Terrorbekämpfung:Rechtsstaat-Augenblick der EU

Belgian soldiers patrol outside the European Commission headquarters in central Brussels

Belgische Soldaten patrouillieren vor der Zentrale der Europäischen Kommission in Brüssel

(Foto: REUTERS)

Frankreich, Belgien, Griechenland: Der Terror der vergangenen Tage zeigt, dass Dschihadisten sich nicht um Landesgrenzen kümmern. Und die EU hat in Sachen Sicherheit ein gewaltiges Potenzial - aber sie nutzt es nicht. Ein Fehler.

Von Stefan Kornelius

Die Europäische Union ist ja nicht nur eine Werte-und Wirtschaftsgemeinschaft, sie ist vor allem der weltgrößte Verbund von Rechtsstaaten. Auch das erklärt ihre Anziehungskraft, etwa auf die Ukraine. Rechtsstaaten bieten Sicherheit und Stabilität, was vor allem von Menschen geschätzt wird, die außerhalb dieser Ordnungssysteme leben.

Seltsamerweise ist es die EU selbst, die ihrem Sicherheitsversprechen am wenigsten traut. Sicherheit, eine der ganz großen Daseinsversprechungen des Staates an seine Bürger, ist nicht wirklich das Ding der EU. Sicherheit bleibt Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten. Soldaten, Geheimdienste, Polizei - das gehört zur nationalen Hoheit, das ist Kernbestand von Souveränität. Es geht um Leben und Tod, Freiheit und Zwang, Frieden und Krieg. Darf man das in fremde Hände legen?

Ein paar EU-Staaten haben schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht: Sie haben ihre Währung aus der Hand gegeben aber geglaubt, sie könnten Finanz- und Haushaltspolitik weiter in der eigenen Küche zusammenrühren. Diese Konstruktion hat nicht funktioniert, die Euro-Krise hält die Union bis heute zum Zerreißen gespannt. Den Rest der (Finanz-) Welt interessiert es wenig, ob die EU nun ein unvollkommener Währungsraum ist.

Angst darf sich nicht in Gesellschaften fressen

Bei der Sicherheit ist es nicht anders. Geheimdienste, Fahnder, Militär - sie alle haben ihre Netze und Gesetze, national und auch ein bisschen europäisch. Der Schengen-Raum erfasst seine Reisenden, aber das bisschen innere Sicherheit ließ sich mit Bordmitteln koordinieren. Wenn es brenzlig wurde, dann zankte man ein wenig über die Fluggastdatenspeicherung.

Frankreich, Belgien, Deutschland, Griechenland: Der Terror und die Festnahmen der letzten Tage zeigen, dass es den Dschihadisten reichlich egal ist, wo Landesgrenzen verlaufen und welcher Grenzbeamte sein Computersystem gerade mit der Gefährderliste gefüttert hat. Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Islamischer Staat auch den europäischen Dschihad entdeckt und seine Attentäter dorthin dirigiert, wo der Fahndungs- und Überwachungsdruck am geringsten ist.

Es ist immer das gleiche Spiel: Nach einem Anschlag prüft der Staat seine Instrumente, Parlamente diskutieren die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, und die Terroristen betrachten zufrieden ihr Werk, weil ihr eigentliches Ziel die Zerstörung der öffentlichen Ordnung ist. Angst frisst sich in Gesellschaften hinein und macht sie aggressiv. Aggressive Gesellschaften besinnen sich nicht auf ihre Überlegenheit, sondern werden maßlos.

Nach der Euro-Erfahrung darf die EU jetzt nicht den zweiten Baufehler machen. Die Innen- und Rechtspolitik sitzt auf einem starken Fundament. Die Nationalstaaten sind gut gerüstet. Aber gemeinsam ginge es besser: bei der Netzüberwachung, der Zusammenarbeit der Dienste, der Verfolgung der Hobbykrieger, die zu Mördern werden. Die EU hat ein gewaltiges Rechtsstaats-Potenzial. Aus nationalem Eigensinn wird es nicht genutzt.

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