Dschungelcamp-Nachlese: Tag 1:Mit Schafshoden im Mund Limbo tanzen

Dschungelcamp, RTL, Walter Freiwald

Kein Lichtblick, nirgends? Doch: Walter. Walter, der maulende, übellaunige, alles Scheiße findende Typ.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl/RTL)

Die neunte Staffel des Dschungelcamps hat begonnen. Der Auftakt ist ein Fiasko - aber nicht, weil die Sendung so menschenverachtend wäre. Oder so schockierend und obszön. Doch es gibt einen übellaunigen Lichtblick.

Von Gerhard Matzig

Ja, es ist furchtbar, wenn man mit einem Schafshoden im Mund, groß wie ein Hundewelpe, Limbo tanzen muss. Ja, es ist entsetzlich, wenn man ein Kakerlaken-Mehlwurm-Schaschlik essen soll. Ja, es ist demütigend, wenn man in einem Sandkasten voller Aalglibber herumwatet oder sich gegenseitig mit einer Sonnencreme einschmiert, die einerseits nach Fäkalien riecht und andererseits noch lebendig genug ist, um auf dem nackten Oberkörper in Madenform herumzukriechen.

Aber die apokalyptischste Prüfung besteht darin, sich drei Stunden lang die erste Folge der neunten Staffel von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" auf RTL reinzuziehen. Und zwar als Dschungelcamp-Neuling, als jemand, der die vorhergehenden acht Staffeln nicht gesehen hat. Vermutlich konnte das ohnehin nur gelingen, indem man die vergangenen Jahre auf der dunklen Seite des Mondes verbracht hat.

Und jetzt - nach dem ersten Mal Dschungelcamp? Wie war es denn so? Man lebt noch. Wenn auch als gebrochener Mann. Gebrochen? Nein, eingelullt, eingeschläfert. Das Eincampern könnte es nach der Auftaktsendung als ultimative Steigerung des Einschläferns in den Duden schaffen. Ein Kindergeburtstag mit Topfschlagen ist der reinste Thrill gegen das Dschungelcamp.

Wäre es doch nur Trash vom Feinsten

Man wusste ja, dass man sich als Dschungelcamp-Erstgucker auch integrationswillig zeigen muss. Das fängt mit der Sprache an - nie wird man eine fremde Kultur begreifen, wenn man die Finessen ihrer Sprache nicht versteht. Weshalb man bereitwillig innerhalb der ersten fünfzehn Minuten lernte, was für die verbleibenden 165 Minuten absolut ausreichend war: "Ist das schön, euch zu sehen", "Boaaah, geil, Alter!", "Ihhh, ist das eklig", "Ich kann das nicht" (Sara), "Das machst du sehr gut" (Aurrrrrelio), "Fick dich", "Kreisch", "Wow", "Hammer" und "Ich weine jetzt".

Man war darauf vorbereitet, dass es eklig sein würde. Man ahnte, dass es menschenverachtend sein könnte. Würdelos. Entgeistigt. Irre. Banal. Vulgär. Primitiv. Schockierend. Ja, wenn es das nur mal gewesen wäre! Wäre es doch nur Trash vom Feinsten. Aber nein, ein unfassbares Nichts ist es, ein schwarzes Loch. Und davon hat es schon acht Staffeln gegeben - im Ernst jetzt? Unglaublich. Vielleicht ist die westliche Zivilisation doch an ihr Ende gelangt.

Es gibt da also diese elf Kandidaten, die nicht nur keine Prominenten sind, die auch keine abgehalfterten Prominenten sind, auch keine B- oder C-Prominenten - sondern einfach nur: irgendwer. Was sie aber nicht daran hindert, zu glauben, sie seien wer. Jörn Schlönvoigt: hä? Patricia Blanco: who? Tanja Tischewitsch: hm? Maren Gilzer: "Hat früher am Glücksrad gedreht." Ach so, ach die . . . und was war noch mal das "Glücksrad"? Und so weiter und so unbekannt.

Der übellaunige Walter als Lichtblick

Also Leute wie du und ich. Leider auch nicht ganz, es sei denn, man zieht sich gelegentlich für den "Playboy" aus oder war mal Co-Moderator von "Der Preis ist heiß" (Walter Freiwald). Das Dschungelcamp-Personal ist eine Art Resterampe von Leuten, die mal fast für fünf Minuten bekannt geworden wären. Und sorgt ansonsten erwartbar für das übliche Setting der Bitch (Sara Kulka), des Rehleins (Angelina Heger), der Mutti (Maren Gilzer), des Machos (Aurelio Savina) oder des netten Jungen (Jörn Schlönvoigt). Zu den Dauerprüfungen übrigens gehört, sich immer und immer wieder den gleichen Witz von Moderatorin Sonja Zietlow anzuhören, drei Stunden lang: Aurrrrrelio.

Was bleibt? Manche Dinge sieht man nur einmal im Leben. Das Dschungelcamp gehört dazu. Und nein, das ist keine Kritik am Trash-TV, das ist eine Kritik am Nichts-TV, an der Einöde im Dschungel, den man vor lauter Bäumen nicht sehen kann. Kein Lichtblick, nirgends? Doch: Walter. Walter, der maulende, übellaunige, alles Scheiße findende Typ, der immer nach Zigaretten heult und sich lieber fahren lässt, als dass er durch den drapierten Dschungel stiefeln würde.

Der und die Kakerlaken: Das sind meine Kandidaten als Dschungelkönige.

Wer fällt auf im TV-Dschungel?

16 Tage, elf Möchtegern-Promis, eine Dschungel-Kulisse - und zwei Strippenzieher im Baumhaus. Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! (RTL) geht in die neunte Runde. Wer ist dieses Jahr als Zicke besetzt? Wer spielt Psychospielchen? Und was steht bei der Ekelprüfung auf dem Menü? Süddeutsche.de sagt jeden Morgen, wer aufgefallen ist: in der täglichen Einzelkritik zum Dschungelcamp.

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