Einwanderungspolitik:Pistorius wirft CSU "Hardcore-Politik" vor

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius kritisiert die Asyldebatte der CSU scharf.

(Foto: dpa)
  • Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) wirft der CSU vor, mit ihren Vorschlägen für die Asylpolitik die Debatte zu vergiften.
  • Pistorius stimmt mit der CSU überein, dass das Asylverfahren beschleunigt werden müsse.
  • Er plädiert für die Einrichtung einer Sonderabteilung beim Bundesamt für Migration, in der die klaren Asylfälle rasch entschieden werden sollen.

Von Heribert Prantl

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat der CSU die Inszenierung einer "absurden Asyldebatte" vorgeworfen. Am allermeisten ärgere, ja erzürne ihn die Diktion der CSU: Wer Flüchtlinge, die vor Not und Elend fliehen, als "Wirtschaftsflüchtlinge" beschimpfe, nur weil sie nicht ins sehr enge Raster des politischen Asyls in Deutschland passen, der vergifte das politische Klima - auch das in der großen Koalition. Man könne die Versäumnisse der deutschen Politik, sagte Pistorius, nicht den Flüchtlingen zum Vorwurf machen: "Deutschland braucht eine gesteuerte Zuwanderung". Weil es diese nicht gebe "zwingen wir die Leute, die hier arbeiten und tüchtig sein wollen, ins Asylverfahren".

Im Gespräch mit der ddeutschen Zeitung warf Pistorius der CSU vor, die neue Asyldebatte nur deswegen zu führen, weil sie "zwischen sich und der Wand eine neue Partei entdeckt" habe. Eine "Hardcore-Politik", die so tue, als müsse und könne man jeden abgelehnten Asylbewerber automatisch abschieben, halte er für "schändlich": Die CSU wisse sehr wohl, dass einer Abschiebung oft individuelle humanitäre Hindernisse entgegenstünden. Es gebe nicht ohne Grund Abschiebungsschutz und Duldung im Aufenthaltsgesetz - für Menschen, die zwar den engen Kriterien des politischen Asyls nicht genügen, aber wegen der Zustände im Heimatland trotzdem nicht abgeschoben werden können. Pistorius warnte den Koalitionspartner in Berlin eindringlich vor einem "Fischen am Rand".

Pistorius teilt allerdings die Kritik der CSU, dass die Asylverfahren zu lange dauern. Das sei unter anderem die Schuld des früheren Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU), der es versäumt habe, die Kapazitäten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge rechtzeitig auszubauen. Friedrich hatte kürzlich um Verständnis für die Kritik von Pegida an der Flüchtlingspolitik geworben.

Klare Asylfälle rasch entscheiden

Pistorius plädierte nun für die Einrichtung einer Sonderabteilung beim Bundesamt, in der die klaren Asylfälle rasch entschieden werden sollen - und zwar nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Fälle. Die Asylverfahren für Flüchtlinge aus den unsicheren Herkunftsstaaten (etwa Syrien oder Irak) könnten genau so schnell positiv entschieden werden, wie die Asylverfahren aus sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans negativ entschieden werden könnten.

Bei den Kommunen treffen Vorstöße für ein beschleunigtes Asylverfahren auf Zuspruch. Seine Organisation spreche sich für eine Beschleunigung der Asylverfahren aus, sagte der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der Rheinischen Post. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, mahnte eine "gut geplante Einwanderungspolitik" an. Diese dürfe nicht "mit der Flüchtlingssituation vermischt werden", sagte er im RBB-Inforadio.

Zwar sei jetzt die konkrete Hilfe für Flüchtlinge vorrangig. Sie könne jedoch eine Einwanderungspolitik nicht ersetzen, die "noch lange nicht auf dem Weg" sei. Marx wandte sich gegen "pauschale Regelungen". Eine strikte Unterscheidung in Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge sei nicht hilfreich. Eine solche Trennung sei "nie genau zu ziehen".

Scharfe Kritik am Umgang Europas mit Flüchtlingen übte der Schweizer Menschenrechtler Jean Ziegler. Die Asylpolitik sei "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Ziegler dem Spiegel. "Die EU schottet den Kontinent ab und nimmt wissentlich den Tod vieler Menschen in Kauf." Ziegler forderte einen "Aufstand des Gewissens".

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