"Unbroken" im Kino:Held der Standfestigkeit

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Angelina Jolies "Unbroken" spielt die masochistischen Momente aus - Szene mit Jack O'Connell (vorn) im japanischen Kriegsgefangenenlager. (Foto: Universal)

Überleben im Kriegsgefangenenlager: Angelina Jolie entwickelt in ihrem zweiten Spielfilm "Unbroken" einen neuen Helden fürs Hollywoodkino - den leidenden Amerikaner.

Von Fritz Göttler

Schatten liegen über dem Film, Momente aus anderen Kriegsgefangenenlagerfilmen, die in der Imagination mit denen des Films überblenden - von "The Great Escape/Gesprengte Ketten" von John Sturges über David Leans "Die Brücke am Kwai" bis "The Hill/Ein Haufen toller Hunde" von Sidney Lumet.

Diesen "Hill" schätzte Angelina Jolie ganz besonders, als sie sich an die Vorbereitungen zu "Unbroken" machte. Der ist, erklärt ihr Kameramann, der große Roger Deakins, ganz klassizistisch, in gewisser Weise formalistisch: "Angelina wollte unbedingt einen klassischen Film machen."

Angelina Jolie liebt die Krieger, sie hat auch selber gern Kriegerinnen gespielt, Frauen der Action. Die Männer sind schon in ihrer ersten Regiearbeit, "In the Land of Blood and Honey", 2012, unfähig zur Richtungsänderung, einem festen Kodex folgend, der brutal und mörderisch ist.

Das Leitmotiv für Louie, den Helden in "Unbroken", ist das Laufen. Erst ist er in seiner Jugend - in den frühen Dreißigern - den anderen Jungs und dem Polizisten der Nachbarschaft davongelaufen, dann hat sein Bruder ihn zum Sport gebracht, und da hat es Louie durch eisernes Training bis in die amerikanischen Mannschaft geschafft, bei den Olympischen Spielen in Berlin, 1936.

Man prophezeit ihm einen großen Auftritt bei den nächsten Spielen, in vier Jahren in Tokio. Wenn er dann aber nach Tokio kommt, ist Krieg - und Louie in Gefangenschaft.

Gebremste Lehrjahre

Louie kommt aus einer italienischen Familie, er erlebt noch frühe Integrationsprobleme, das ist ein bisschen die Vorgeschichte zu den rebels without a cause, die dann Scorsese in den Sechzigern zu erzählen anfängt.

Seine Lehrjahre macht Louie im Krieg durch, da wird er gebremst in seiner Beweglichkeit. Als Bordschütze kriecht er durch die engen Gänge eines Bombers, nach einem Abschuss treibt er tagelang in kleinen Schlauchbooten mit zwei Kameraden im Pazifik. Dann kommt er ins Gefangenenlager der Japaner, wird befragt und gequält und hält durch.

Als der Film vorigen Herbst in die amerikanischen Kinos kam, hatte er einen beachtlichen Kassenerfolg. Gleichzeitig spielte Brad Pitt, Jolies Ehemann, in dem Film "Fury", als Anführer einer Panzereinheit in den letzten Wochen des Straßenkampfs in Deutschland.

Zweimal schmutzigster Krieg, ohne Heldenglamour, aber die Filme waren willkommen als Gegenstück zu einem anderen, noch schmutzigeren Krieg, der sich um den Film "The Interview" entwickelte, Seth Rogen und James Franco gegen den nordkoreanischen Diktator Kim - mit Cyberangriffen, politischem Säbelrasseln, schmutzigen Passagen aus geleakten Mails. Auch Jolie war betroffen.

Es ist im vergangenen Jahr verstärkt wieder diskutiert worden, warum Frauen im Filmgeschäft immer noch unterrepräsentiert sind, warum keine Frau einen Actionfilm, einen Blockbuster anvertraut bekommt. Wenn Frauen heute in Hollywood Männer filmen, ihre Körper und ihre Obsessionen, hat das eine unbekümmerte Naivität - so wie es auch bei einer berühmten deutschen Filmemacherin war, die 1936 die Berliner Olympischen Spiele filmisch verewigte.

Der junge Jack O'Connell ist ein erstaunlich lebendiger Louie, selbst in brutalsten Situationen - woher das kommt, kann man im Film "Starred Up/Mauern der Gewalt" von David Mackenzie sehen, wo er einen Jugendlichen spielt, der ins Männergefängnis kommt und von der ersten Sekunde an zeigt, dass er sich nicht anpassen wird.

Die Geschichte von Louie Zamperini sollte schon in den Fünfzigern verfilmt werden, mit Tony Curtis. Es ist eine Passions-, keine Actiongeschichte, ohne expansives Potenzial. Angelina Jolie hat eben dies zu ihrem Thema gemacht. Damit das Ich, das Individuum, nicht gebrochen wird, muss es sich zurückziehen, der Mensch muss ganz Körper werden.

"Unbroken" spielt die masochistischen Momente aus, die selbst dem unbefangensten Helden innewohnen - und die bislang eher Nichtamerikaner faszinierten, allenfalls Lumet mit seinem in England gedrehten "Hill", mit Sean Connery, oder David Leans "Lawrence von Arabien" mit dem begnadet leidenden Peter O'Toole, oder Nagisa Oshimas "Merry Christmas, Mr. Lawrence", mit dem nicht minder strapazierten David Bowie.

Es geht darum, Dinge sich ereignen zu lassen

Wie diese großen Leidenshelden provoziert auch Louie durch seine Standfestigkeit. Mit seinem Peiniger, dem Kommandanten Watanabe - gespielt vom Rockstar Miyavi, alias Takamasa Ishihara - verbindet ihn ein bizarres erotisches Verhältnis. "If I can take it, I can make it" - ist das der Satz für das neue, führungsgeschwächte Amerika? Am Ende kommen die Gefangenen ins Lager Omori, da müssen sie Kohle schippen und Schiffe be- und entladen. Sie sind nun schmutzig schwarz, Tag und Nacht, Lemuren ohne Bewusstsein.

"Lumets Stil ist täuschend einfach, nicht wahr", erklärt Roger Deakins. "Es geht um Komposition, darum, die Dinge sich ereignen lassen innerhalb eines Rahmens, eines frame, und das wurde ein Ansatzpunkt für uns, wirklich."

Unbroken, USA 2014 - Regie: Angelina Jolie. Buch: Joel und Ethan Coen, Richard LaGravanese, William Nicholson. Nach dem Buch von Laura Hillenbrand. Kamera: Roger Deakins. Mit: Jack O'Connell, Domnhall Gleason, Takamasa Ishihara, Garrett Hedlund . Verleih: Universal, 137 Minuten.

© SZ vom 14.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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