Deutsche Handballer bei der WM in Katar:Plötzlich treffen auch Sellin und Musche

Qatar 2015 M56 KSA vs GER

Stark unterwegs: Matthias Musche (links).

(Foto: dpa)

Lockerleicht ins Achtelfinale: Bei der Handball-WM in Katar fegt die deutsche Nationalmannschaft über Saudi-Arabien hinweg - zwei Ergänzungsspieler überzeugen mit überragender Quote. Im Achtelfinale wartet nun Ägypten.

Von Joachim Mölter, Doha

Das ging ja schnell für den Handballer Matthias Musche, 22, Linksaußen vom SC Magdeburg: Am Freitagabend noch mehr oder weniger Tourist bei der WM in Katar als einer von zwei zusätzlichen Spielern, die der Bundestrainer Dagur Sigurdsson vorsichtshalber mitgenommen hatte - 24 Stunden später schon als "Spieler des Spiels" ausgezeichnet.

Beim 36:19 (18:8) über Saudi-Arabien erzielte Musche elf Tore, genauso viel wie der Kollege Johannes Sellin auf der rechten Angriffsseite, aber er leistete sich dabei nur einen einzigen Fehlwurf - besser kann ein WM-Debüt kaum verlaufen. "Ist natürlich cool gelaufen", sagte Musche.

Der Magdeburger hatte erst am Abend vorher Bescheid bekommen, dass er für den Rückraumspieler Fabian Böhm in den 16-Mann-Kader aufrücken würde. Dagur Sigurdsson wollte seinem Kapitän Uwe Gensheimer eine Pause gönnen, weil der die vorangegangenen 240 Spielminuten bei dieser WM fast durchgespielt hatte.

Dafür machte der Isländer Gebrauch von einer seiner zwei Wechseloptionen während des Turniers. Aber im Grunde wechselte er für das abschließende Vorrundenspiel gegen Saudi-Arabien seine ganze Mannschaft aus. Von der Stammformation stand nur Spielmacher Martin Strobel in den ersten Minuten auf dem Feld, und auch der durfte bald auf der Bank Platz nehmen und zuschauen.

Gruppensieg mit B-Team gesichert

Die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) sicherte sich also mit einem B-Team Platz eins in der Gruppe D und trifft nun im Achtelfinale am Montag auf den Vierten der Gruppe C, Ägypten. "Wir sind überglücklich", sagte Sellin: "Dass wir Gruppensieger werden, hatte keiner erwartet, auch wir nicht." Die deutsche Mannschaft war ja nur mittels einer Wildcard ins Turnier nachgerückt, wie Saudi-Arabien übrigens auch. Aber im Gegensatz zum Nachbarn des WM-Gastgebers Katar rechtfertigten die deutschen Handballer ihre Zulassung mit ihrer sportlichen Leistung"

Warum Saudi-Arabien, der Sechste der Asienmeisterschaft, in Doha mitmachen durfte und nicht eines der besser platzierten Teams der Kontinentalmeisterschaft, blieb bis zum Schluss rätselhaft. In Doha hat Saudi-Arabien jede Partie hoch verloren, die Mannschaft war mit den kleinsten Akteuren aller 24 Teams angereist, keiner größer als 1,85 Meter, einen Linkshänder für den Rückraum hatten sie auch nicht dabei.

Saudi-Arabiens Spieler trauern um König Abdullah

Vor dem Spiel gegen Deutschland wurde die Mannschaft dann noch vom Tod ihres Königs Abdullah erschüttert. Es ging bereits das Gerücht um, dass die Spieler gar nicht mehr antreten wollten und ihre Koffer schon gepackt hatten. Sie waren dann aber doch da, bei ihrer Nationalhymne hielten sie ein mannsgroßes Transparent hoch mit dem Bild ihres verstorbenen Herrschers und der Aufschrift "Wir trauern um unseren König".

Auf dem Spielfeld leisteten sie anschließend wenig Gegenwehr, "sie waren auch einigermaßen platt, weil sie schon vier Spiele in den Beinen hatten", sagte Bundestrainer Sigurdsson.

Er konnte also bedenkenlos seinen Ersatzspielern etwas Einsatzzeit gönnen. Kreisläufer Erik Schmidt hatte bereits nach zehn Minuten fünf seiner letztlich acht Tore erzielt, Sellin kam bis zur Pause auf sieben. Und als das deutsche Spiel zu Beginn der zweiten Halbzeit ins Stocken kam, machte der frische Musche es wieder flott.

Ein uns andere Mal wurde er von Ersatz-Regisseur Michael Kraus angespielt, immer wieder auf die gleiche Weise, insgesamt neunmal traf er nach der Pause. Er und Sellin kamen mit ihren je elf Toren in diesem Spiel allein auf fast so viele Tore wie Saudi-Arabiens bester Torjäger Hassan Aljanabi im gesamten Turnier (zwölf). Der Sieg gegen Saudi-Arabien war also schon wenige Minuten nach der Schlusssirene keine Rede mehr wert, die DHB-Akteure dachten schon an den Achtelfinal-Gegner Ägypten, von dem sie mehr Gegenwehr erwarten.

Respekt vor Ägypten

"Sie gehen in der Abwehr an die Grenze des Erlaubten", hat Kapitän Gensheimer bei dieser WM beobachtet, "sie kommen mit viel Kraft und Power", fügt Bundestrainer Sigurdsson hinzu. "Dass wir Gruppensieger geworden sind, bedeutet gar nichts", findet WM-Neuling Musche: "Wir dürfen keinen Zentimeter weniger laufen und nicht nachlassen." Denn, so bilanzierte DHB-Präsident Bernhard Bauer: "Wir werden auch gegen die Zuschauer anspielen müssen." Die ägyptischen Fans stellen in Doha neben den einheimischen Katarern das bislang größte Kontingent.

"Vielleicht ist es ja ein Vorteil für uns, dass die Jungs, die sonst mehr gespielt haben, sich heute etwas ausruhen konnten", glaubt Erik Schmidt. Matthias Musche wird voraussichtlich wieder zuschauen müssen, diesmal immerhin auf der Ersatzbank. Der Stammplatz von Uwe Gensheimer scheint jedenfalls nicht in Gefahr zu sein, trotz Musches elf Toren. Gensheimer ist ja nicht nur Kapitän, sondern mit seinen 24 Treffern auch immer noch der erfolgreichste deutsche Torjäger bei diesem Turnier.

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