Rüstungs-Deals mit Griechenland:Prozente von Rheinmetall

Bundeswehr-Übung Landoperationen

Waffen aus Deutschland - nicht immer war nur die hervorragende Qualität ein Verkaufsargument, das zog.

(Foto: Peter Steffen/dpa)
  • Die Schmiergeld-Millionen des Rüstungskonzerns Rheinmetall wurden in Griechenland über Jahre hinweg nach einem penibel ausgearbeiteten Schlüssel an Funktionsträger verteilt. Das zeigen Recherchen von SZ, NDR und WDR.
  • Neben dem Raketen-System Asrad ging es dabei auch um Leopard-2-Panzer und, bei einer weiteren Firma, um U-Boote.
  • Der griechische Mittelsmann der Geschäfte ist geständig, in Deutschland ist der Fall für Rheinmetall erledigt, weil der Konzern hier gut 40 Millionen Euro zahlt und selbst bei der Aufklärung geholfen hat.

Von Klaus Ott und Tasos Telloglu, Athen/München

Die beiden Manager glaubten, sie würden nicht beobachtet. Doch das war ein Irrtum. Am 24. Juni vergangenen Jahres traf sich ein langjähriger Manager von Rheinmetall, der sich bei dem deutschen Rüstungskonzern um Geschäfte mit Griechenland gekümmert hatte, im Hotel Atlantic in Hamburg mit einem früheren Offizier aus Athen. Die beiden wollten offenbar verabreden, wie man am besten die Staatsanwälte aus beiden Ländern hinhalten oder gar täuschen könne, die wegen Schmiergeldverdacht bei großen Waffendeals ermittelten. Der Mann aus Athen war Panzerspezialist im Verteidigungsministerium gewesen und hatte sich um den Kauf des Leopard 1 wie auch des Leopard 2 gekümmert. Fahnder observierten die beiden Verdächtigen, nachdem zuvor schon Telefonate abgehört worden waren.

Kriminalbeamte, die auf der Lauer liegen und am Telefon lauschen - das hat es selbst in der Siemens-Affäre nicht gegeben, dem größten Schmiergeldfall der deutschen Wirtschaft. Die Rüstungsbranche ist besonders verschwiegen, schmutzige Geschäfte sind dort schwer zu entlarven. Die Ermittler der Bremer Staatsanwaltschaft haben, mit dem Einsatz aller zulässigen Mittel, trotzdem Erfolg gehabt. Den deutschen Staatsanwälten und ihren Kollegen und Griechenland ist es in jahrelanger, mühevoller Kleinarbeit gelungen, ein weit verzweigtes Korruptionssystem zu knacken.

"Was springt dabei für uns heraus?"

Bei Panzern, Raketen und U-Booten "Made in Germany" wurden Ministeriale und Militärs in Athen kräftig geschmiert. Und bei diesem System war, wie Recherchen von SZ, NDR und WDR zeigen, alles bis ins Detail organisiert - bei der Verteilung des Geldes bis auf die zweite Stelle hinterm Komma. Neuerdings ist aus Sicht der Ermittler sogar erwiesen, dass auch beim Leopard 2 bestochen wurde, einem der größten Rüstungsdeals zwischen Deutschland und Griechenland.

Die zentrale Figur dieses Systems war Papagiotis Efstathiou, ein ehemaliger Marine-Offizier aus Hellas, der über viele Jahre hinweg deutschen Rüstungsfirmen als Mittelsmann in Athen diente. Efstathiou bekam , wenn er im Verteidigungsministerium die Produkte seiner Auftraggeber offerierte, oft zu hören: "Was springt dabei für uns heraus?" Für uns: Das waren die Beamten und Militärs, die in Beschaffungsausschüssen und an anderen Stellen festlegten, welche Waffen Griechenland unbedingt bestellen müsse. Die Unterschriften kosteten einiges, hieß es zu Efstathiou.

Wer wichtig war, bekam mehr

Der Mittelmann gab alles zu. Geld hatte er ja genug, von seinen deutschen Auftraggebern wie der Rheinmetall Defence Eletronics (RDE) aus Bremen, einer auf Heerestechnik spezialisierten Tochter der Rheinmetall AG. Oder der ebenfalls in der Hansestadt ansässigen Firma Atlas, die sich um die Technik für U-Boote kümmert. Atlas hatte früher Rheinmetall und dem britischen Rüstungskonzern BAE gehört, heute befindet sich die Firma im Eigentum von Thyssen-Krupp und Airbus.

42 Millionen Euro kassierte Efstathiou von 2001 bis 2011 von seinen deutschen Partnern. 42 172 062,35 Euro, um genau zu sein. So steht es in den Akten. Dort ist auch nachzulesen, wie das System funktionierte. Die Provisionen, die Efstathiou ratenweise aus Deutschland erhielt, reichte er nach einem exakt ausgearbeiteten Schema teilweise an Ministeriale und Militärs in Athen weiter. Von jeder Rate erhielten die Amts- und Entscheidungsträger in Hellas, je nach Rang und Bedeutung, ihren festen Lohn für die Unterschriften - auch beim Leopard 2, für den Rheinmetall das Feuerleitsystem lieferte. Rheinmetall zahlte im vergangenen Jahrzehnt nach und nach mehrere Millionen Euro für den Leo 2 an Efstathiou. Der wiederum reichte den Erkenntnissen der Ermittler zufolge jeweils 18,19 Prozent weiter an einen Offizier, der sich im Verteidigungsministerium um Panzerprojekte kümmerte.

Das war jener Mann, der im Juni vergangenen Jahres im Hotel Atlantic in Hamburg observiert wurde. 686 000 Euro erhielt der Panzerexperte den Akten zufolge für den Kauf des Leopard 2. Und er war nicht der einzige Amtsträger in Athen, der für dieses Geschäft kassierte. Auf diese Weise sei es Rheinmetall gelungen, an einem Milliardendeal für den Leo 2 als Unterauftragnehmer beteiligt zu werden, mit einem Volumen von 127 Millionen Euro, wie die Bremer Staatsanwaltschaft notierte. Beim Verkauf dieses Panzertyps nach Griechenland habe es also, stellten die Strafverfolger fest, "korruptive Abreden" und "korruptive Handlungen" gegeben.

Insgesamt 165 Zahlungen an 14 Amtsträger

Die Ermittler rekonstruierten beim Leopard 2, beim Luftabwehrsystem Asrad von Rheinmetall und bei einem U-Boot-Auftrag für Atlas 165 Zahlungen an 14 Amtsträger in Griechenland. Sie wurden meist über die Schweizer Konten einer Firma namens Ironhelm abgewickelt, die Efstathiou gehört.

Beim Luftabwehrsystem Asrad zum Beispiel soll ein Manager von Hellenic Arms den höchsten Provisionsanteil kassiert haben, jeweils 7,46 Prozent. Der staatliche Rüstungsbetrieb Hellenic Arms installierte die Rheinmetall-Raketen auf die Trägerfahrzeuge in Griechenland. Im Verteidigungsministerium erhielt Rüstungsdirektor Antonios Kantas - er ist ebenso geständig wie Efstathiou - von dessen Provisionen 5,51 Prozent. Wer weniger wichtig war, etwa als einfaches Mitglied von Beschaffungskommissionen, bekam weniger: 3,73 Prozent, 2,98 oder nur 0,5 Prozent.

Viel Geld ist noch verschwunden

Politiker-Namen tauchen bei den Zahlungen nicht auf. Von den von Efstathiou gezahlten Provisionen sind 13 Millionen Euro bei einer Gesellschaft in Panama gelandet. Auch der Verbleib anderer Gelder ist noch ungeklärt. Abgeschlossen ist der Fall hingegen für Rheinmetall. Der Konzern zahlt gut 40 Millionen Euro für die Korruption bei Asrad. Auf diese Weise schöpft die Bremer Staatsanwaltschaft vor allem illegal erzielte Gewinne ab.

Auf Sanktionen beim Geschäft mit dem Leopard 2 verzichten die Ermittler hingegen - weil der Asrad-Fall deutlich größer war und weil Rheinmetall die Hintergründe selbst mit aufgeklärt hat.

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