Bayern-Profi Mitchell Weiser:Talent aus tausendundeiner Nacht

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Sehr engagiert in Katar: Mitchell Weiser. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Mitchell Weiser, 20, galt als Gewinner der Vorbereitung des FC Bayern in Katar. Dass er sich in die Bundesliga-Stammelf spielen wird, ist dennoch unwahrscheinlich. So erging es bereits einigen Talenten.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Im Wüstenstaat Katar sind Luftspiegelungen gewissermaßen Kulturgut. Wenn Sonne und Hitze den Horizont verschwimmen lassen, entsteht als optische Täuschung jene berühmte Fata Morgana, die vorgaukelt, was gar nicht wirklich existiert. Wenn die Fußballer vom FC Bayern München in Katars Hauptstadt Doha alljährlich im Januar ihr Wintertrainingslager zelebrieren, dann verwaschen mediale Luftspiegelungen den Klub schon mal zu einer Oase der Talente, die jedes Jahr im Januar ausgerechnet im Wüstenstaat ihren vermeintlichen Durchbruch erzielen.

Aber wenn die Münchner dann wieder daheim in Deutschland sind, erweist sich die Darstellung von der Entpuppung der jungen Prinzen oft als Geschichte aus tausendundeiner Nacht. Vor einem Jahr wurde im Trainingslager in Doha den jungen Bayern-Spielern Alessandro Schöpf, Ylli Sallahi, Pierre-Emile Hojbjerg und Julian Green der Durchbruch prophezeit.

Aber wenn jetzt bald die Rückrunde der aktuellen Saison beginnt, dann spielt Schöpf beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg, Sallahi beim Zweitligisten Karlsruher SC, Hojbjerg beim Bundesligisten FC Augsburg und Green beim Hamburger SV - wenn er dort mal überhaupt mit auf die Ersatzbank darf. Green hat beim HSV nämlich schon in der Hinrunde überhaupt keine Rolle gespielt.

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In Bochum spielte der Doha-Gewinner keine Rolle

Im Ruhrgebiet gibt es keine Luftspiegelungen. "Tief im Westen", singt Herbert Grönemeyer, "wo die Sonne verstaubt". Das Lied wird vor jedem Heimspiel des VfL Bochum gespielt. Im Ruhrgebiet stehen die bodenständigen Menschen optischen Täuschungen eher skeptisch gegenüber. Auch für den Münchner Jungfußballer Mitchell Weiser ist am Freitagabend in Bochum die katarische Sonne verstaubt.

In Doha war der 20-jährige Rechtsaußen eine Woche zuvor noch als großer Gewinner des FC-Bayern-Trainingslagers gefeiert worden, weil er in einem Testspiel gleich zwei Tore geschossen hatte; so mancher Beobachter glaubte, der seit 2012 beim FC Bayern weilende und einst als größtes deutsches Talent gehandelte Bursche aus dem rheinischen Troisdorf feiere nun - endlich - seinen Durchbruch.

Aber auch diese Geschichte dürfte sich spätestens im kommenden Sommer als Fata Morgana erweisen. Am Freitag, als die Münchner zum finalen Testspiel vor der Rückrunde beim Zweitligisten VfL Bochum auftraten und vor 30.000 Zuschauern 5:1 gewannen, spielte Mitchell Weiser nach seiner späten Einwechslung in der 74. Minute keine relevante Rolle mehr. Der zuletzt noch als Wüstenprinz gefeierte Jungspund wird bis zu seinem Vertragsende am 30. Juni wohl wieder nur die Rolle des verschleppten Talents übernehmen und von der kommenden Saison an vermutlich für einen anderen Erst- oder gar Zweitligisten auflaufen.

Der FC Bayern wirkt manchmal wie eine Gärtnerei, die durchaus eifrig Obst und Gemüse aussät, bloß um die schönsten Früchte im Zweifelsfall später doch lieber auf dem Markt zum kaufen als aus den eigenen Beeten zu ernten. Schöpf und Sallahi sind zwei dieser Eigengewächse, die lieber exportiert wurden. Hojbjerg und Green sind immerhin nur ausgeliehen, weil sie vielleicht zurückkehren sollen, irgendwann.

Weiser hingegen wird im Sommer vermutlich aus München fortgehen. Seine drei Jahre hier, in denen er ein halbes Jahr an den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern ausgeliehen war, ansonsten meistens in der Regionalliga-Mannschaft zum Einsatz kam und nur fünf Mal in der Bundesliga-Mannschaft mitspielen durfte, findet Weiser dennoch lehrreich - immerhin hat er unter der Leitung des Lehrmeisters Pep Guardiola trainiert und dabei sowohl taktisch als auch mental viel gelernt.

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Am Freitag in Bochum hat Guardiola gezeigt, auf welche Startformation er am kommenden Freitag setzen wird, wenn seine Bayern beim Tabellenzweiten VfL Wolfsburg die Rückrunde eröffnen. Fraglich ist dabei bloß noch, ob der genesene David Alaba bereits den Vorzug vor Juan Bernat in der linken Verteidigung erhält und ob im zentral-offensiven Mittelfeld Thomas Müller anfangen darf oder Mario Götze.

Alle anderen Positionen scheinen vergeben zu sein: an Dante, Boateng, Alonso, Schweinsteiger, Robben, Ribéry und Lewandowski - und hinten rechts wird Rafinha spielen. Und nicht der Wüstenprinz Weiser.

© SZDigital vom 24.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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