Wintersport:Bis zur Schwerelosigkeit

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Der Erfolg der Eiskunstläuferinnen des EHC Klostersee ist das Produkt aufopferungsvoller Nachwuchsarbeit

Von Johannes Heil

Einsam zieht der Weihnachtsmann mit der Eismaschine seine Bahnen. Der ältere Herr mit roter Jacke und Nikolausmütze, bei dessen Rauschebart man sich auch nach längerer Betrachtung nicht sicher sein kann, ob er echt ist oder nur angeklebt, bereitet mit seiner laut knatternden Maschine die Eisfläche für das Training vor. Es ist knackig kalt in der Grafinger Eishalle - wenn man davon überhaupt sprechen kann: Die Eisfläche ist zwar überdacht, aber der Wind pfeift stramm und beständig durch die offene Seite der Halle herein. Es wirkt alles etwas heruntergekommen, und dennoch kann man der ganzen Anlage einen gewissen Charme nicht absprechen.

Es ist Dienstag, kurz vor 18 Uhr, der Weihnachtsmann verlässt mit seiner Maschine die Eisfläche, und die Leistungsgruppe der Eiskunstlauf-Abteilung des EHC Klostersee beginnt mit dem Aufwärmen. Alle sind dick eingepackt, die Kälte scheint ihnen nichts anhaben zu können. Die ersten Pirouetten werden gedreht, die Mädchen stehen die ersten einfachen Sprünge, Musik setzt ein. Derweil steigt der Weihnachtsmann von seiner Eismaschine und zieht von dannen.

Dafür kommt nun Petra Kronseder in die Halle. Sie ist die Abteilungsleiterin Eiskunstlauf beim EHC Klostersee. Oder besser gesagt: der Eiskunstläuferinnen. "Jungs haben wir kaum in der Abteilung", sagt Kronseder. Es sei halt doch eher ein Sport für Mädchen. Kronseder ist aber nicht nur in ihrer Funktion als Abteilungsleiterin in der Halle, sondern auch als Mutter. Ihre drei Töchter - Sarah, 18, und die 15-jährigen Zwillinge Sophia und Luisa - sind Mitglieder der Leistungsgruppe. Bei so viel Eiskunstlauf-Begeisterung der eigenen Kinder möchte man eigentlich meinen, auch die Mutter selbst habe den von den Töchtern geliebten Sport einst betrieben. Doch Petra Kronseder wiegelt ab: "Ich selbst bin nie aktiv gelaufen." Dass sie zum Eiskunstlauf gekommen ist, sei eher dem Zufall geschuldet. Erst durch EHC-Trainerin Steffi Ruttkies ist sie zum Kunstlauf und zum Verein gestoßen - die Männer der beiden Frauen kannten sich gut. So kam es auch dazu, dass die Familie Kronseder einmal das alljährlich am Dreikönigstag stattfindende Schaulaufen in Grafing besuchte, und schon war es um die Kronseder-Töchter geschehen.

Gemeinsam mit Sarah Kronseder startet Ronja Kroner von Donnerstag an bei den deutschen Nachwuchsmeisterschaften in Oberstdorf. (Foto: Christian Endt)

Mittlerweile trainiert Ruttkies Petra Kronseders Töchter. Die älteste, Sarah, und die 15-jährige Ronja Kroner, Zweite bei der bayerischen Nachwuchsmeisterschaft Ende November, werden den EHC Klostersee vom 8. bis 11. Januar bei der Deutschen Nachwuchsmeisterschaft in Oberstdorf vertreten. Die bei den Juniorinnen gemeldete Kronseder ist in dieser Hinsicht schon ein alter Hase - es sind bereits ihre sechsten nationalen Titelkämpfe. Für Kroner, die bei den unter Achtzehnjährigen (U18) an den Start geht, ist es hingegen eine Premiere.

Ruttkies will für den Wettkampf keine Platzierungen als Maßstab vorgeben. "Sarah soll eine Leistung abliefern, mit der sie selbst zufrieden sein kann", sagt die Trainerin. Die Stärken ihrer Athletin sieht sie vor allem im Ausdruck: "Sie hat eine tolle Ausstrahlung auf dem Eis." Sarah Kronseder fasziniert an ihrem Sport vor allem, dass "man das Schwere so leicht aussehen lassen kann". Derzeit trainiert sie auch mit dem Landeskader in München, wo sie auch ihren Freund kennen gelernt hat - natürlich ein Eiskunstläufer.

Was die sportlichen Ziele für diese Nachwuchsmeisterschaften betrifft, ist Gaby Klinge-Liebhart, die Trainerin von Ronja Kroner, ganz ähnlicher Auffassung wie ihre Kollegin: "Ronja soll ihre Trainingsleistungen auch im Wettkampf abrufen", sagt Klinge-Liebhart, die ebenfalls keine Prognose abgeben möchte: "An Platzierungen denke ich nicht, außerdem ist die Konkurrenz schwierig einzuschätzen." Fast alle Doppelsprünge beherrsche Kroner schon, nur beim doppelten Axel gebe es ab und an noch Probleme. Auch die beiden Läuferinnen selbst gehen ohne Platzierungsdruck an den Wettkampf heran. "Fehlerfrei laufen" wollen sie, das betonen beide.

Bella Figura: Die Stärke von Sarah Kronseder, 18, liegt in den Augen ihrer Trainerin Steffi Ruttkies vor allem im künstlerischen Ausdruck. (Foto: Christian Endt)

Eine fehlerfreie Darbietung streben die Grafinger Läuferinnen auch beim alljährlichen Schaulaufen am Dreikönigstag an. Dort treten neben der Leistungsgruppe auch die Kleinsten des Vereins auf, die für die Veranstaltung Gruppentänze einstudieren. "Die Nachwuchsarbeit zeichnet uns aus", sagt Petra Kronseder. Schon Vier- oder Fünfjährige würden an den Sport herangeführt. Um das Schaulaufen auf die Beine zu stellen, sei viel Eigeninitiative der Abteilung und der Eltern der Läuferinnen von Nöten, wie Petra Kronseder betont. Generell bräuchten die Eltern eine gehörige Portion Opferbereitschaft: "Man muss die Kinder vier- bis fünfmal pro Woche zum Training fahren, und auch die Wettkämpfe sind zum Teil sehr weit entfernt, sogar in der Österreich und der Schweiz." So gesehen sei es umso mehr ein Segen, dass Tochter Sarah mittlerweile den Führerschein hat.

Das größte Problem der Abteilung seien aber die knapp bemessenen Eiszeiten. Die ohnehin spärlich bemessene Trainingszeit im Grafinger Eisstadion, wo auch die Oberliga-Eishockeyspieler des EHC antreten, ist darüber hinaus auf ungemütliche Zeiten verteilt. So ist zum Beispiel am Samstag und Sonntag um 7.30Uhr Eiskunstlauf-Training angesagt. Oder auch am Dienstag von 12.10 bis 15.20, zu einer Zeit also, da weder Berufstätige noch Schüler sich auf dem Eis einfinden könnten. "Die Eiszeiten sind nicht immer ideal, aber wir sind dankbar für die Zeit, die wir bekommen", sagt Petra Kronseder. "Die Priorität des Vereins liegt nun mal auf Eishockey."

Plötzlich taucht der Weihnachtsmann wieder auf. Schlendert in Richtung Eismaschine und startet unüberhörbar das Gefährt. Er ist gewissermaßen der Rausschmeißer: Es ist 18.50 Uhr - die heutige Eiszeit ist für die Eiskunstläuferinnen beendet. Die Eishockeyjugend betritt für ihr Training das Eis.

© SZ vom 07.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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