Russlands Regierungskritiker:Nawalny soll gezähmt werden

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Kremlgegner Alexej Nawalny gilt als einer der schärfsten Kritiker Russlands Regierung. (Foto: dpa)

Der Blogger Alexej Nawalny ist für den Kreml ein schwieriger Gegner, weil er in der russischen Bevölkerung beliebt ist. Ein auf den ersten Blick mildes Urteil - eine Haftstrafe auf Bewährung - erfüllt den Zweck: Der Kritiker ist unter Kontrolle der Behörden.

Von Frank Nienhuysen

Ende Dezember ist eine gute Zeit in Russland, um Urteile zu sprechen und gleichzeitig die heimische Aufmerksamkeit einigermaßen zu dämpfen. Denn Ende Dezember bereitet sich das Land auf zwei Wochen kollektiver Neujahrsruhe vor. Zeitungen hören auf zu erscheinen, Menschen verreisen oder planen intensiv für den üppig zu feiernden Jahreswechsel. Ein Urteil gegen Michail Chodorkowskij, den einstigen Oligarchen und Chef des Ölkonzerns Yukos, fiel in diese Zeit.

Und nun auch das gegen Alexej Nawalny und seinen Bruder. Gut möglich also, dass die Urteilsverkündung nie wirklich, wie zunächst angenommen, für den 15. Januar geplant war; für einen Tag zumal, an dem sich schon Wochen vorher mehr als 30 000 Menschen für eine Protestkundgebung angesagt hatten.

Zu ihnen gehört die russische Moderatorin und Society-Queen Ksenia Sobtschak, die es sich nun für den kurzfristig gewählten neuen Urteilstag eben nicht mehr einrichten konnte; sie war von Moskau aus bereits "sehr weit" in die Ferne geflogen. So gesehen ist der Termin der Gerichtsentscheidung vermutlich ebenso sorgsam austariert wie das Strafmaß selber. Dreieinhalb Jahre Haft auf Bewährung ist bei den zehn Jahren Gefängnis, welche die Staatsanwaltschaft für Nawalny gefordert hatte, einerseits ein vergleichsweise mildes Urteil.

Alexej Nawalny ist für den Kreml ein schwieriger Gegner

Denn schon die Statistiken zeigen: Wer in Russland erst einmal Angeklagter in einem Gerichtsprozess ist, verliert mit hoher Wahrscheinlichkeit dann auch fürs Erste seine Freiheit. Für Regierungskritiker gilt dies allemal, und Alexej Nawalny ist seit Jahren einer der schärfsten. So scharf, dass die Gefahr bestand, eine hohe Gefängnisstrafe könnte ihn am Ende zu einem Märtyrer machen, zu einem "Nelson Mandela", wie in Russland manche sagen. Dieses Risiko wollte offenbar niemand in Moskau eingehen.

Andererseits stellt sich die Frage, warum es überhaupt diesen Prozess gab, wo doch die angeblich von den Nawalny-Brüdern geprellte Firma bestätigt hat, dass sie überhaupt nicht geschädigt worden sei. Die Bewährungsstrafe, übrigens bereits die zweite langjährige gegen den Oppositionellen, bedeutet also: Nawalny kommt noch einigermaßen davon, bleibt aber, zumal durch den bestehenden Hausarrest, auf lange Zeit unter Kontrolle der Behörden. Dies passt ins Muster einer Politik, die Gegner und Kritik immer weniger duldet und zunehmend verstummen lässt.

Die Wirtschaft darbt, die Zeiten werden schlechter - auch für Demonstranten

Alexej Nawalny ist dabei ein besonderer Fall, weshalb der Umgang der Behörden mit ihm stets heikel und widersprüchlich war. Er ist weder ein reicher, strippenziehender Oligarch, noch einer, den man einfach als Radikalinski abtun und wegsperren konnte - für den Kreml ein Dilemma. Nawalny, Anwalt und Blogger, hat in der russischen Bevölkerung einen Nerv getroffen, als er im Internet Fälle von Korruption veröffentlicht hat, und er war populistisch genug, daraus politisch Kapital zu schlagen.

Nawalny war nicht nur Kritiker des Kreml, er wurde auch zunehmend beliebt, geschätzt sogar in Teilen des politischen Establishments. Das hat ihn für die Führung zu einem gefährlichen Gegner gemacht. Bei der Wahl zum Moskauer Bürgermeister, zu der er trotz einer Bewährungsstrafe überraschend antreten durfte, wurde er prompt Zweiter.

Nawalny ist ein Gesicht jener Großdemonstrationen vor drei Jahren, die sich nicht nur, aber auch gegen die Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml richteten. Die Proteste ebbten dann ab, weil die Regierung die Zügel anzog, auf Patriotismus setzte und zugleich die Wirtschaft ausreichend brummte. Patriotismus gibt es reichlich derzeit, aber für schlechte Stimmung sorgt nun die Wirtschaft, die darbt wie lange nicht mehr. Es drohen also weitere Härten - auch für Demonstranten.

© SZ vom 31.12.2014/uga - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Das Urteil gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde schneller gefällt als gedacht. Der Termin sei "praktischer" für die Behörden, sagte seine Anwältin.

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