Chinesische Marine in Hamburg:Tag des offenen Kriegsschiffs

Chinesische Marine besucht Hamburg

Rote Fähnchen und rote Banner zur Begrüßung: Das chinesische Docklandungsschiff Changbai Shan liegt derzeit im Hafen von Hamburg.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Die chinesische Marine besucht Hamburg und lädt zum Tag der offenen Tür auf die Changbai Shan ein.
  • Die Aktion ist außergewöhnlich. Es ist das erste Mal, dass ein Teil der chinesischen Flotte besichtigt werden kann.
  • Die Besucher sind überwiegend begeistert, so mancher ist auch skeptisch.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Die entscheidenden Fragen der Weltgeschichte stellen im Zweifel Kinder, in diesem historischen Moment war es ein hellblondes Mädchen aus der zweisprachigen Hamburger Kita Kinderzimmer.

"Haben Sie gegen Piraten gekämpft?", erkundigte sich die Interessentin an Deck des chinesischen Kriegsschiffes Changbai Shan in Hamburgs Hafen, ein Betreuer glättete das Englisch. "Yeah, of course", bestätigte ein leibhaftiger Offizier aus China in dunkelblauer Uniform mit Fellkragen und beugte sich hinab . "Im Golf von Aden. Wisst ihr, wo das ist? Kennt ihr Afrika?"

Das Kinderzimmer war beeindruckt, offenbar hatten die Kämpfer unter der feuerroten Fahne die afrikanische Schlacht gut überstanden. Das Docklandungsschiff Changbai Shan sicherte gemeinsam mit Nato, UN und USA das Horn von Somalia, passierte den Suez-Kanal und liegt seit diesem Montag 210 Meter lang an der Überseebrücke nahe der Landungsbrücken, also mitten in Hamburg.

Davor parkt wie schon seit Urzeiten der Stückgutfrachter Cap San Diego, doch das laut seiner Werbung größte fahrtüchtige Museums-Frachtschiff der Welt interessierte an diesem eiskalten Donnerstag kaum jemanden. Stattdessen wollten Heerscharen diesen hellgrauen Koloss aus Fernost kapern.

So zugänglich wie eine nordkoreanische Atomanlage

Wann fährt schon mal die chinesische Marine in einer deutschen Millionenstadt vor und bittet normales Publikum vier Stunden lang zum Tag der offenen Tür? Peking herrscht über den nach der US Navy zweitbedeutendsten Flottenverband der Erde, bis 2020 soll dieser schwimmende Teil der Volksbefreiungsarmee mit 351 Schiffen noch größer sein als das Aufgebot Washingtons.

Die USA und Japan fürchten ein neues Kräfteverhältnis im Pazifik. Dem Westen ist die militärische Stärke des Reichs der Mitte trotz des gegenseitigen Kaufrausches etwas unheimlich. Durchschnittlichen Freunden der Meere schien ein echtes chinesisches Kriegsschiff bisher so zugänglich zu sein wie eine nordkoreanische Nuklearanlage.

Eine Vertretung von Chinas Seestreitkräften war bisher nur einmal an Deutschlands Küste zu Gast gewesen, 2001 im Marinestützpunkt von Wilhelmshaven. Ansonsten fallen gewöhnlich immer wahnwitzigere Containerriesen ein, die Volksrepublik ist der wichtigste Handelspartner des Hamburger Hafens. Erst kürzlich zerpflügte die 400 Meter lange CSCL Globe der China Shipping Line die noch nicht vertiefte Elbe.

"Zeichen der Zusammenarbeit und Völkerverständigung"

Auf Einladung der deutschen Marine und der Stadt Hamburg folgten nun also der Truppentransporter Changbai Shan, die Fregatte Yuncheng und das Versorgungsschiff Chaohu, die erstmals ein ziviles deutsches Ziel erreichten. Dies sei "ein Zeichen der Zusammenarbeit und Völkerverständigung", erläuterte Michael Setzer vom Hamburger Landeskommando.

Ein Beitrag zum gegenseitigen Verständnis, sprach der Konteradmiral Zhang Chuanshu, der 800 Männer und Frauen dabei hat und sich ein paar Tage lang mit deutschen Kollegen und Funktionären trifft.

Zum öffentlichen Ortstermin stellte man sich trotz der Polarkälte brav in eine lange Schlange, erklomm eine Aluminium-Treppe, begrüßte die chinesischen Sicherheitsmänner und sah sich zwanglos um. Die deutsche Polizei, Marine und Feldjäger blieben unten, ein fremdes Kriegsschiff ist eine Art exterritoriales Gebiet. Manche Gäste recherchierten trotz Sprachverwirrung beherzt. "Ist das Ihr größtes Schiff?", wollte einer wissen. Antwort: "Wir haben auch einen Flugzeugträger."

Interessierte Gäste statt Demonstranten

Sogar Fotos durften gemacht werden, innerhalb der Absperrbänder und möglichst nicht auf der begehbaren Brücke. Demonstranten, die bei dieser Gelegenheit für Meinungsfreiheit protestiert hätten, wurden nicht gesichtet. Ansonsten waren unter den Besuchern ungefähr genauso viele Chinesen wie Deutsche, beide erfreut von dieser vorläufig einzigartigen Gelegenheit.

Mit Hamburger S- und U-Bahn zu Chinas Marine, was für ein Ereignis. "Wir sind überhaupt das erste Mal auf einem Kriegsschiff", berichtete ein Herr aus Magdeburg. Früher, in Zeiten der DDR, habe er in Rostock-Warnemünde mal heimlich Kriegsschiffe vom Ufer aus fotografiert, aber die Bilder seien beim Entwickeln im Labor dann verschwunden. "Ihre Geheimnisse zeigen sie dir hier sowieso nicht", raunte ein anderer Passant verschwörerisch.

Zu sehen gab es immerhin Attraktionen wie Hubschrauberlandeplatz, Kapitänssitz und Geschütze, die nur theoretisch auf das Verlagsgebäude von Gruner & Jahr, das Musicalhaus vom König der Löwen und die Elbphilharmonie zielen. "Das sind Raketen", versicherte der Offizier den Kindern aus der Kita. Die somalische Piratenjagd ist fürs Erste vorüber und das Hamburger Gespenst Störtebeker schon länger außer Gefecht. Chinas mächtige PR-Marine reist am Wochenende weiter Richtung Niederlande.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: