Alternative für Deutschland in Hamburg:Wahlkampf mit Islamkritik

Pegida Demonstrations Continue

Die letzte Pegida-Demonstration in Dresden am vergangenen Montag - zwei Tage später ereignete sich in Paris der Anschlag auf Charlie Hebdo.

(Foto: Getty Images)
  • Jörn Kruse, der AfD-Spitzenkandidat in Hamburg, setzt im Wahlkampf nach den Anschlägen in Frankreich auf Islamkritik.
  • Die Parteispitze der Alternative für Deutschland ist sich nicht einig darin, wie groß eine Gefahr durch den Islam sein soll. Während Kruse vor dem "Vordringen islamischer Eigenarten" warnt, sieht Parteichef Lucke keine Bedrohung durch eine Islamisierung.
  • Wie die Partei mit den islamfeindlichen Pegida-Anhängern umgehen sollte, wird weiter diskutiert. Für Montagabend hat die sächsische AfD zu einem gemeinsamen Trauermarsch in Dresden aufgerufen. Auch in anderen deutschen Städten wird demonstriert - zur Unterstützung von Pegida und als Gegenreaktion.

Die Alternative für Deutschland (AfD) in Hamburg nutzt die furchtbaren Terroranschläge in Frankreich für ihren Wahlkampf. Das hat eine Wahlkampfrede von Jörn Kruse deutlich gezeigt. Er könne heute nicht sprechen über Themen wie die Elbvertiefung oder Schulleistungszentren, sagte der Spitzenkandidat für Hamburger Bürgerschaft am 15. Februar 2015. Stattdessen widmete er sich der Islamkritik - und erfüllte damit die Erwartungen sowohl der AfD-Kritiker als auch der Parteimitglieder.

SPD-Politiker wie Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, sein Parteifreund Justizminister Heiko Maas aber auch der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, werfen der AfD vor, den Terror in Paris innenpolitisch instrumentalisieren zu wollen. Die Kritik wurde laut, nachdem die Partei zur Teilnahme an der als Trauermarsch deklarierten Pegida-Veranstaltung in Dresden aufgerufen hat. In Sachsens Hauptstadt demonstrieren seit Oktober montags regelmäßig die islamfeindlichen Anhänger von Pegida.

Nur ein Versprecher?

In Hamburg sagte AfD-Spitzenkandidat Kruse nun, er habe die große Befürchtung immer gehabt, dass etwas Furchtbares wie in Frankreich passieren werde. Leider sei es viel früher passiert, als er erwartet habe. Für Unruhe sorgte er, weil er diesen Satz zuerst mit "als ich gehofft hatte" beendete. Nachdem das Publikum irritiert und verständnislos reagierte, wurde ihm der Fehler offenbar bewusst und er korrigierte sich. Auf Twitter und Facebook wurde ihm von einigen Kritikern unterstellt, er hätte tatsächlich auf Anschläge gehofft, um sie für seinen Wahlkampf zu nutzen. Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber wertete die Äußerung als entlarvend. "Das offenbart, wes Geistes Kind der eine oder andere da ist", sagte Tauber dem Nachrichtensender n-tv.

In seiner Rede forderte Kruse stärkere Reaktionen auf die Anschläge auch von der Bundesregierung. Die Solidarisierung der "abendländischen Gesellschaften" reiche nicht aus. Bereits zuvor hatte Kruse vor einem "Vordringen islamischer Eigenarten" gewarnt. Nun nutzte er die Gelegenheit, um erneut ein Verbot von Kopftüchern und Schleiern für Lehrerinnen zu fordern. "Was in einigen Männerhirnen schief gelaufen ist, dass sie ihre Frauen zwingen, als schwarzes Monster durch die Gegend zu laufen."

Die Veranstaltung wurde von lauten Protesten begleitet. Aktivisten hatten unterbrachen die Reden mit Rufen wie "Flüchtlinge willkommen" und "Faschistenverein".

Von einer Islamisierung bedroht - oder nicht?

Kruses Äußerungen spiegeln einmal mehr die unklare, offenbar gespaltene Haltung der Partei beim Thema Islam und beim Umgang mit der islamfeindlichen Organisation Pegida wider. So hatte auch der stellvertretende Parteichef Hans-Olaf Henkel vor der Veranstaltung in Hamburg der dpa gesagt: "Es kann kein Zufall sein, dass in den meisten islamischen Ländern die Menschenrechte mit Füßen getreten werden." Die Diskussion darüber sei in Deutschland jedoch mit einem Tabu belegt, sagte der Hamburger Europaabgeordnete. Es sei deshalb kein Wunder, dass viele diffuse Ängste vor dem Islam hätten, ohne diese wirklich begründen zu können, sagte er mit Blick auf Pegida.

Auch AfD-Bundesvize Alexander Gauland hatte nach den Anschlägen in Paris einen direkten Zusammenhang mit der Angst der Pegida-Anhänger vor einer angeblich drohenden Islamisierung hergestellt. Die Forderungen der Organisation erhielten vor diesem Hintergrund besondere Aktualität und Gewicht.

Widerspruch kam allerdings von Parteichef Bernd Lucke. Er sehe Deutschland nicht durch eine "Islamisierung" bedroht und er sehe den Begriff kritisch, sagte Lucke am Samstag beim Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) in Bottrop. Auch hatte Lucke nach den Anschlägen erklärt, man dürfe die Taten der Extremisten nicht einer ganzen Religionsgemeinschaft anlasten. Sein Fraktionsvorsitzender im Europäischen Parlament etwa sei ein gläubiger Muslim, der bewusst die Mohammed-Karikaturen des Dänen Kurt Westergaard im Büro aufgehängt habe, der von religiösen Fanatikern angegriffen worden war.

Wie groß ist das Verständnis für Pegida?

Allerdings zeigte Lucke weiterhin Verständnis für die Pegida-Demonstrationen, an denen schon bisher immer wieder auch viele AfD-Mitglieder teilgenommen haben. Sie seien "Ausdruck eines Unwohlseins mit der Situation". Die Zuwanderung müsse stärker kontrolliert werden. "Wir haben zum Teil erhebliche Einwanderung aus muslimischen Ländern und mit dieser Einwanderung verknüpfen sich viele Probleme", sagte Lucke. Imame in deutschen Moscheen sollten sich nach den Vorstellungen von AfD-Chef Bernd Lucke der Verfassung verpflichten.

Er grenze sich von Rassismus, Ausländer-, Fremden- und Islamfeindlichkeit ab, so Lucke auf die Frage der Rhein-Zeitung, ob er sich von Pegida abgrenze. Auch der Aufruf zu dem Trauermarsch in Dresden sei kein Bekenntnis zu der Organisation, sondern der Versuch, Muslime und Pegida-Vertreter gemeinsam trauern zu lassen, sagte er der Welt. Alexander Gauland hatte Pegida dagegen als "natürlichen Verbündeten" der Partei gesehen. Auch die sächsische Fraktion der AfD in Dresden hatte nach einem Gespräch mit Pegida-Vertretern erklärt, es gebe inhaltliche Schnittmengen. Anhaltspunkte für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wollte Fraktionschefin Frauke Petry bei Pegida dagegen nicht gesehen haben. Wie der Spiegel berichtet, haben sich Organisatoren der Bewegung allerdings in geschlossenen Facebook-Gruppen eindeutig ausländerfeindlich und rassistisch geäußert, um Anhänger zu mobilisieren.

Kompliziert sind die Verhältnisse zwischen AfD, Pegida und Organisationen, die auf den Pegida-Zug aufgesprungen sind. So hatte sich in Düsseldorf anfänglich der AfD-Politiker Alexander Heumann für die Protestbewegung Dügida engagiert, bis bekannt wurde, dass unter seinen Mitstreitern Neonazis und Mitglieder von ProNRW waren.

Pegida hat sich nun offiziell eindeutig von allen Veranstaltungen distanziert, die unter den Namen Kögida in Köln, Bogida in Bonn oder Dügida in Düsseldorf angemeldet werden. Kein Problem haben die Pegida-Leute in Dresden dagegen offenbar mit Bärgida, ihrem Ableger in Berlin und mit Legida in Leipzig. Letztere hat der rechte AfD-Politiker Felix Koschkar mit Unterstützung des Islamwissenschaftlers und AfD-Politikers Hans-Thomas Tillschneider gegründet. Beide haben sich allerdings inzwischen zurückgezogen.

Für die Hamburger AfD ist ihre Reaktion auf die Terroranschläge in Frankreich und Pegida möglicherweise entscheidend für den Einzug in die Bürgerschaft der Stadt. Bislang liegt die Partei Umfragen zufolge bei etwa vier Prozent. Ob sie mit Hilfe der Islamkritik auf die notwendige Anzahl von Stimmen kommen wird, oder ob Hamburg so weltoffen ist, wie die meisten Hanseaten selbst sagen, wird sich zeigen.

Sollte die Partei dort ihr Ziel erreichen, so würden erstmals AfD-Abgeordnete in ein westdeutsches Landesparlament einziehen. "Dann", so sagte ihr Europaabgeordneter Hans-Olaf Henkel am Samstag, "schaffen wir es auch in den anderen Bundesländern."

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