Halbzeitbilanz zum Dschungelcamp:Ein Untoter macht noch keine lebendige Show

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Stets bemüht - doch am Ende reicht es nicht mal für ein Befriedigend: Walter Freiwald, Dschungelcamp-Bewohner 2015, bei einer der berüchtigten Ekel-Prüfungen. (Foto: © RTL / Stefan Menne)

Nie hatte das RTL-Dschungelcamp so viele intellektuelle Freunde. Und nie war es so langweilig. Am Lagerfeuer sitzen Persönlichkeitchen, die etwas werden wollen - aber kaum jemand, der schon mal etwas war.

Von Johanna Bruckner und Carolin Gasteiger

Am Anfang war die Erwartung. Sie war mit einem Namen verknüpft: Larissa, Nachname Marolt, jene Kandidatin, die das vergangene Dschungelcamp dominiert hatte. So wie mit ihr sollte es wieder werden. Roger Willemsen hatte sie mit Marilyn Monroe verglichen und gesagt: "Das Leben ist schön in ihr." Larissa, die ihre TV-Karriere als die Widerspenstige in Heidi Klums Model-Klitsche begann, ist also mitverantwortlich dafür, dass sich vor der neunten Dschungelcamp-Staffel selbst Intellektuelle als Fans von Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! outeten. Schauspieler Ulrich Matthes lieferte kürzlich in der FAZ die Rechtfertigung für das schamlose Glotzen gleich mit: "Die Erwachsenen im Dschungelcamp haben sich ihr Schicksal ausgesucht und werden hoch bezahlt. Dadurch ist meine Schadenfreude legitimiert."

"Amen", sagten Millionen und waren gespannt. Die PR-Maschinerie von RTL lief ja auch längst. Als die ersten Namen fürs Dschungelcamp 2015 kursierten, waren selbst Kenner der Trash-Prominenz ratlos - aber geschenkt. Wer hatte seinerzeit schon die österreichische Model-Anwärterin Larissa auf dem Schirm gehabt?

Die diesjährige Staffel krankt nun gerade daran, dass die Erinnerung an Larissa präsenter ist als alles, was die gegenwärtigen Kandidaten im Camp so darstellen. Aurelio wer? Angelina wie? Jörg, Jörn, was? Tatsächlich dürfte Glücksrad-Fee Maren Gilzer noch das bekannteste Gesicht sein.

Die Besetzung: In-House-Zweitverwertung

2015 hat RTL bei der Besetzung vor allem auf In-House-Zweitverwertung gesetzt. Aurelio Savina nahm mal bei Die Bachelorette teil, Angelina Heger bei Der Bachelor und Jörn Schlönvoigt spielt in der Vorabend-Soap Gute Zeiten, schlechte Zeiten mit. Am Lagerfeuer sitzen vor allem Persönlichkeitchen, die gerne etwas werden wollen - aber kaum jemand, der schon mal etwas war. Wo sind sie nur, die Brigitte Nielsens und Helmut Bergers?

Glossar zum Dschungelcamp
:Tarzan und Shame

Die einen hassen es inbrünstig. Die anderen gucken es - ironisch, versteht sich. Aber ignorieren lässt sich das Dschungelcamp in den kommenden 16 Tagen kaum. Eine Gebrauchsanweisung.

Von Johanna Bruckner

Wenn die Unbekannten unter den wenig Bekannten doch wenigstens Ecken und Kanten oder das Entscheidende verstanden hätten: Im Dschungel geht es nicht darum, den Ekel vor Kakerlaken oder Kamelhoden einfach nur zu ertragen. Der ganze viel gescholtene Schwachsinn will zelebriert werden! Die Kandidaten müssen die ihnen zugeschriebenen Rollen mit Leben füllen können - das ist dann gutes Casting.

Im vergangenen Jahr war Larissa Marolt viel mehr als nur die Campzicke und Winfried "Old Grumpy" Glatzeder, wie ihn Willemsen nannte, machte aus der Rolle "armer alter Mann" einen Gift spritzenden Bärbeiß.

Zur unterhaltsamen Sozialstudie machten das Camp damals auch Exhibitionismus, anzüglicher Talk am Lagerfeuer oder handfester Streit. In der aktuellen Staffel sorgten bis zur Halbzeit allenfalls Walter Freiwalds Ambitionen als Bundespräsident für hochgezogene Augenbrauen. Aber schlüpfrig, streitbar oder einfach nur über alle Maßen nervig? So geriert sich hier niemand, es herrscht unerträgliche Leblosigkeit. Versuchte 2014 nur Tanja Schumann, sich durch eine komplette Staffel zu schweigen, tun das nun fast alle.

Gewöhnlichstes Reality-TV

Der einzige Untote muss alle Dschungel-Charaktere in sich vereinen: Ex-"Der-Preis-ist-heiß"-Assistent Freiwald gibt mal den desillusionierten Entertainer, mal den Pubertierenden mit Pups-Humor, er braust auf, um im nächsten Moment traurig in sich zusammenzusinken, das ewige Dschungelprüfungsopfer. Da mag einer beherzt versuchen, was schon einmal funktioniert hat - reicht aber nicht an Wahnsinn und Genie einer Larissa Marolt.

Und vor dem Fernseher entsteht der Eindruck einer vergeblichen Inszenierung, eines Dschungelcamps ohne Metaebene, gewöhnlichstes Reality-TV. Langweilig und zum Abschalten. Da hilft auch mehr Sendezeit für die unverändert spitzzüngigen Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich nicht. Deren Kommentierung ist nur so böse, wie die Kandidaten gut sind.

© SZ vom 24.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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