Jean-Paul Sartres Zurückweisung des Nobelpreises:Offene Resistenz

Jean-Paul Sartre

Er hätte seine Unabhängigkeit als gefährdet betrachtet, wenn er den Nobelpreis angenommen hätte: Jean-Paul Sartre.

(Foto: dpa)

Die Zurückweisung des Nobelpreises durch Jean-Paul Sartre löste 1964 einen Skandal aus, der durchaus zu den Vorstellungen passte, die von dem Schriftsteller im Umlauf waren. Dokumente belegen nun indes, dass Sartre den Eklat gern vermieden hätte.

Von Thomas Steinfeld

Einmal, nur einmal gab es einen Nobelpreisträger für Literatur, der die Annahme der Auszeichnung verweigerte: Es war Jean-Paul Sartre, im Jahr 1964.

Damals löste die Zurückweisung einen Skandal aus, was durchaus zu den Vorstellungen passte, die von diesem Schriftsteller und Philosophen im Umlauf waren. Dass Jean-Paul Sartre diese Aufregung indessen gern vermieden hätte, geht nun aus Dokumenten hervor, die von der Schwedischen Akademie zu Beginn dieses Jahres zur Einsichtnahme freigegeben wurden.

Jean-Paul Sartre hatte sich nämlich, als die Gerüchte um einen Nobelpreis für ihn Frankreich erreichten, in einem Brief an den Ständigen Sekretär der Akademie mit der Bitte gewandt, sich keinesfalls für ihn zu entscheiden. Aus grundsätzlichen Erwägungen, die Freiheit eines Intellektuellen betreffend, könne und werde er den Preis nicht annehmen, weder in diesem Jahr noch in Zukunft.

Die Akademie ließ sich aber von ihrer schon getroffenen Entscheidung nicht mehr abbringen - obwohl sie erhebliche Bedenken gegenüber der literarischen Qualität des Werkes hegte, einer allzu großen Neigung zur Propaganda wegen, und weil man den "etwas zweifelhaften" Existenzialismus für eine "Modephilosophie" hielt.

Jean-Paul Sartre andererseits hätte durchaus des Preisgeldes bedurft, weil er sich zu jener Zeit in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand, die sich durch die Veröffentlichung des ersten Teiles seiner Lebenserinnerungen - die Akademie war von diesem Buch angetan gewesen - auch nicht verringert hatten.

Ungewöhnlich scharfes Urteil über Paul Celan

Dass Sartre dann die Auszeichnung zugesprochen bekam, ohne sie anzunehmen, bedeutete auch, dass W. H. Auden, der jahrelang zu den Kandidaten gehört hatte, aus dem Kreis der zu Erwählenden ausschied. Zudem wurde im Jahr 1964 zum ersten Mal erwogen, Paul Celan auszeichnen. Das in den Beratungen über dessen Werk gefällte Urteil ist indessen ungewöhnlich scharf: "Das Komitee ist nicht der Meinung, dass eine solche Kandidatur den Ansprüchen einer hohen internationalen Auszeichnung genügt."

Das vor allem von Lars Gyllensten, einem Mitglied der Akademie, gestreute Gerücht, Jean-Paul Sartre oder ein ihm Nahestehender habe sich ein Jahrzehnt später danach erkundigt, ob das Preisgeld denn noch zu haben sei, wird durch die nun freigegebenen Dokumente nicht bestätigt.

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