Technik-Innovationen:Licht der Erkenntnis

Mercedes F 015 Luxury in Motion

Die futuristische Mercedes-Studie F015 zeigt, wie die Zukunft des Autolichts aussehen könnte.

(Foto: Daimler AG)
  • BMW und Audi setzen als erste Autohersteller Laserlicht in Serienfahrzeugen ein. Die Systeme haben eine Reichweite von bis zu 600 Metern.
  • Mit seiner Farbtemperatur kommt es dem Sonnenlicht sehr nahe. Deshalb empfindet das menschliche Auge dieses Licht als sehr angenehm.
  • Für mehr Sicherheit sorgt Autolicht in Zukunft, indem es intelligenter wird. Es soll mögliche Gefahrenquellen im Vorfeld erkennen und besser ausleuchten.
  • Die Mercedes-Studie F015 besitzt LED-Displays, die über Symbole oder Textnachrichten mit Fußgängern kommunizieren. Ähnliches ist mit Projektionen auf der Straße denkbar.

Von Joachim Becker

Augen auf im Straßenverkehr! Doch was nützt dieser Appell, wenn das Sehorgan an seine Grenzen gerät? Massenunfälle bei Nebel, Regen oder Dunkelheit legen ein beredtes Zeugnis davon ab.

Der Mensch ist ein Sehtier, rund 80 Prozent aller Informationen nehmen wir mit den Augen auf. Beim Fahren verlangen Ampeln, Schilderwälder, Fußgänger und anderes besondere Aufmerksamkeit. Also hetzen die Augen hin und her wie Squash-Spieler - mehr als 100 000 Mal pro Tag. Ein Großteil der Hirnkapazität ist damit beschäftigt, in dem Wirbel aus Farben und Formen sinnvolle Muster zu erkennen. Starke Helligkeitssprünge schränken diesen lebenswichtigen Informationsfluss ein. Kein Wunder, dass sich 20 Prozent aller Verkehrsunfälle mit Personenschaden 2013 bei Nacht ereigneten. Das Risiko, bei einem nächtlichen Verkehrsunfall schwer verletzt oder getötet zu werden, ist allerdings noch wesentlich höher. Mehr als 30 Prozent der tödlichen Unfälle ereigneten sich 2013 bei Dunkelheit.

Höchste Zeit also, dass den Autofahrern ein wirklich erhellendes Licht aufgeht. Dass stärkere Scheinwerfer nicht automatisch für bessere Sicht sorgen, zeigen die neuen Lasersysteme. Seit dem vergangenen Sommer haben BMW und Audi die Superstrahler erstmals im Einsatz. Sie sind dreimal so stark und können doppelt so weit leuchten wie bisherige LED-Scheinwerfer. Mit einer Reichweite von 600 Meter tauchen die Laser ganze Landstriche in taghelles Licht. Zum Vergleich: Herkömmliches Abblendlicht ermöglicht bei Nacht eine Sichtweite von etwa 50 bis 85 Metern.

Audi R8 LMX

Der Audi R8 LMX ist das erste Serienauto, bei dem Laserlicht zur Grundausstattung gehört.

(Foto: STG)

Fast wie Sonnenlicht

Doch am Rand dieses Lichtkegels sind nur die Schuhe von Menschen zu sehen. Bis die ganze Silhouette am Straßenrand erkannt wird, vergeht wertvolle Zeit. Würden wir tatsächlich "auf Sicht" fahren, dürfte bei Dunkelheit niemand ohne Fernlicht mit mehr als 80 km/h unterwegs sein. Schon bei diesem gemäßigten Tempo beträgt der gesamte Anhalteweg 63 Meter - er ist also weiter, als der Fahrer für gewöhnlich sieht.

Ein wesentlicher Vorteil des weißen Laserlichts ist die Farbtemperatur von 5500 Kelvin, die dem Sonnenlicht sehr nahekommt. Bei Nachtfahrten schafft es ideale Bedingungen für das menschliche Auge, um Kontraste besser zu erkennen und den Fahrer weniger schnell ermüden zu lassen. Herkömmliche Halogenscheinwerfer wirken dagegen wie die Kerze in einer Kutschenleuchte.

Der Fahrer sieht mehr, aber nicht unbedingt besser

Durch die Laserkeulen sieht der Fahrer zweifellos mehr, aber nicht unbedingt besser. Entscheidend für die Nachtsicht sind auch unsere Sehgewohnheiten und -möglichkeiten: Menschen können pro Sekunde lediglich drei Objekte aufmerksam wahrnehmen. Entscheidend ist deshalb, wo das Auge hingelenkt wird: Dunkel gekleidete Personen oder Tiere am Straßenrand können leicht von anderen Objekten überstrahlt werden, die das grelle Licht stärker reflektieren wie zum Beispiel Straßenschilder. Deshalb werden die Laserkanonen nur bei mehr als 60 km/h außerhalb der Stadt und in Verbindung mit speziellen Blenden eingesetzt.

Künftig sollen hochgenaue Lichtschwerter die Augen gezielt auf Gefahren lenken: "Das neue intelligente Laserlicht hilft dem Fahrer dabei, Engstellen besser zu passieren. Bei Dunkelheit weist das Dynamic Light Spot auf Personen und Tiere in der Nähe der Fahrbahn hin oder leuchtet Kurven aus, bereits bevor der Fahrer in die Kurve einlenkt", kündigte Elmar Frickenstein, BMW-Bereichsleiter Elektrik/Elektronik, auf der CES in Las Vegas an. Eingeführt werden die Innovationen Ende des Jahres im neuen BMW Siebener. Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg stellte die neue Lichttechnologie in Las Vegas sogar auf eine Stufe mit Megatrends wie der Vernetzung und dem automatisierten Fahren - obwohl amerikanische Gesetze die Reichweite von Scheinwerfern in den USA auf rund 300 Meter beschränken.

Erst Xenon, dann LED, nun Laser

BMW i8

Der BMW i8 kann gegen Aufpreis mit Laserlicht ausgerüstet werden.

(Foto: STG)

Tatsächlich haben sich die Scheinwerfer dank der LED-Technik in den vergangenen Jahren sprunghaft weiterentwickelt. 15 Jahre vergingen zwischen der Einführung des ersten Xenonlichts 1991 im BMW Siebener und dem ersten LED-Abblendlicht, das Toyota 2006 präsentierte. Zwei Jahre später hatte der Audi R8 mit dem ersten Voll-LED-Scheinwerfer die Nase vorn: Der Sportwagen erzeugte auch sein 200 Meter weit reichendes Fernlicht mit starken Leuchtdioden in den Scheinwerfern. Mittlerweile machen die Glitzerquader auf Wunsch selbst in der Kompaktklasse die Nacht zum Tag.

Stand der intelligenten Lichttechnik sind die Matrix-LED von Audi, die den Scheinwerfer in 25 Segmente aufteilen, eines für jede Leuchtdiode. Sobald die angeschlossene Kamera andere Verkehrsteilnehmer erfasst, schaltet das Steuergerät einzelne LEDs ab oder dimmt sie in je 64 Stufen. Mercedes hat jüngst angekündigt, schon bald 84 dimmbare LED pro Scheinwerfer einzusetzen, die Reichweiten von über 600 Meter besitzen. Ziel ist es, außerorts permanent mit Fernlicht zu fahren, ohne andere zu blenden.

Eine Mercedes-Studie weist den Weg

Schon 2011 hat Mercedes ein sogenanntes Spotlight in Serie gebracht, das Passanten am Straßenrand mit einem gebündelten Lichtstrahl markieren kann. Damit hat das System den Fahrer erstmals aktiv auf mögliche Gefahrenquellen aufmerksam gemacht. Mittelfristig sollen 1024 einzeln ansteuerbare Pixel pro LED-Chip nicht nur die Sicht weiter steigern, sondern auch gezielt Muster und Zeichen auf die Straße legen.

Mercedes F 015 Luxury in Motion

Mit Hinweisen, die auf die Straße projiziert werden, kann der Mercedes F015 mit den Fußgängern kommunizieren.

(Foto: Daimler AG)

Mit der futuristischen Studie F015 hat Mercedes auf der CES gezeigt, wohin diese Entwicklung führen könnte: Große LED-Displays an Front und Heck sowie ein nach vorne gerichtetes Laser-Projektionssystem übernehmen auch Signalfunktionen. Auf dem hinteren LED-Display gehört beispielsweise die Anzeige kurzer Texthinweise an den nachfolgenden Verkehr wie "Stop" oder "Slow" zum Kommunikationsrepertoire.

Projektionen auf der Straße

Mit seinem hochpräzisen Laserprojektor in der Fahrzeugfront kann das Forschungsfahrzeug zudem Informationen in einem breiten Lichtkegel auf die Straße vor ihm projizieren. Zum Beispiel einen virtuellen Zebrastreifen, um Passanten am Straßenrand zu signalisieren, dass ein Überqueren der Straße gefahrlos möglich ist. Wie bei einer Bildröhre werden einzelne Punkte in einer so hohen Wiederholungsfrequenz angeleuchtet, dass für das menschliche Auge ein klares Muster entsteht. Mit derselben Lasertechnik im Kiloherzbereich könnten auch Navigationspfeile auf den Weg gelegt werden, um den Fahrer noch genauer durch ein Straßenlabyrinth zu leiten.

Wer geglaubt hatte, dass diese Form der Augmented Reality im Breitwandformat noch reine Zukunftsmusik ist, wurde auf der CES eines Besseren belehrt. Auch BMW zeigte mit der Vision M4 Concept Iconic Lights, wie "High Power Laser"-Dioden Fahrerinformationen direkt vor das Fahrzeug auf die Straße projizieren. Termin für die Markteinführung: "Schneller als gedacht", so Tom Hausmann, Leiter BMW Lichtvorentwicklung.

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