Untersagte Kundgebungen in Dresden:Demo-Verbot - nur im Ausnahmefall

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Bilder wie diese (von letzter Woche) wird es heute in Dresden nicht geben (Foto: imago/epd)

Pegida sagt seine Kundgebung in Dresden ab und kommt damit einem Verbot zuvor. Doch warum werden auch die Gegendemos untersagt? Und wie soll es in der kommenden Woche weitergehen?

Von Hannah Beitzer und Lilith Volkert

Vor zwei Wochen waren es 18 000, vergangene Woche 25 000. Gut möglich, dass an diesem Montag noch mehr Dresdner gegen die vermeindliche Islamisierung des Abendlandes auf die Straße gegangen wären. Doch zumindest in der sächsischen Landeshauptstadt wird an diesem Montag niemand für oder gegen etwas demonstrieren. Die islamfeindliche Bewegung "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) hat ihre Kundgebung bereits am Sonntag abgesagt. Damit ist sie einem Verbot der Polizei zuvorgekommen. Auch die geplanten Gegendemonstrationen dürfen nicht stattfinden.

Wann dürfen Demonstrationen verboten werden?

Das Versammlungsrecht ist von Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt - die Hürden, es zu begrenzen, sind darum sehr hoch. Demonstrationen unter freiem Himmel können nur eingeschränkt werden, wenn die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet ist - wenn also abzusehen ist, dass die Polizei Demonstranten und unbeteiligte Passanten mit vertretbaren Mitteln nicht schützen kann. Die Befürchtung, es könne Ausschreitungen geben, wird ebensowenig als Verbotsgrund akzeptiert wie eine allgemeine Besorgnis um die Sicherheit der Menschen auf der Straße.

Im aktuellen Fall gibt es offenbar konkrete Hinweise auf einen Anschlag von Islamisten. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat das Versammlungsverbot wegen einer Morddrohung gegen Pegida-Mitorganisator Lutz Bachmann ausgesprochen. Ulbig entscheidet, ob eine Kundgebung genehmigt wird oder nicht - er muss auch für mögliche Konsequenzen geradestehen.

Warum wurden auch Gegendemonstrationen verboten?

Neben der Pegida-Demonstration hat die Polizei für Montag alle Versammlungen unter freiem Himmel in Dresden untersagt - also auch die Kundgebungen von Pegida-Gegnern. Die Sorge, Pegida-Anhänger könnten ihr Demo-Verbot missachten und sich zunächst unter die Gegendemonstranten mischen, war dafür wohl nicht ausschlaggebend.

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:Wie beurteilen Sie das Demonstrationsverbot in Dresden?

Wegen konkreter Terrorhinweise hat die Dresdner Polizei alle für Montag geplanten Demonstrationen abgesagt - darunter auch die Pegida-Kundgebung. Ist das Verbot ein angemessenes Mittel, um der Terrorgefahr vorzubeugen?

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Für den Berliner Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza ist das umfassende Verbot vielmehr ein Hinweis darauf, dass die Polizei von einer allgemeineren Gefährdung ausgeht, sich die Terrorgefahr also nicht auf Pegida beschränkt. Sonst hätte sie nicht alle Kundgebungen verbieten dürfen.

Und wenn sich die Bedrohungslage in der kommenden Woche nicht ändert?

Demonstrationen können nicht vorbeugend verboten werden, sondern nur, wenn sie bereits angemeldet sind. Sollte das Innenministerium weiter konkrete Informationen über eine Gefährdung von Pegida haben, kann es deren Versammlungen verbieten - jede Woche aufs Neue. Es ist aber wahrscheinlich, dass sich die Pegida-Verantwortlichen mit der Polizei absprechen und im Fall einer anhaltenden Terrorwarnung von sich aus auf eine Anmeldung verzichten.

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Auf einer Pressekonferenz am Montag kündigte Pegida-Mitbegründerin Kathrin Oertel an, mit Hochdruck an einem Sicherheitskonzept zu arbeiten, damit die Kundgebungen so bald wie möglich wieder stattfinden können. Rechtswissenschaftler Pestalozza hält dies für wenig erfolgversprechend: "Wie soll ein Konzept aussehen, das einen einzelnen böswilligen Menschen davon abhalten kann, sich unter die Demonstranten zu mischen?"

Wie reagiert Pegida auf die Bedrohung?

Auf einer Pressekonferenz forderte Pegida-Organisator Lutz Bachmann, gegen den sich die Drohungen unter anderem richten, dazu auf, am Mittwoch zu einer Demonstration von "Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes" zu kommen. "Legida ist ein offizieller Ableger von uns", sagte er in Dresden. Die Demonstration von Legida fand am vergangenen Montag zum ersten Mal statt, zahlenmäßig blieb sie mit 5000 Demonstranten weit hinter Pegida zurück. Außerdem gingen in Leipzig 30 000 Gegendemonstranten auf die Straße.

Legida hatte bereits vergangene Woche eine ursprünglich für diesen Montag geplante Demonstration auf Mittwoch verlegt. Hintergrund war dem MDR zufolge, dass die geplante Demoroute bereits von Gegendemonstrationen blockiert sei. In ihrem Positionspapier gibt sich die Bewegung deutlich radikaler als Pegida. Dort ist etwa von einem "Ende des Kriegsschuldkultes" die Rede. Auf der Demonstration skandierten die überwiegend männlichen Teilnehmer laut "Deutschland, Deutschland, Deutschland!". Bachmann forderte nun die Organisatoren von Legida auf, das gemäßigtere Pegida-Positionspapier zu unterzeichnen. Allerdings ist noch nicht ganz klar, ob die Leipziger Demonstrationen überhaupt stattfinden. Dem MDR zufolge prüft die Polizei noch die Sicherheitslage für die Proteste am Mittwoch.

Wie beurteilt die Regierung die Situation?

Aus Sicht der Bundesregierung muss ein Demonstrationsverbot eine Ausnahme bleiben. "Für die Bundesregierung ist das Demonstrationsrecht, also das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, ein besonders hohes und verteidigungswertes Gut unserer Demokratie", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Dies gelte unabhängig zu den Aussagen des einen oder anderen Demonstrationszuges. Verbote wie in Dresden wolle man in Deutschland "nur möglichst selten sehen".

Seibert wie auch eine Sprecherin des Innenministeriums hoben hervor, die Verbotsentscheidung sei von den sächsischen Sicherheitsbehörden und der Landesregierung in eigener Zuständigkeit entschieden worden. Die Bundesregierung äußerte sich nicht dazu, ob sie die Verfügung für richtig hält. Seibert sagte lediglich, neben der Versammlungsfreiheit sei auch der Schutz der Bevölkerung ein hohes Gut. Hier müsse ein Ausgleich gefunden werden. Die Grundrechte dürften nicht leichtfertig eingeschränkt werden.

Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht eine Einschränkung des Demonstrationsrechts grundsätzlich kritisch. "Terrordrohung darf niemals dazu führen, dass Meinungen unterdrückt werden - egal ob uns diese Meinungen gefallen oder nicht", sagte Maas in Berlin. "Unsere Demokratie hält auch Pegida aus", fügte der SPD-Politiker hinzu. Die große Mehrheit in Deutschland lehne die Bewegung ab und sei in den vergangenen Wochen gegen Pegida auf die Straße gegangen. Das müsse weiter möglich sein - auch wenn es für die Entscheidung der Sicherheitsbehörden in Dresden sicher gute Gründe gegeben habe.

Wie reagieren die anderen Parteien?

Sachsens AfD-Chefin Frauke Petry hat die Organisatoren aufgefordert, die Demonstrations-Zwangspause auch zum Nachdenken zu nutzen. Die Bewegung müsse sich darüber klar werden, welche Ziele sie eigentlich habe, sagte Petry am Montag im Sender MDR Info: "Die Proteste können nicht allein bleiben. Wir brauchen die Bereitschaft, daraus etwas mehr zu machen." Eine Möglichkeit sei mehr Bürgerbeteiligung, Pegida solle Ziele aus ihrem Positionspapier zum Beispiel in Bürgerbegehren überführen.

Vertreter der Oppositionsparteien äußerten sich kritisch über das Demonstrationsverbot. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte im ZDF, eine solche "Einschränkung von Grundrechten" sei ärgerlich und "total bitter". Die Polizei müsse einen solchen Schritt sehr gut begründen. Auch wenn die Pegida-Demonstrationen "widerlich" seien, hätten die Behörden dafür zu sorgen, dass auch diese widerlichen Meinungsäußerungen möglich sind.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, betonte im WDR das Grundrecht auf friedliche Demonstrationen. Sie verlangte, die Behörden müssten Beweise bringen, dass es "schwerwiegende Angriffe möglicherweise gibt". "Die Behörden sind verpflichtet, die Menschen zu schützen, und ich denke, wir dürfen uns die Freiheit nicht nehmen lassen, zu demonstrieren, auch wenn solche Androhungen da sind", sagte die Linken-Politikerin. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte der Nachrichtenagentur AFP, es dürfe nicht die Situation eintreten, "dass eine Demonstration abgesagt wird, nur weil ein Drohbrief geschrieben worden ist".

Mit Material von dpa und AFP.

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