Grüne Gentechnik:Vernebelungstaktik im Supermarkt

  • Freihandelsabkommen mit Nordamerika könnten einer Studie im Auftrag der Grünen zufolge den europäischen Schutz vor grüner Gentechnik aufweichen.
  • So könnte es für die Behörden deutlich schwieriger werden, Zulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzensorten zu verweigern. Außerdem könnten Investoren gegen Hemmnisse klagen.
  • Die Bundesregierung hat sich bisher nicht zu einer klaren Position in Sachen grüner Gentechnik durchgerungen - auch wenn die eigentlich im Koalitionsvertrag steht.

Von Silvia Liebrich

Die geplanten Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada und den USA könnten der umstrittenen Gentechnik den Weg nach Europa öffnen. Zu diesem Schluss kommt eine noch nicht veröffentlichte Studie von Testbiotech, einem Institut zur Folgenabschätzung in der Biotechnologie. Die Untersuchung, die der SZ vorliegt, wurde im Auftrag der Grünen erstellt.

Der Vertrag des Ceta-Abkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada macht demnach deutlich, wohin die Reise gehen wird: Auf der Grundlage des Textes, der auch als eine Art Vorlage für TTIP angesehen wird, drohe die Gefahr, dass Standards für Umwelt-und Verbraucherschutz im Bereich der Agro-Gentechnik aufgeweicht würden, heißt es in der Untersuchung. Dies steht im Gegensatz zu den Aussagen der Regierungen in Brüssel und Berlin, die genau das immer wieder bestreiten. Laut Studie dürften jedoch nicht nur Schutzstandards abgesenkt werden, auch die in Ceta vorgesehenen Zulassungsverfahren und Regularien könnten den Herstellern von Gentech-Produkten ihr Geschäft deutlich erleichtern. Bisher konnten sich solche Lebensmittel in Europa kaum durchsetzen, auch weil die EU ihnen in vielen Fällen die notwendige Zulassung verweigert. Europa gilt als einer der wenigen weißen Flecken auf der Weltkarte der Gentechnikindustrie.

Investoren könnten gegen Verbote klagen

Mit den Abkommen dürfte es den zuständigen Stellen in der EU deutlich schwerer fallen, solche Zulassungen zu verweigern. Wie das funktionieren könnte, wird in der Untersuchung analysiert. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Welthandelsorganisation (WTO), deren Regeln mit dem Ceta-Vertrag anerkannt werden. Die WTO betrachtet die ablehnende Haltung Europas gegenüber der grünen Gentechnik als unzulässiges Handelshemmnis und liegt deshalb schon länger im Clinch mit der EU. Tritt der Ceta-Vertrag so wie er ist in Kraft, würde das bedeuten, dass die EU ihre kritische Position aufgebe, die sie im Rahmen des WTO-Streits noch offiziell verteidigt habe, heißt es in der Studie.

Die in Ceta und TTIP vorgesehenen Investorenschutzklauseln könnten außerdem zu einer Flut von Klagen vor privaten Schiedsgerichten führen. Die darin enthaltenen Regeln seien so schwammig gehalten, dass nicht nur Gesetze und regulatorische Standards angreifbar seien, sondern auch einzelne Verwaltungsakte. Das würde nach Einschätzung der Autoren der Studie bedeuten, dass selbst die Zulassungen einzelner Gentech-Pflanzen, ja sogar Feldversuche Gegenstand solcher Klagen werden könnten. Besonders kritisch bewertet die Untersuchung, dass mit dem Ceta-Vertrag eine ganze Reihe von gemeinsamen Gremien eingerichtet werden soll, die sich weitgehend der öffentlichen Kontrolle entziehen. Ziel dieser Ausschüsse soll es sein, Zulassungsverfahren zu beschleunigen. "Die Zusammenarbeit im Bereich der Biotechnologie wird in Ceta besonders betont", heißt es in der Studie.

Bundesregierung auf Zickzackkurs

Für den Grünen-Politiker Harald Ebner kommt das einer Kapitulation vor der Gentechnik-Lobby gleich. Ceta und TTIP bedrohten auch die Kontrolle neuartiger Gentech-Produkte. Es bestehe die Gefahr, "dass gänzlich unerforschte Pflanzen ohne Zulassungspflicht auf Europas Märkte und Äcker gelangen".

Die Bundesregierung hält trotz der Ablehnung von Verbrauchern an ihrem Zickzackkurs in Sachen Gentechnik fest. Obwohl sie sich laut Koalitionsvertrag eigentlich für eine Kennzeichnung von Gentechnikfutter auf EU-Ebene stark machen will, geschieht nichts in dieser Richtung. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) zeigte zuletzt Sympathie für einen Vorschlag der amerikanischen TTIP-Verhandler, die bisher eine Gentechnik-Kennzeichnung grundsätzlich auch bei Nahrungsmitteln ablehnten. Die US-Seite hat nun vorgeschlagen, solche Lebensmittel über einen Strichcode auf der Verpackung des Produkts zu kennzeichnen. Das könnten Konsumenten dann mit Hilfe einer App auf ihren Smartphones erkennen. Verbraucherschützer bezeichneten den Vorschlag als Vernebelungstaktik.

TTIP

Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wird aktuell hinter verschlossenen Türen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union, den USA und weiteren Staaten ausgehandelt. Die Verhandlungen über die detaillierten Bedingungen laufen seit Mitte 2013. Mit dem Abkommen sollen Handelshemmnisse abgebaut werden. Dies würde nach Ansicht der Verhandlungspartner das Wachstum der Staaten fördern und Kosten für Unternehmen senken. Kritiker führen an, dass derzeitige Standards in den Bereichen Umwelt, Verbraucher, Gesundheit, Arbeit und Soziales als Handelshemmnisse gelten und damit die Aufhebung solcher Standards drohe.

So kritisieren die USA auch das System des Schutzes regionaler Lebensmittel wie Wein, Brot oder Käse in der EU als ungerecht. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hatte daraufhin gesagt, dass man künftig nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen könne. "Handwerklich produzierte regionale Spezialitäten sind charakteristisch für unsere Kultur. Der Verbraucher weiß, woher sie kommen und dass er sich auf die Qualität verlassen kann," hält Georg Schlagbauer, Präsident des Bayerischen Handwerkstages, dem CSU-Minister entgegen. Man dürfe nicht zulassen, dass deutsche Lebensmittelstandards aufgeweicht werden. Bayerns Bauerpräsident Walter Heidl fordert den Einzug von "Leitplanken" in den Vertrag. Dazu gehöre der Schutz regionaler Erzeugnisse.

Zumindest die EU-Kommission gibt indes Entwarnung: Das Freihandelsabkommen werde regionale Spezialitäten wie Nürnberg Rostbratwurst oder Allgäuer Emmentaler nicht gefährden. Der Schutz geografischer Kennzeichnungen sei eine der Hauptprioritäten. "Wir werden einer Reduzierung des Schutzes nicht zustimmen", sagte ein Sprecher der Kommission. rsy

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