Steinmeier im Ukraine-Konflikt:Der deutsche Außenminister und sein Zorn

Steinmeier in Marokko

Frank-Walter Steinmeier gibt während einer viertägigen Reise durch die Maghreb-Staaten in Nordafrika ein Statement bezüglich des blutigen Granatüberfalls auf Zivilisten an einer Bushaltestelle in Donezk ab.

(Foto: dpa)
  • Frank-Walter Steinmeier ist wütend wegen der Entwicklungen in der Ukraine und der Reaktionen aus Moskau und Kiew.
  • Bisher wählte der Außenminister stets diplomatische Worte. Doch nach einem Angriff in Donezk platzt ihm der Kragen.
  • Seit Monaten wird Steinmeier als Vermittler akzeptiert und benutzt, allerdings mit wenig Erfolg.

Von Stefan Braun

Er ist schockiert, er ist verärgert, er spricht von Kriegstreiberei - nach der jüngsten Brutalität im Ostukraine-Konflikt hat am Freitag auch Frank-Walter Steinmeier seine Tonlage verändert. Noch als ihn am Donnerstag erste Meldungen über die Toten an einer Bushaltestelle in Donezk erreichten, bemühte er sich, in einigermaßen ruhigen Worten um Einsicht und Verständigung zu werben.

Doch als weder Moskau noch Kiew der Gewalt mit friedlichen Botschaften entgegentraten, sprach auch aus dem deutschen Außenminister Frust und Ärger. Noch am Mittwochabend war er Gastgeber für einen neuen Anlauf der Annäherung gewesen. Umso mehr ärgert ihn, dass diese Mühen fürs Erste wieder nichts gebracht haben.

Dabei hatte er am Donnerstagmittag, zu Beginn eines Marokko-Besuchs, noch gedacht, das Berliner Treffen vom Vorabend könnte dieses Mal wirklich weiterhelfen. Also reagierte Steinmeier auf den verheerenden Granateinschlag in Donezk, wie er so gut wie immer reagiert: Er wählte diplomatische Worte, mahnte die Konfliktparteien, forderte Zurückhaltung und erinnerte an die Verabredungen vom Vorabend.

Steinmeiers Botschaft zu diesem Zeitpunkt: Die neue Gewalt ist grausam und ärgerlich, trotzdem ist es richtig und wichtig, jetzt erst recht auf die neusten Abmachungen zu setzen.

Schockiert von neuem Angriff

Nur wenige Stunden später ist dem gleichen Frank-Walter Steinmeier der Kragen dann doch geplatzt. Und der Ärger anzumerken. Zu offensichtlich haben ausgerechnet jene, die er einen Abend zuvor noch in Berlin bewirtet hatte, keinerlei Anstalten gemacht, den mörderischen Angriff von Donezk als Anlass für entschlossene Friedenssignale zu nutzen.

,,Schockiert'' sei er von dem Angriff. ,,Skrupellose Gruppen'' hätten keinerlei Interesse an einem Ende der Gewalt, würden alle Friedensbemühungen ,,hintertreiben''. Sollten Moskau und Kiew ihr Bekenntnis zu einer politischen Lösung ernst meinen, dann müssten sie ,,jetzt aufstehen'': Sie müssten jetzt die Spirale der Gewalt stoppen, sie müssten jetzt die Vereinbarung zum Rückzug schwerer Waffen umsetzen.

Sie dürften die ,,vielleicht letzte Chance'' für eine friedliche Lösung nicht verpassen. Wer Steinmeier kennt, weiß: Zum ersten Mal ist ihm in dieser Krise die Galle übergelaufen.

Steinmeier wusste seit langem, dass er mit derlei rechnen musste. Er wusste, dass so etwas passieren könnte. Mitten hinein in einen neuen Anlauf zur Lösung würden Separatisten oder Soldaten versuchen, eine Lösung sprichwörtlich zu torpedieren, weil sie sich vom Kämpfen mehr versprechen. Im Nahostkonflikt gibt es so etwas seit Jahrzehnten. Im Ukrainekonflikt hätte Steinmeier das gerne vermieden. Jetzt ist es ihm widerfahren.

Er würde am liebsten auf den Tisch hauen

Umso mehr hat er sich geärgert, dass Moskau und Kiew auf die neue Gewalt nicht angemessen, nicht anders als sonst immer, reagiert haben. Immerhin waren es dieses Mal ja seine Kollegen Sergeij Lawrow in Moskau und Pavlo Klimkin in Kiew gewesen, die ihn ausdrücklich um das Berliner Treffen gebeten hatten. Da kann man sich schon verraten fühlen. Steinmeier würde das so zwar nie ausdrücken. Nichtsdestotrotz dürfte das im Augenblick das vorherrschende Gefühl sein.

Seit Monaten wandelt Berlin und allen voran der Außenminister auf einer schmalen Klippe. Einerseits wird er als Vermittler akzeptiert und benutzt, andererseits gibt es bis heute neben winzigen Fortschritten immer wieder große Rückschläge. Entsprechend ungleichgewichtig sind Einsatz und Ertrag - was regelmäßig die Frage aufwirft, wie viele Demütigungen er eigentlich noch aushalten möchte.

Dass er am liebsten auf den Tisch hauen würde, ist kein Geheimnis. Dass er nicht einfach hinschmeißen kann, ist ebenso offensichtlich. Täte er es, würde er einen ungelösten Konflikt, vor allem aber ein sehr angeschlagenes Land wie die Ukraine gegen einen ungleich größeren Widersacher wie Russland alleine lassen. Das wird er nicht machen. Aber er spricht jetzt von ,,Kriegstreibern'' - und meint die pro-russischen Separatisten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: