Reform des Urheberrechts:Piratin veröffentlicht Liste aller Lobby-Anfragen

Activists Protest Internet Copyright Restrictions

Piraten und Urheber gelten vielen als natürliche Feinde - ein Vorurteil, wie der Bericht von Julia Reda zeigt.

(Foto: Getty Images)
  • Die Piraten-Politikerin Julia Reda veröffentlicht ihre Vorschläge zur Reform des europäischen Urheberrechts.
  • Momentan gibt es nur eine 14 Jahre alte Richtlinie, in vielen Ländern gelten unterschiedliche Regelungen. Diesen Flickenteppich möchte Reda auflösen und eine einheitliche Rechtslage schaffen.
  • Seit Beginn ihrer Reform-Arbeit haben sich die Lobby-Anfragen an Reda verdoppelt. Alle Gesprächstermine legt sie nun offen.
  • Bürger, die sich über Lobbyismus im Europaparlament informieren wollen, müssen mühsam danach suchen. Eine neue Webseite soll das ändern.

Von Luisa Seeling, Brüssel, und Simon Hurtz

Europa soll ein neues Urheberrecht bekommen - und eine Piratin spielt dabei eine entscheidende Rolle. Seit November ist Julia Reda, einzige deutsche Piratin im EU-Parlament, Berichterstatterin über die Umsetzung der InfoSoc-Richtlinie, einer 2001 beschlossenen Regelung zur europaweiten Harmonisierung des Urheberrechts. Am Dienstag wird sie ihren Berichtsentwurf im Rechtsausschuss vorstellen, am Montag veröffentlichte sie den Entwurf bereits auf ihrer Webseite. Darin fordert sie weitreichende Änderungen am bestehenden Urheberrecht.

Während Reda an dem Bericht arbeitete, sprach sie mit zahlreichen Lobby-Vertretern über ihre Vorstellungen von einem reformierten Urheberrecht - eine Liste aller Treffen findet sich ebenfalls auf der Webseite der Parlamentarierin. Außerdem lädt Reda die Öffentlichkeit dazu ein, auf einer kollaborativen Internetplattform Kommentare zu dem Berichtsentwurf zu hinterlassen.

Urheber stärken, Schutzfristen verkürzen, kulturelle Handlungen schützen

Die InfoSoc-Richtlinie ist mittlerweile 14 Jahre alt, stammt also "aus einer Zeit vor Facebook und Youtube", wie Reda auf ihrer Webseite schreibt. Dementsprechend umfangreich fallen die Änderungsvorschläge aus. In 24 Punkten skizziert Reda ihre Vorschläge für eine grundlegende Reform des europäischen Urheberrechts. Zentral geht es darum, den aktuellen Flickenteppich unterschiedlicher Rechtslagen aufzulösen. Dies stehe, so argumentiert Reda, einem gemeinsamen europäischen Markt im Weg und erschwere den grenzübergreifenden Austausch von Wissen und Kultur. Ihre Kernforderung: ein einheitliches, europaweit gültiges Urheberrecht.

Außerdem will Reda Künstler und Autoren gegenüber Rechteinhabern und Verwertungsgesellschaften stärken, beispielsweise durch eine Reform des Urhebervertragsrechts. Die derzeit geltenden Schutzfristen - in der EU betragen sie mindestens 70 Jahre nach dem Tod des Autors - sind ihrer Ansicht nach zu lang. Die internationale Berner Übereinkunft zum Urheberrecht sieht lediglich 50 Jahre als Schutzdauer vor.

Das derzeit gültige Recht sei nach Ansicht Redas noch nicht an die digitale Welt angepasst: Jeder Internetnutzer laufe im Alltag Gefahr, gegen Gesetze zu verstoßen; bereits ein Facebook-Posting könne reichen. Auch kulturelle Handlungen wie Gifs oder Mashups von Youtube-Videos bergen derzeit das Risiko, ungewollt zum Urheberrechtsbrecher zu werden. Für wissenschaftliche Zwecke, Bildungsinstitutionen und Bibliotheken sieht Redas Bericht ebenfalls umfassende Ausnahmen im Urheberrecht vor.

Lobby-Anfragen an Reda haben sich verdoppelt

Seit Reda im November als Berichterstatterin arbeitet, wird sie mit Lobby-Anfragen überhäuft - die Zahl habe sich seitdem verdoppelt, sagte sie zu Süddeutsche.de. Kein Wunder: Wenn das Urheberrecht neu geregelt wird, geht es um viel Geld. Eine Liste mit allen 86 Lobby-Gesprächen, die Reda zum Urheberrecht geführt hat, veröffentlicht sie im Internet. Bürger sollen, so die Ansicht der Piratin, nachvollziehen können, mit welchen Lobbyisten ein Abgeordneter gesprochen hat.

Mit der Dokumentation hat sich Reda auch selbst kontrolliert: "So konnte ich sehen: Habe ich zu wenig User getroffen, habe ich mit zu vielen Verwertern gesprochen?" Nutzer und Autoren sind zwar die am häufigsten genannten Gruppen in der Urheberrechtsdebatte, doch oft seien sie nicht sehr professionell organisiert und hätten wenige Ressourcen. Redas Liste soll helfen, so etwas wie Ausgewogenheit herzustellen.

Die Piratin hat sich vor ihrem Einzug ins Parlament dazu verpflichtet, Lobby-Kontakte offenzulegen und sich der Initiative wepromise.eu angeschlossen, die für digitale Grundrechte und Transparenz eintritt. Es gibt etliche solcher Initiativen, eine der größten ist die Anti-Korruptions-Erklärung, die Transparency International zur Europawahl 2014 verfasst hat. Von den damals 500 Unterzeichnern sitzen heute 182 im Parlament. In dem Text heißt es: Der Unterzeichner werde "Berichte zu Gesetzestexten, für die ich in meiner Amtszeit verantwortlich bin, mit einer 'legislativen Fußspur' versehen und veröffentlichen."

Wer sich über Lobby-Kontakte informieren will, muss mühsam suchen

Einige EU-Parlamentarier veröffentlichen schon länger ihre "Fußspur", Reinhard Bütikofer zum Beispiel. Der stellvertretende Vorsitzende der europäischen Grünen legt seine Lobby-Termine seit Januar 2012 offen. Allerdings gibt es bisher keinen Ort, an dem Lobby-Kontakte von EU-Parlamentariern systematisch erfasst und gebündelt werden. Die Bürger müssen sich die Informationen mühsam auf verschiedenen Websites zusammensuchen.

Für die EU-Kommission hingegen existiert seit kurzem eine Seite, die Informationen über Lobby-Kontakte bündelt: Commission Today, erst seit wenigen Wochen in Betrieb, programmiert auf dem EU Hackaton 2014. Die neue Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker hatte sich bei ihrem Antritt dazu verpflichtet, von 1. Dezember 2014 an alle Lobby-Kontakte der Kommissare und ihrer wichtigsten Mitarbeiter offenzulegen.

Für das Europaparlament fehlt eine solche Seite bisher. "Es gibt relativ wenige Strukturen, um es den Abgeordneten einfach zu machen", kritisiert Reda. An einer Lösung arbeitet Transparency: "Unser Ziel ist, im Laufe der kommenden zwölf bis 18 Monate ein Online-Tool zu schaffen, mit dem die MEPs ihre Lobby-Kontakte offenlegen können", sagt Daniel Freund, im Brüsseler Büro von Transparency für Lobbyismus zuständig. Bis es so weit ist, bleibt immer noch die gute alte Excel-Tabelle.

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