"Die Anstalt" im ZDF:Die sind doch irre

Die Anstalt

Noch Fragen? Wer zu Claus von Wagner (links) und Max Uthoff in Die Anstalt kommt, hält sich besser an ihre Regeln.

(Foto: ZDF)

Sie sind beim Fernsehen, und sie strengen sich an: Seit einem Jahr bieten die Macher von "Die Anstalt" im ZDF etwas, was nichts mit dem zu tun hat, was sonst so im TV als lustig gilt. Aber genau deshalb ist die Sendung so erfolgreich.

Von Hans Hoff

Im Schaufenster eines Cafés an der Münchner Türkenstraße gibt es etwas zu sehen. Da stehen drei Herren, reden und gestikulieren. Dann tippen sie etwas in ihre Notebooks, dann reden sie wieder. Wie sie da so stehen, so engagiert im Gespräch, könnten sie auch späte Studenten sein, die gerade eine gemeinsame Seminararbeit erörtern. Und auf besondere Art und Weise ist das nicht einmal so falsch. Die drei studieren gerade das Weltgeschehen, sie erörtern die politische Lage, und ihre Seminararbeit müssen sie spätestens am 3. Februar abgeben. Es ist allerdings nicht direkt eine Seminararbeit, eher eine Sendung, eine inzwischen sehr erfolgreiche Sendung.

Der Februartag ist ein Dienstag, und an dem läuft um 23.15 Uhr im ZDF Die Anstalt. Bis dahin müssen Claus von Wagner, Max Uthoff und Dietrich Krauß eine Stunde Programm auf die Bühne des schräg gegenüber gelegenen Arri-Studios zaubern. Im Februar feiert das Trio ersten Geburtstag, dann ist Die Anstalt ein Jahr alt.

Als Nachfolgeprogramm für die erfolgreiche Sendung Neues aus der Anstalt mit Urban Priol und Erwin Pelzig war es konzipiert. Nachfolgeprogramme haben es schwer im deutschen Fernsehen. Die meisten verblassen rasch beim schüchternen Versuch, sich am Bewährten aufzurichten. Nicht so Die Anstalt. Die legte sich vom Start weg mit vielen an, mit Politikern, mit Wirtschaftsweisen und mit Journalisten.

Auf der Bühne singt ein Chor von Flüchtlingen

In der Anstalt wurde die Steuerpolitik Luxemburgs ebenso durchgehechelt wie die Art der EU, mit Flüchtlingen umzugehen. Das war oft leidlich lustig, gelegentlich verletzend und fast immer von verblüffender Schärfe, weil sich die drei Macher angewöhnten, mehr mit Fakten als mit abgehangenen Ansichten zu jonglieren und so auch mal bislang unbeleuchtete Seiten zu erhellen. Es ging um windige Rentenversprechen und um die Frage, wo sich Journalisten gerne informieren. Es wurde Krieg gespielt, mit Schützengraben und allem Pipapo. Am Ende der Novemberausgabe stand ein leibhaftiger Flüchtlingschor auf der Bühne und sang zu Ehren jener, die im Mittelmeer ihr Grab gefunden haben, die eigene Verzweiflung heraus.

Da hätten sie aber ein bisschen unlauter auf die Tränendrüse gedrückt, hieß es hinterher. Irgendwer hat ja immer was zu nörgeln nach einer Sendung, die lustig und bedeutend zugleich sein soll. Gedanklich schlicht, mittelmäßig, abgestanden, so etwas bekommen Akteure bei solchen Sendungen gerne um die Ohren gehauen. So wie man sie an anderer Stelle als Putinversteher abstempeln wollte. Mit renommierten Journalisten fanden sich die Anstalts-Macher vor Gericht wieder, weil die Journalisten sich nicht richtig dargestellt sahen. Im Wesentlichen haben die Richter den Anstaltsmachern recht gegeben, und das ZDF hat ihnen den Rücken gestärkt.

Irgendwann ist die Debatte im Café-Schaufenster beendet. Dann geht es rüber in die Arri-Studios. "Redaktionskonferenz" sagen die drei beim Pförtner und bekommen einen Schlüssel. "Redaktionskonferenz" sagt Uthoff nachdenklich, als der Schlüssel den Weg zum Besprechungsraum freigibt. Das klingt ihm sichtlich zu anmaßend ein paar Tage nach den Anschlägen auf die Redaktionskonferenz bei Charlie Hebdo. Ja, auch hier geht es um Satire, aber Redaktionskonferenz?

Der Terror von Paris hat alles verändert

Es sind solche Momente, die zeigen, wie ernst den dreien ihr Anliegen ist. Sie machen das nicht eben mal so. Sie könnten auch woanders aktiv sein. Claus von Wagner hatte gute Jobs bei der Heute Show, und Uthoffs Bühnenprogramm lief so schlecht auch nicht. Aber sie wollen jetzt das hier. Sie glauben allen Ernstes, dass sie damit etwas verändern können in dieser Republik. Ja, so vermessen sind sie. Man darf sie dafür naiv schelten. Ist ihnen wurscht. Und im Angesicht der Anschläge? Sowieso.

Bis vor wenigen Tagen sah alles noch nach routinierter Themenfindung aus. Was macht die CSU? Was die FDP? Dann kam der 7. Januar, kamen die Anschläge von Paris. "Wir müssen und wollen uns mit dem Thema auseinandersetzen", sagt Uthoff, der allerdings froh ist, dass es bis zum Sendetermin noch eine Weile hin ist. "Jetzt schon eine Sendung zu machen wäre viel schwieriger", sagt der 47-Jährige. Natürlich kann man jetzt, drei Wochen vorher, noch nicht absehen, was sich bis zum Termin noch ändern wird. "Wir schreiben ohnehin viel für die Tonne", sagt Uthoff gelassen.

Drei Wochen lang schreiben die drei jeweils drei Tage, und wenn sie am Montag vor der Ausstrahlung die Generalprobe vor Publikum absolviert haben, ist lange nicht Schluss. "Dann gehen die anderen ZDF-Mitarbeiter nach Hause, und wir schreiben in der Nacht das Programm um", sagt Dietrich Krauß. Man spürt, dass sie das wirklich tun. Sie sind beim Fernsehen, und sie strengen sich an. Seltene Geschöpfe.

Der dritte Mann

Krauß ist der dritte Mann. Jener, der nicht auf dem Schirm aktiv ist, hinter der Kamera dafür umso mehr. Lange hat der 49-Jährige als Journalist und Kabarettredakteur bei der ARD gewirkt. Inzwischen zählt er auch zum Autorenteam der Heute Show. Früher war er selbst eine Weile bühnenaktiv. "Mir fehlt es nicht, da vorne zu stehen", sagt er heute. "Er ist nicht im Hintergrund, er ist genauso präsent wie wir", mischt sich Claus von Wagner ein.

Ein wenig hat das was von einer Band. Smells like Team-Spirit. Und Wagner, der einst als Student der Kommunikationswissenschaft eine Magisterarbeit abgab mit dem Titel "Politisches Kabarett im deutschen Fernsehen. Zwischen Gesellschaftskritik und Eigenwerbung", bestätigt das gerne. "Wenn wir uns nach der Sendung anschauen und sagen: Das haben wir ganz gut gemacht, dann ist das Rock 'n' Roll."

Das ist die große Kunst der drei, dass sie das mit dem Kabarett im Fernsehen ganz anders verstehen. Sie verantworten keine Nummernrevue, wie sie in den meisten anderen Sendungen triste Routine ist. Da kommen Kollegen zu Besuch, lassen sich drei Stichworte geben, rattern einen Teil ihres einstudierten Bühnenprogramms runter. Applaus, Verbeugung. Abgang. Fertig.

"Das fühlt sich gut an"

Nicht so bei der Anstalt. Wer da kommt, muss früh kommen, und er muss spielen, was die drei vorgeben. Das war anfangs ungewohnt für so manchen Gast, dass er fremden Text lernen soll. Aber inzwischen hat sich herumgesprochen, dass sie bei der Anstalt die einzelnen Bühnenfiguren durchaus ernst nehmen, dass es allen nutzt, wenn man das mit der Satire und der Politik und dem Fernsehen als Einheit begreift. "Am Ende steht da ein Ensemble, und du hast das Gefühl: Damit könnten wir jetzt auf Tour gehen. Das fühlt sich gut an", schwärmt Wagner.

Das ist das Luxuriöse an der Anstalt. Dass sie dort achtmal im Jahr ein kleines Bühnenstück herbeizaubern, es aufführen und dann wieder vergessen. In einer Branche, in der manche Wortkünstler vier Jahre erfolgreich mit demselben Programm hausieren gehen, eine Unerhörtheit. Gebührenverschwendung ist das trotzdem nicht, weil Abrufe in der Mediathek Multiplikation schaffen. Und dann sind da noch Kanäle wie YouTube. Dort wurde Claus von Wagners Fünfminutensolo über Pegida bislang mehr als 820 000 Mal geschaut.

An diesem Januartag schreiben sie ihr Programm in einem Raum, den man offensichtlich eingerichtet hat, um das Wort "schmucklos" zu bebildern. Hässliche Tische zusammengeschoben, ein fast schon antiker Fernsehapparat im Zentnerformat und ein trostloser Ausblick ins Nirgendwo. An der Tür hängt noch das Logo von Ein Fall fürs All, jener Show, mit der ihr großer Vorgänger Urban Priol nach nur wenigen Folgen havarierte. Man erfährt hier sehr offensichtlich keine Vorzugsbehandlung als Künstler. Aber um die geht es den dreien von der Anstalt auch nicht. Sie wollen etwas anderes.

Die Bräsigkeit der Journalisten

"Gegenöffentlichkeit", sagen sie mehrmals. So wie manche Themen landauf, landab behandelt werden, klingt es ihnen zu oft nach zu einfacher Erklärung, nach der Bräsigkeit von Journalisten, die bestimmte Erklärungsmuster gepachtet haben. Wagner hat auf seinem Wunschzettel eine Botschaft für die schreibenden Kollegen. "Warum kann ein Journalist nicht einmal auch seine Unsicherheit beschreiben?"

Wagner ist im Bühnenduett ein bisschen der Haudrauf, Uthoff der Nachdenkliche. "Wenn es zu Auseinandersetzungen kommt, werde ich fast immer überstimmt", sagt er und seufzt. Man spürt, dass es ihm gefällt, überstimmt zu werden und dann dagegen anzukämpfen. Es ist fest damit zu rechnen, dass er bis zur Jubiläumssendung noch mehrmals überstimmt wird.

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