Dschungelcamp-Nachlese: Tag 3:Doktor Freud, bitte kommen

Dschungelcamp, RTL, Walter Freiwald

"Ich bin psychologisch geschult", sagt Walter Freiwald. Er hat das Spiel verstanden.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl/RTL)

Das penetrante Name-Dropping und die Lebenslauf-Litanei - geschenkt. An Tag 3 im Dschungel wird deutlich: Walter Freiwald hat das Spiel verstanden. Und inszeniert sich als Mann zwischen Wahnsinn und Genie.

Von Johanna Bruckner

Wer fällt auf im TV-Dschungel?

16 Tage, elf Möchtegern-Promis, eine Dschungel-Kulisse - und zwei Strippenzieher im Baumhaus. Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! (RTL) geht in die neunte Runde. Wer ist dieses Jahr als Zicke besetzt? Wer spielt Psychospielchen? Und was steht bei der Ekelprüfung auf dem Menü? Süddeutsche.de sagt jeden Morgen, wer aufgefallen ist: in der täglichen Einzelkritik zum Dschungelcamp.

Dr. Bob

Keine Sorge, Dr. Bob hat Multifunktionshose und Basecap nicht an den Nagel gehängt. Er ist im RTL-Dschungel nach wie vor erster Ansprechpartner der eingebildeten Kranken. Akute Hyperventilation, wie sie Sara Kulka bei ihrer dritten Dschungelprüfung "Schabenfreude" zeigt, behandelt er mit hochgerecktem Daumen und breitem Grinsen. Und beim Dauerpatienten Freiwald setzt er das einzig wirksame Gegenmittel ein: ignorieren. Die Diagnose lautet schließlich chronische Hypochondritis - oder frei nach "Phoenix P" (aka Patricia Blanco, aber das ist eine andere Leidensgeschichte): "Der Walter ist eine geballte Krankheit."

Er hatte schon Fuß (fehlende Einlagen), Arm (Quallen), Kopf (Helikopter) und Rücken (Pritsche). Nun plagt er sich mit Durchfall, mutmaßlich verursacht durch die von Maren Gilzer am Vorabend zubereitete Beutelratte. Vielleicht liegt's aber auch an der Psyche, das zumindest vermutet Moderator Daniel Hartwich: "Du bist der Einzige? Das sollte dir zu denken geben." Im australischen Outback gibt es so viele echte Ärzte wie gefährliche Tiere: keine (selbst Dr. Bob ist eigentlich Maskenbildner).

Sigmund Freud

Doch Rettung naht, eine Medizin-Koryphäe hält Einzug im australischen Outback. "Was viele Leute gar nicht von mir denken, dass ich mir Bücher wie von Doktor Freud durchlese", sagt Tanja Tischewitsch. Um den Überraschungsmoment ihrer Aussage zu untermalen, schwingt sie Haare und Brüste, wie man das von einer Ex-DSDS-Kandidatin erwartet, die der damalige Juror Kay One mit den Worten weiter ließ: "Wir sind ja hier nicht bei The Voice."

Wer an dieser Stelle ob der Vielzahl an trashkulturellen Referenzen aussteigt, dem sei gesagt: Nicht-Wissen gehört bei Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! zum Konzept. Oder wie Moderatorin Sonja Zietlow auf die Enthüllungsankündigung von Walter Freiwald hin erläutert: "Walter nennt Namen. Einige werden Sie nicht kennen. Aber das sind Sie von uns ja schon gewohnt."

Doch zurück zu Sigmund Freud. Zumindest dessen Namen kennt Tanja Tischewitsch, und weil im Dschungel keine Bücher erlaubt sind, in denen man etwas nachschlagen könnte, improvisiert sie eben. Mitcamperin Sara Kulka rät sie, bei der Dschungelprüfung auf cool zu machen. Als sie selbst am Ende der Sendung gerade noch einmal darum herumkommt (es erwischt Ex-Bachelor-Buhlin Angelina Heger), reagiert sie so: "Oh Gott, ich bin so happy, dass du das bist." Was Freud wohl diagnostizieren würde? Vermutlich: "Klarer Fall von: das Es."

Walter Freiwald (das Er)

Der Walter dürfe nicht "den Gollum raushängen lassen", findet Patricia Blanco an Tag 3. Dabei agiert hier ein arbeitssuchender Medien-Profi im besten Sinne! Das penetrante Name-Dropping und die Lebenslauf-Litanei - geschenkt. Während sich manche Campbewohner bei den Zuschauern anbiedernd um eine Dschungelprüfung bewerben, hat Walter Freiwald das Entscheidende aus der vergangenen Staffel mitgenommen: Wer märtyrerhaft jede Made schluckt, darf am Ende vielleicht für ein Jahr den Titel Dschungelkönigin tragen (Melanie Müller). Doch wer mehr will, der setzt besser auf inszenierten Wahnsinn.

"Ich bin psychologisch geschult", sagt Walter Freiwald in die Kamera - und übt dann mit Sara Kulka die beruhigende "Schlürf-Atmung". "Ich fühl' mich bekloppt", resümiert die anschließend.

Wenn es um die Missachtung seiner körperlichen Unbehaglichkeiten geht, gibt sich Freiwald cholerisch wie Vorjahres-Kandidat Winfried Glatzeder. Auch in Sachen gezielter Provokation steht er dem Schauspieler in nichts nach: "Das ist doch das Spiel: sich anzupissen." Seine wahnhaften Tiraden aber erinnern an Larissa Marolt, die Roger Willemsen im vergangenen Jahr mit Marilyn Monroe verglich.

Sein Ex-Chef Harry Wijnfoord (aus der Neunzigerjahre-Gewinnshow Der Preis ist heiß) habe ihm stets die Wurst vom Brot genommen, erzählt Freiwald dem Lagerfeuer-Publikum. Aus Angst klein gehalten worden sei er, einen Maulkorb habe man ihm verpassen wollen. Und schlimmer noch: Da sei dieser Fotograf, der habe ihn schon früher immer nicht fotografiert, und der sei jetzt wieder hier, ausgerechnet: "Das kann ich in dieser Situation gar nicht gebrauchen, dass mich ein Fotograf boykottiert."

Seit zwei Jahren ist Freiwald nach eigener Aussage arbeitslos. Wohl nicht mehr lange. Denn wer im Dschungel ein Ein-Mann-Stück derart furios auf die Bühne bringt - zu welchen Unerhaltungskonzepten mag der im Privatfernsehen fähig sein?

Sara Kulka (das Ego)

Sieben Sterne bringt Sara an Tag 3 mit ins Camp, und damit sieben mehr als am Vortag. Warum es diesmal geklappt hat? "Je öfter du reinkommst, desto scheißegaler wird's dir", sagt das Model und freut sich über ihre Erfahrung in der "Prüfungsbranche". Die ist Gold wert, da ist sich auch Model-ja-was-eigentlich? Rolfe Scheider sicher: "Das hilft dir auch für den Rest deines Lebens."

Sonja Zietlow und Daniel Hartwich (die Über-Ichs)

Die Moderatoren haben ohnehin längst die Lust am Saradismus verloren. Eine letzte Spitze: "Herzlichen Glückwunsch zur abgeschlossenen Einbildung!" Dann sagt Sonja Zietlow in Richtung der Zuschauer: "Jetzt können sich alle ein neues Feindbild suchen."

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