"Tatort: Hydra" aus Dortmund:Mitte rechts

Tatort Dortmund Hydra WDR

Halbwegs stabilisierter Quälgeist: Kommissar FAber mit Kollegin Bönisch.

(Foto: WDR/Thomas Kost)

Auch wenn das Schlagwort Pegida im Dortmunder "Tatort" nicht vorkommt: "Hydra" hat ein topaktuelles Thema und spielt im Neonazi-Milieu. Und der manische Kommissar Faber bedient alle Sinne.

Von Holger Gertz

Diese Geschichte vom WDR wird sehr absichtsvoll in dokumentarfilmhaften Bildern erzählt, sie lehnt sich ja an die Realität an. Das echte Dortmund - wo man dem Fußballverein mit so etwas wie echter Liebe begegnet - ist auch ein Sammelpunkt von echten Nazis. Auf dem Brachland vor einem verstorbenen Stahlwerk wird in dieser Episode die Leiche eines sogenannten braunen Führers von Dortmund gefunden, die Ermittler wühlen schnell im eigenen Laden herum, es geht um Durchstechereien und Tippgeber; es geht um offenen Rassismus und immer auch um den halb versteckten, schleichenden, scheinbar legitimierbaren. So, wie die Rechten die Welt sehen, so sehen auch manche aus der Mitte der Gesellschaft die Welt, der Tatort nennt nicht das Schlagwort Pegida, aber er bewegt sich in einem sehr aktuellen Spannungsfeld.

Wenn zum Beispiel die Ludwigshafener in dieser Angelegenheit ermittelt hätten, wäre schnell eine bräsige Geschichte daraus geworden, unterlegt mit Fragen aus dem Floskelkabinett. Die Dortmunder bleiben realistischer, sie antworten mit Härte auf die Härte der Welt. Die türkischstämmige Kommissarin Nora Dalay (Aylin Tezel) ist angekotzt von den Glatzen, sie begegnet ihnen mit Abscheu, es ist die Perspektive der Kommissare Odenthal oder Ballauf. In diesem Fall aber wird Dalays Wut ergänzt, durch das Psychospiel ihres Chefs Faber (Jörg Hartmann), der sich gemein macht mit den Nazis; der seine Kollegin notfalls ausgrenzt, um beim rechten Schläger ein Gefühl der Wärme wachzurufen. Alles ein Trick natürlich, alles im Sinne der Wahrheitsfindung. Kollegin Dalay braucht ein wenig, bis sie das begreift, und dass sie es begreift, wird nicht mit Worten erklärt, sondern mit Blicken gezeigt.

"Hydra" ist die fünfte Episode mit dem Dortmunder Team, alle Folgen wurden entwickelt von Jürgen Werner, die Handlungen bauen aufeinander auf. Eine Seltenheit im deutschen Krimi. Der anfangs nervige Kaputtnik Faber, der seinen Schreibtisch kurz und klein geschlagen hat, ist inzwischen zu einem halbwegs stabilisierten Quälgeist herangewachsen, der tiefer sieht als andere. Weil sein Blick noch immer ein Blick in den Abgrund ist. "Warum zerdeppern Sie nicht Ihren Schreibtisch? Das lindert die innere Wut", sagt er - eine Selbstironie, die sich nur herausbilden kann, weil sie in Dortmund so viel Geduld hatten bei der Figurenentwicklung.

Ein paar überfrachtete Dialoge, aber die Figur Faber lohnt das Einschalten. Kein Gut, kein Böse, er will den Fall lösen. Ein unsentimentaler Kommissar, der alle Sinne bedient. Sieht aus, als ob er schlecht röche. Und spricht so, dass es sich anhört wie Eisen, das auf Eisen reibt.

ARD, Sonntag 20.15 Uhr.

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