Kooperation von Arte und ARD:Kernspaltung als TV-Experiment

Tag der Wahrheit

David Kollwein (Florian Lukas) will das Kernkraftwerk mit Waffengewalt außer Betrieb nehmen.

(Foto: SWR)

Arte und die ARD haben sich etwas ausgedacht: Sie zeigen einen deutschen Thriller und eine französische Komödie zum selben Thema - der Kernenergie. Der Clou: Teilweise machen sogar dieselben Schauspieler mit - in ganz verschiedenen Rollen.

Von Claudia Tieschky

Franzosen und Deutsche eint vieles. Was sie spaltet, ist das Atom, beziehungsweise die Frage, ob nukleare Technik beherrschbar und für den Menschen sicher ist. In Deutschland ist eine ganze Generation durch die Anti-AKW-Bewegung politisiert worden. Dann kamen Tschernobyl, Fukushima und der Atomausstieg. In Frankreich dagegen kursiert immer noch der Witz, dass die Tschernobyl-Wolke vor der Grenze haltmachte - so ungefähr lautete 1986 die offizielle Informationspolitik, die zur Realsatire taugte.

In dem Land gibt es zwar eine Anti-AKW-Bewegung, insgesamt aber lehnt nur ein Teil der Franzosen die Atomkraft ab. Die "Energiewende" sieht so aus, dass man den Anteil der Kernenergieproduktion von derzeit 75 auf 50 Prozent reduzieren möchte.

Insofern ist man bei Arte kein großes Risiko eingegangen, als man sich zu einem Experiment mit diesem Thema entschloss. Die größte Gefahr bei dieser Konstellation - zwei Filme zu ein und demselben Thema - ist die drohende Langeweile. Stattdessen haben, und schon das sagt viel, die Franzosen eine Komödie und die Deutschen einen Thriller gedreht. Und vermutlich soll es auch etwas zur Gleichheit und Verschiedenheit bedeuten, wenn teilweise dieselben Schauspieler in beiden Filmen zu sehen sind, in vollkommen unterschiedlich temperierten Rollen.

Die Atomlobby ist skrupellos wie elegant

Auf jeden Fall ist es ein interessanter Reiz. Die 31-jährige Luxemburgerin Vicky Krieps vor allem macht dieses Wechselspiel zum Reigen. In dem französischen Film Das gespaltene Dorf kommt sie als Großstadtpflanze und Wissenschaftlerin im Auftrag des Atomkonzerns daher, um den Dörflern die angeblich sichere Technik der Endlagerung zu erläutern. In Tag der Wahrheit ist sie dagegen als leidenschaftliche Staatsanwältin zu sehen, die weit über ihre Grenzen und Zuständigkeiten geht.

Darum geht es: Ein früherer Techniker hat sich in einem französischen AKW nahe der deutschen Grenze verbarrikadiert und droht, eine Kernschmelze herbeizuführen. Es ist die klassische Geschichte vom Böswicht wider Willen, und der ARD-Film hat dabei Tempo und Tiefe, wie man sie nicht oft findet im deutschen Fernsehen: Dieser David Kollwein (Florian Lukas) will die Wahrheit über vertuschte Störfälle ans Licht bringen, zu verlieren hat er, todkrank, nichts mehr.

Die Wahrheit würde dazu führen, dass das Kraftwerk sofort stillgelegt würde. Ein Mann kennt sie, aber der ist schon tot. Hinterlassen hat er eine Videobotschaft, ein Geständnis. Doch die Speicherkarte seiner Kamera ist verschwunden. Und die mächtige Atomlobby ist ebenso skrupellos wie elegant. Das Ende des Thrillers ist ein filmisches Wagnis, wie es Produktionen nur selten eingehen.

Netz gibt es nur auf dem Friedhof

Dagegen steht das höchst heitere Spiel der französischen Komödie. Ausgerechnet eine Anti-AKW-bewegte Deutsche, agitations-erprobt blond und stur, ist Bürgermeisterin in dem Kaff, in dem ein Atomkonzern den geologisch idealen Endlager-Standort vermutet. Katja Riemann darf hier eine Wucht sein und ist es auch. Hundertprozentig bio soll ihr Dorf werden.

Der Ingenieur vom Energiekonzern (Laurent Stocker) muss die Leute auf seine Seite bringen und Arbeitsplätze versprechen, aber er fremdelt sehr. Irgendwann hat der Ingenieur ein Schaf im Arm und ist glücklich. Bürgermeisterin Anna hat nebenbei auch etwas gegen Mobilfunk-Masten, Netz gibt es nur oben auf dem Friedhof.

Was macht eine gute Komödie daraus? Einen Friedhof voller auf- und ablaufender Menschen mit Handy am Ohr. Da lächeln alle Atome.

Tag der Wahrheit, ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr; Das gespaltene Dorf, 21. Januar, 20.15 Uhr.

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