Firmengründungen in Deutschland:Große Klappe, wenig Schneid

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  • Die Deutschen sind eher bereit, ein Unternehmen zu gründen, als die US-Amerikaner.
  • Allerdings setzen sie ihre Wünsche seltener in die Tat um.
  • Gründe dafür sind vor allem Punkte wie fehlendes Kapital und Bürokratie. Auch die Furcht vor dem Scheitern spielt eine Rolle.

Von Elisabeth Dostert

Ach diese Deutschen: Große Klappe und dann fehlt ihnen, wenn es wirklich zur Sache geht, der Schneid. So lassen sich die Ergebnisse einer repräsentativen Studie der Markt- und Meinungsforschungsfirma Yougov im Auftrag des Versicherungskonzerns Axa zusammenfassen. Verglichen wurde das Gründungsgeschehen in Deutschland und den Vereinigten Staaten - mit einigen erstaunlichen Ergebnissen.

Die Gründungsbereitschaft in Deutschland etwa ist höher als in den USA, das hat Thilo Schumacher, Mitglied im Vorstand der Kölner Axa Konzern, überrascht. 44 Prozent der befragten Deutschen trauen sich "grundsätzlich" zu, eine eigene Firma zu gründen, in den USA waren es "nur" 42 Prozent. Noch größer waren die Unterschiede in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen, da würden sich 47 der Deutschen trauen und 41 Prozent der Amerikaner. "Den Unterschied machen die Frauen", erläutert Schumacher. Die deutschen Frauen sind deutlich gründungsaffiner als US-Amerikanerinnen. Warum dem so ist, das konnte diese Studie nicht klären. Das Ergebnis hatte so keiner erwartet, deshalb waren auch keine Fragen zur Aufklärung vorgesehen.

Deutschland ist kein Gründerland

Die Deutschen würden schon wollen, aber sie tun es dann doch nicht. Deutschland ist kein Gründerland, das belegen viele Studien, wie die des Forschungskonsortiums Global Entrepreneurship Monitor (GEM). Der jüngste Bericht basiert auf Daten für das Jahr 2013. Maßstab ist die sogenannte TEA-Quote, sie misst bezogen auf die gesamte Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren den Anteil der "werdenden Gründer" und Gründer junger Unternehmen, die nicht länger als 3,5 Jahre Gehälter, Gewinne und Sachleistungen aus Firmen beziehen, deren Inhaber oder Teilhaber sie sind. Unter den innovationsbasierten Volkswirtschaften, die sich unter anderem durch höhere Ausgaben für Bildung und Forschung auszeichnen, bringt es Deutschland auf 4,98 Prozent, die USA auf 12,73 Prozent.

"In Deutschland gibt es zwar ein großes Potential für vermehrte Unternehmensgründungen`, sagt Axa-Mann Schumacher: Bei der letztlichen Umsetzung sind die Menschen hierzulande aber weit ängstlicher als die US-Amerikaner." Es gibt jede Menge "Abers", die sie von der Selbständigkeit abhalten. Das größte Hemmnis sei das "fehlende Kapital" - 72 Prozent der Deutschen beklagen das, aber nur 58 Prozent der Amerikaner.

Warum hierzulande die Hemmung groß ist

Sehr viel größer ist auch die Furcht der Deutschen vor dem Scheitern. "Es gibt dies- und jenseits des Atlantiks eine unterschiedliche Kultur des Scheiterns", sagt Schumacher: "Selbstständige haben es in Deutschland viel schwerer, in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren, erst recht wenn die Unternehmensgründung missglückt ist oder gar mit einer Insolvenz endete." In vielen Unternehmen gebe es erhebliche Vorbehalte, ob sich der "Freigeist" wieder in die Unternehmensabläufe einfinden könne. Und in den Führungsetagen überwiege nicht selten das Vorurteil, so gut könne der Bewerber doch gar nicht sein, wenn er schon eine Pleite hingelegt hat. In den USA hingegen gelten Gründer, selbst gescheitere, aufgrund der der gewonnenen Erfahrungen als besonders qualifiziert. "Sie sind vielfach begehrte Mitarbeiter."

Höher als in den USA ist allerdings die Wertschätzung, die die deutsche Bevölkerung Gründern entgegenbringt. Die Hälfte der gut Tausend im Oktober 2014 von Yougov in Deutschland Befragten gab an, dass das gesellschaftliche Ansehen von Gründern höher sei als das von Angestellten, für 27 Prozent ist die Anerkennung gleich hoch. In den USA lagen die Quoten bei 38 und 28 Prozent.

Irritierende Einblicke in das Weltbild von Axa und Yougov

Axa-Vorstand Schumacher, 39 und Betriebswirt, hat nie eine eigene Firma gegründet. "Gründer brauchen eine perfekte Idee und ein perfektes Team", sagt er: "Leider fehlte mir die zündende Idee. Und eine Unterstützung für Gründer wie es sie heute gibt, gab es vor zehn oder fünfzehn Jahren auch noch nicht." Dafür hat Schumacher nach ersten Jahren bei McKinsey eine Bilderbuchkarriere in der Versicherungswirtschaft hingelegt.

Die Studie liefert auch irritierende Einblicke in die Weltbilder von Axa und Yougov. Auf die Idee, Frauen zu fragen, warum sie so gründungsaffin sind, kamen beide zwar nicht. Das Ansehen von Gründern und Gründerinnen bei Frauen war Versicherer und Marktforschern aber eine gesonderte Frage wert. Die Antwort fällt ähnlich aus wie im gesamten Panel. Die konsequente Frage, ob Männer gründen, um Frauen zu gefallen, wurde nicht gestellt.

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