FDP-Dreikönigstreffen:Neue Klarheit, alte Werte

Partei-Chef Christian Lindner beim Dreikönigstreffen der FDP

Der FDP-Parteivorsitzende Christian Lindner in Stuttgart beim Dreikönigstreffen.

(Foto: dpa)
  • Beim traditionellen Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart spricht der Vorsitzende Christian Lindner seiner Partei neuen Mut zu.
  • Der Freiheitsbegriff soll wieder entschieden besetzt werden - und sei es auf Kosten treuer FDP-Wähler, wie den Unternehmern der Taxi-Branche.
  • Steuersenkungen, Abschaffung des Soli und des Mindestlohns und das Freihandelsabkommen mit den USA sind weitere inhaltliche Aspekte.
  • Im Hinblick auf die anderen Parteien kritisiert Lindner nur die AfD. CDU, SPD und Grüne hätten Respekt verdient.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Christian Lindner machte auf seiner Flucht nach vorne am Ende vor nichts und niemandem mehr Halt. Auch nicht vor dem Taxigewerbe, in dem sich doch einige treue FDP-Wähler finden sollten. Dieser streng reglementierte, eierschalenfarbene Fahrdienst sei aus der Zeit gefallen, er müsse sich der Konkurrenz des amerikanischen Online-Services Uber stellen, rief Lindner ins Publikum. "Denn wir können keine Mauern um eine Branche bauen." Da hielten einige Parteifreunde im Stuttgarter Opernhaus den Atem an.

Aber sie bekamen, was Lindner ihnen versprochen hatte: "eine neue Klarheit". Und so jubelten sie überschwänglich, als der Vorsitzende zum Schluss seiner Rede beim Dreikönigstreffen den Stolz der Partei beschwor und hinter ihm das neue Parteilogo erschien. "Freie Demokraten" stand da groß in blauer Schrift auf gelbem Grund, und in einem magentafarbenen Streifen kleiner: FDP.

Um diese neue Farbe war zuvor großes Gewese gemacht worden. Magenta solle Wärme und Mitmenschlichkeit ausdrücken, war von Marketingleuten zu hören. Man mag sich dabei eher an die Telekom und einen gescheiterten Börsengang erinnern, aber Wärme und Mitmenschlichkeit werden ohnehin keine große Rolle spielen, wenn die FDP in den nächsten Wahlen um ihr Überleben kämpft. "Freie Demokraten" statt "Liberale", das vor allem scheint die Botschaft zu sein. Lindner will den Freiheitsbegriff wieder besetzen, den die Grünen seiner Partei streitig machen wollen, und er meint vor allem die Freiheit des Wettbewerbs, letztlich: die Freiheit des Unternehmers.

#3K15 - ein neues Motto?

Dabei hatte die Partei die kalten Seiten der unternehmerischen Freiheit schon vor dem Dreikönigstreffen am eigenen Leib zu spüren bekommen. Der Intendant des Staatstheaters, Marc-Oliver Hendriks, erachtete die 10 000 Euro für die Miete des Opernhauses als nicht mehr "marktkonform". Er erhöhte auf 30 000 Euro und will nächstes Jahr sogar noch mehr verlangen. Das tut der FDP weh, sie bittet nun um Spenden und erwägt bereits, nächstes Jahr in die kleinere Liederhalle umzuziehen. Es wäre ein weiterer Traditionsbruch für die Liberalen, die seit 1946 die prächtige Kulisse der Oper nutzen, um Glanz und Gloria ihrer Partei zu inszenieren.

Die neumodische Zeichenfolge #3K15 stand diesmal zunächst an der hinteren Bühnenwand geschrieben, das hielten einige Gäste in der Stuttgarter Oper zunächst für ein neues Motto. Man traut der Partei in ihrem Überlebenskampf eben alles zu, es war aber nur die Twitter-Kennung für: Dreikönigstreffen 2015.

Dass auf der Bühne Rednerpult und Funktionärstische fehlten, war jedoch kein Missverständnis, sondern explizite Botschaft: Diese Freien Demokraten wollen fortan ungeschützt vor die Bürger treten. Nur sechs weiße Ledersessel zierten die Bühne, darauf nahmen Platz die sechs Figuren, die in den nächsten Monaten über Wohl und Wehe der FDP entscheiden werden. Christian Lindner und seine Generalsekretärin Nicola Beer, aus Baden-Württemberg der Landesvorsitzende Michael Theurer und der designierte Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke, aus Hamburg Spitzenkandidatin Katja Suding, aus Bremen Spitzenkandidatin Lencke Steiner. 70 Minuten lang blieb der Sessel von Lindner leer. So lange nahm er sich Zeit, um seiner Partei Mut zuzusprechen.

Dreikönigstreffen der FDP

Weiße Ledersessel statt Funktionärstische: Die neue Offenheit will FDP-Chef Christian Lindner auch über das Bühnenbild demonstrieren.

(Foto: Bernd weißbrod/dpa)

"FPD pur" statt "neumodischer Liberalismus-Light"

Dank der neuen Sitzordnung konnten die Zuhörer jedenfalls bestens verfolgen, wie Beer, Theurer, Rülke, Suding und Steiner die Beine übereinanderschlugen, mal das linke über das rechte, dann wieder das rechte über das linke, während Lindner die ultimativen Lehren aus dem Niedergang der Partei ziehen wollte. Kein "modischer Liberalismus-Light" könne die Konsequenz sein, sondern "FDP pur". Deshalb setzte er ausdrücklich auch Steuersenkungen wieder auf die Agenda, die Kanzlerin Merkel in der schwarz-gelben Koalition abgeblasen hatte, ohne dass die FDP Widerstand geleistet hätte. "Selbstachtung", sagte Lindner, "lassen sich Freie Demokraten niemals mehr austreiben".

Abschaffung des Soli. Abschaffung des Mindestlohns. Solidarität mit den USA. Freihandelsabkommen. Investitionen in Bildung statt Rentenerhöhung. Erleichterung von Unternehmensgründungen. Dafür sollen die Freien Demokraten nach dem Willen von Christian Lindner in den Wahlkämpfen eintreten. "Ein deutscher Steve Jobs wäre bereits an der Baunutzungsordnung seiner Garage gescheitert", für diesen Satz erntete er den größten Applaus. Dass er für eine vorurteilsfreie Prüfung des Frackings plädierte, um Gasvorkommen zu erschließen, verschlug dann doch vielen den Atem, von seinem Angriff aufs Taxigewerbe ganz zu schweigen.

Attacke auf die AfD, Respekt für CDU, SPD und Grüne

Von den anderen Parteien attackierte Christian Lindner nur die AfD. Sie zeige nun, da sie sich an die Pegida-Bewegung anlehne, ihr reaktionäres Gesicht und verkörpere "das Gegenteil von allem, was uns als Liberalen heilig ist". Ansonsten forderte Lindner dazu auf, CDU, SPD und auch Grünen Respekt zu zollen. Damit sind die möglichen Koalitionspartner der FDP genannt. Die einseitige Bindung an die Union soll der Vergangenheit angehören.

Auch in ihrem Stil müsse sie sich künftig von der Konkurrenz unterscheiden, forderte Christian Lindner. "Pointen auf Kosten anderer Politiker" solle man sich verkneifen. Ob ihm da alle Parteifreunde folgen? Hans-Ulrich Rülke, der designierte Spitzenkandidat für Baden-Württemberg, hatte sich zuvor eine halbe Stunde lang an Winfried Kretschmann abgearbeitet und dabei kein Klischee über angebliche grüne Fortschrittsfeinde ausgelassen. Dem Publikum hat es bestens gefallen.

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