter ermitteln.

Bester Auftritt:

Fabers aufbrausende, aggressive und provozierende Art ist bekannt. In "Hydra" übernimmt aber Nora Dalay diese Rolle. In einer Szene richtet sie ihre Waffe voll Zorn gegen Lena Keller, sie schnaubt und steht kurz vorm Ausrasten, bis ausgerechnet Faber sie vor dem Schlimmsten bewahrt. In einer anderen Sequenz gesteht sie ihrem Ex, Daniel Kossik, unter Tränen, wie schwer sie die Abtreibung verkraftet. Ein schwieriger Spagat zwischen wilder, lauter Wut und stiller Verletztheit, den Aylin Tezel überzeugend meistert.

Die Schlusspointe:

In diesem Tatort sitzt der Teufel mal wieder in den eigenen Reihen - und zeigt, wie tief die rechte Szene in der Gesellschaft verankert ist. Ein guter Dreh für eine ohnehin schon beklemmende Story.

Die Erkenntnis:

"Hydra" geht unter die Haut. Drehbuchautor Jürgen Werner gelingt es, Ausländerhass spannend und ohne erhobenen Zeigefinger zu inszenieren. In Zeiten von Pegida und kurz nach dem Attentat von Paris ist das Thema aktueller denn je. Und macht umso betroffener.

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