"Er sagt, sie sagt":Weichei zum Frühstück

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Am Frühstückstisch treten die Unterschiede zutage: Er klopft, sie köpft.

(Foto: iStock)

Wenn es ums Frühstücksei geht, hat jeder seine eigene Technik. Er klopft - und findet ihre Methode brutal. Sie köpft - und hält ihn für ein Weichei. Ein Beziehungsdrama.

Von Violetta Simon

Sie sitzen am Frühstückstisch. Sie nimmt ein Messer und köpft mit einem gezielten Schlag ihr Ei. Er legt seinen Löffel weg und schaut ungläubig zu.

Sie: Was guckst du denn so?

Er: Ich fühle mich immer wieder aufs Neue irritiert von diesem Anblick. Von dem, was du mit deinem Frühstücksei anstellst.

Sie: Du meinst, weil ich es mit dem Messer öffne? Aber das mache ich schon immer so, es geht auch viel schneller.

Er: Aber du machst es so resolut. Schon vom Zuschauen wird mir ganz anders.

Sie: Du willst mir aber jetzt nicht sagen, dass du eine Art Kastrationsangst verspürst, weil ich mein Frühstücksei köpfe, oder?

Er: Das nicht gerade. Trotzdem. Es bereitet mir Unbehagen, wenn du so wild entschlossen auf dein Ei losgehst.

Sie: Das muss so sein. Der perfekte Seitenhieb ist ja gerade die Herausforderung an der Sache. Zack! Und ab ist der Kopf.

Er: Du klingst wie ein Henker, der von seinem Beruf schwärmt.

Sie: Sag mal, wo liegt dein Problem?

Er: Es wirkt so ... rabiat. Und passt überhaupt nicht zu einem gemütlichen Frühstück.

Sie: Ich bitte dich, ist es vielleicht gemütlich, von allen Seiten auf sein Ei einzuhauen und anschließend die Kalkkrümel herunterzupopeln?

Er: Ich haue nicht und ich popele auch nicht. Ich entblättere.

Sie: Oh! Du meinst, du entkleidest das Ei, wie eine Frau?

Gedenkminute für ein Ei

Er: Ich finde, ein Ei hat es verdient, dass man es mit Bedacht schält. Ich lasse mir eben Zeit und genieße die Vorfreude.

Sie: Hm, vielleicht sollten wir eine Gedenkminute für das Ei einlegen, was meinst du?

Er: Deinen Spott kannst du dir sparen. Ich bleibe dabei: Es ist brutal. Und unkultiviert obendrein. Schon allein wie da das Eigelb herunterläuft. Das ist doch nicht schön.

Sie: Das, mein Lieber, passiert nur, weil das Ei zu weich ist.

Er: Das Ei ist nicht zu weich. Es ist nur deiner rabiaten Technik nicht gewachsen.

Sie: Wenn ich das Ei koche, läuft da aber nix. Du darfst es eben nicht zu früh herausnehmen.

Er: Ich finde es perfekt so. Dann darfst du es eben nicht köpfen.

Sie: Wieso sollte ich zum Klopfer werden, nur weil du die Eier zu weich kochst?

Er: Wieso sollte ich die Eier hart kochen, nur weil du sie sonst pulverisierst?

Sie: Vergiss es. Klopfen ist was für Unentschlossene. Köpfen ist was für Macher. Deshalb schreckt es dich ab.

Er: Ich soll unentschlossen sein, nur weil ich nicht mit dem Säbel auf mein Ei losgehe?

Sie: Genau. Würdest du köpfen, hätten wir bestimmt längst einen funktionierenden Toaster. Oder den Sommerurlaub gebucht. Und die Jalousien erneuert. Aber du kannst dich ja nie entscheiden.

Er: Oh doch, und ob ich kann. Das nächste, was ich anschaffe, ist so ein Dingsda, so ein ... na, wie heißt das noch mal (zieht eine unsichtbare Kugel an einem Metallstab hoch und lässt sie auf ein imaginäres Ei fallen)?

Sie: Du meinst doch wohl nicht diesen ...

Er: Einen Eierschalensollbruchstellenverursacher, genau.

Sie: So weit kommt's noch! Lieber esse ich nur noch Spiegelei.

Er: Gute Idee. Ab morgen gibt es bei uns Ei aus der Pfanne. Ohne Krümel, ohne Blutvergießen. Ich besorge noch heute eine spezielle Pfanne.

Sie: Na, dann kann ich mich ja wieder entspannen. Bis du dich für eine entschieden hast, dürften hier noch viele Eierköpfe rollen.

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