Bundestag zum Terror in Paris:Merkel nimmt Muslime in Schutz

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Bundeskanzlerin Merkel bei ihrer Regierungserklärung zum Terror in Paris

(Foto: AFP)
  • Der Bundestag hat bei der ersten Sitzung des Jahres der Opfer der Terroranschläge in Paris gedacht.
  • In einer Regierungserklärung nimmt Bundeskanzlerin Angela Merkel Muslime gegen jeglichen Generalverdacht in Schutz. Der überwiegende Teil der Muslime in Deutschland seien rechtschaffene und verfassungstreue Bürger.
  • Gleichzeitig forderte die Kanzlerin die Muslime auf, sich damit auseinanderzusetzen, dass eine Reihe von Gewalttaten im Namen des Islam begangen wird.
  • Grünen-Chef Anton Hofreiter spricht sich gegen die von der Union geplante rasche Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung aus.
  • Linksfraktionschef Gregor Gysi setzt die Militärinterventionen im Irak und in Afghanistan mit dem Erstarken von Terrororganisationen wie al-Qaida und "Islamischer Staat" in Beziehung.

Kanzlerin Merkel nimmt Muslime gegen Generalverdacht in Schutz

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in ihrer Regierungserklärung die etwa vier Millionen Muslime in Deutschland nach den Pariser Terroranschlägen gegen Schuldzuweisungen in Schutz genommen. "Jede Ausgrenzung von Muslimen in Deutschland, jeder Generalverdacht verbietet sich."

"Die allermeisten Muslime in Deutschland sind rechtschaffene und verfassungstreue Bürger. Wir garantieren, dass der Glaube des Islam im Rahmen unserer Verfassung und der übrigen Gesetze frei ausgeübt werden kann." Merkel zitierte ein weiteres Mal den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff mit den Worten, ebenso wie das jüdische Leben gehöre auch der Islam zu Deutschland. "Diskriminierung und Ausgrenzung dürfen bei uns keinen Platz haben." Gleichzeitig betonte Merkel, die Muslime müssten sich dringend mit Gewalttätern auseinandersetzen, die ihre Taten im Namen des Islam verüben.

Die Kanzlerin bekräftigte, dass die Bundesregierung jede Form islamistischer Gewalt bekämpfen werde. Hierfür erläuterte sie insgesamt neun Maßnahmenpakete. Darunter: die erschwerte Ausreise für Islamisten, die Fluggastdatenspeicherung, der Austausch zwischen Geheimdiensten, aber auch Projekte für Toleranz und Demokratieverständnis.

Zum Thema Vorratsdatenspeicherung sagte die Kanzlerin: "Angesichts der parteiübergreifenden Überzeugung aller Innenminister von Bund und Ländern, dass wir solche Mindestspeicherfristen brauchen, sollten wir darauf drängen, dass die von der EU-Kommission hierzu angekündigte überarbeitete EU-Richtlinie zügig vorgelegt wird, um sie anschließend auch in deutsches Recht umzusetzen."

"Demokratie als Lebensprinzip", so beendete Merkel ihre Ansprache, sei das Einzige, was langfristig gegen islamistische Attentate helfe. "Das ist unser Gegenentwurf zur Welt des Terrorismus. Und er ist stärker als der Terrorismus."

Stellungnahmen der Oppositionsparteien

Einig waren sich am Vormittag alle im Bundestag vertretenen Parteien bei der entschiedenen Verurteilung des islamistischen Terrors - und auch in der deutlichen Distanzierung von der Pegida-Bewegung. Bei anderen Aspekten der Diskussion um innere Sicherheit und den Kampf gegen Terror widersprachen Grüne und Linke der Regierungsposition jedoch deutlich.

Die Grünen lehnen eine von der Union geplante rasche Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ab. Statt einer anlasslosen Massenspeicherung von Telefon- und Internetdaten müssten bestehende Gesetze angewandt und die Bundespolizei besser ausgestattet werden. "Mehr Datenspeicherung und vermeintliche Gesetzesverschärfungen sind falsche Reflexe", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter am Donnerstag im Bundestag. "Wenn unsere Freiheit angegriffen wird, dürfen wir unsere Freiheit doch nicht selbst aufgeben." Hofreiter mahnte Augenmaß an: "Was wir brauchen, ist eine gut ausgestattete Polizei."

Linksfraktionschef Gregor Gysi gibt dem Westen eine Mitschuld an der Entstehung des islamistischen Terrorismus. Al-Qaida und "Islamischer Staat" gingen auch auf die Militärinterventionen im Irak und in Afghanistan zurück. "Im Krieg wird Leben vernichtet. Dadurch entsteht eine Verachtung des Rechts auf Leben." Diese Verachtung sei eine Bedingung des Terrorismus. "Sie alle wissen, dass Ihre Entscheidung für den Afghanistan-Krieg falsch war, haben aber nicht den Mut, das einzuräumen", warf er dem größten Teil der Bundestagsabgeordneten vor. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr war stets mit großer Mehrheit vom Parlament beschlossen worden. Die Linke stimmte als einzige Fraktion immer geschlossen dagegen.

Bundestag gedenkt der Opfer der Pariser Terrorattacken

In Berlin stand die gesamte erste Bundestagssitzung des Jahres ganz im Zeichen der Anschläge in Frankreich, bei denen insgesamt 17 Opfer zu beklagen waren. Bundestagspräsident Norbert Lammert betonte angesichts des islamistischen Terrors die Trauer, aber auch die Entschlossenheit der Gesellschaft. Zum Auftakt der Sitzung sagte der CDU-Politiker: "Diese Entschlossenheit braucht es über den Tag hinaus, denn die Bedrohung ist nicht eingebildet, auch bei uns." Lammert drückte den Franzosen das Beileid des Bundestages aus.

Über die Motive der Dschihadisten sagte Lammert: "Mit Kulturkampf hat Terrorismus sicher nichts zu tun, mit Religion schon gar nicht." Die islamfeindliche Pegida-Bewegung in Deutschland betreibe indes "Demagogie statt Aufklärung", so der Parlamentspräsident. Der mörderische Überfall auf das Satiremagazin Charlie Hebdo habe der Freiheit der Meinung und der Presse gegolten. "Er war ein demonstrativer Angriff auf die freie und offene Gesellschaft, auf unsere Werte. Wir alle sind gemeint." Nach der Rede erhoben sich die Abgeordneten für eine Schweigeminute.

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