Prozess um Stromanbieter:Teldafax-Verteidigung beantragt Einstellung des Verfahrens

Prozess um Stromanbieter: Teldafax sponserte einst Fußballklubs wie Bayer Leverkusen.

Teldafax sponserte einst Fußballklubs wie Bayer Leverkusen.

(Foto: Imago)
  • Drei ehemalige Manager des insolventen Energie-Discounters Teldafax stehen vor Gericht.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gewerbsmäßigen Betrug, Insolvenzverschleppung und Bankrotthandlungen vor.
  • Sie sollen unter anderem Hunderttausende Kunden geschädigt haben, weil diese Teldafax Vorauszahlungen für die Lieferung des vermeintlich günstigen Stroms geleistet hatten.
  • Zwei der Manager wollen sich nicht zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern, einer ist dagegen bereit auszusagen. Die Verteidigung verlangte die Einstellung des Verfahrens.

Von Jannis Brühl, Bonn

Fast sieht es so aus, als wollten es die Staatsanwälte der Verteidigung heimzahlen, dass sie das erste Verfahren vor einem Jahr gekippt hat. Zu Beginn des neuen Teldafax-Prozesses am Montag in Bonn fordern sie jedenfalls, das Gericht solle zwei der Angeklagten doch bitte zusätzliche Pflichtverteidiger zur Seite stellen. Die Wahlverteidiger von Klaus Bath und Michael Josten seien zu alt und zu gebrechlich. Einer der beiden Anwälte habe im vergangenen Jahr einen "augenscheinlichen Gewichtsverlust" erlitten. Kopfschütteln auf der Anklagebank. Der vermeintlich dünner gewordene Anwalt findet das schlicht "unverschämt".

Mit diesem ungewöhnlichen Antrag hat die Verhandlung einer der spektakulärsten Unternehmenspleiten Deutschlands begonnen: der Fall Teldafax. Es ist die zweite Auflage des Verfahrens. Vor einem Jahr hatten die Verteidiger Erfolg mit einer sogenannten Besetzungsrüge. Elf Monate musste das Verfahren deshalb ausgesetzt werden. Nun stehen die drei ehemaligen Teldafax-Vorstände Klaus Bath, Michael Josten und Gernot Koch erneut vor Gericht.

Was den Angeklagten vorgeworfen wird

246 Fälle hat die Anklage zusammengetragen. Sie stehen exemplarisch für den Schaden, der durch eine der größten Insolvenzen der deutschen Wirtschaftsgeschichte entstanden ist. Mehr als 700 000 Kunden haben bei der Pleite des Billigstromanbieters Teldafax vor drei Jahren Geld verloren - insgesamt geht es um eine Summe von etwa 500 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft wirft den ehemaligen Vorständen Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßigen Betrug und Bankrotthandlungen vor.

Nach der Öffnung der Strommärkte vor gut zehn Jahren war Teldafax mit billigen Tarifen schnell gewachsen. Das Geschäftsmodell war von Anfang an riskant: Die günstigen Konditionen finanzierte Teldafax mit den Vorauszahlungen einer immer größeren Zahl von Neukunden. Verluste wurden bewusst in Kauf genommen; Strom und Gas wurden teilweise unter Einkaufspreise an die Kunden abgegeben. 2011 meldete Teldafax schließlich Insolvenz an.

Geklärt werden muss nun, ob das Unternehmen bereits vorher pleite gewesen ist. Die Anklage ist davon jedenfalls überzeugt. Die Angeklagten hätten den Insolvenzantrag zwei Jahre zu spät gestellt, tragen die Staatsanwälte vor. Das Unternehmen sei 2011 ein einziges Chaos gewesen. 240 000 ungeöffnete Briefe lagen etwa herum, als der Insolvenzverwalter in die Zentrale kam.

Warum der erste Prozess gescheitert ist

Nachdem die Anklage verlesen ist, stellen die Verteidiger von Klaus Bath und Michael Josten ebenfalls einen forschen Antrag: Das Verfahren müsse eingestellt werden, ja es hätte niemals eröffnet werden dürfen, tragen sie vor. Die Anwälte versuchen, den Prozess mit einer ähnlichen Strategie aufzuhalten wie beim ersten Verfahren im März vergangenen Jahres. Das endete schon nach zwei Sitzungen, das Gericht erklärte sich damals nach einem Antrag der Verteidigung für nicht zuständig. Weil die eigentlich zuständige Wirtschaftskammer des Landgerichts überlastet gewesen war, war für den Teldafax-Prozess kurzfristig eine Hilfsstrafkammer eingerichtet worden.

Ein solches Gericht darf zur kurzfristigen Entlastung eingesetzt werden, nicht aber für einen längerfristigen Prozess. Deshalb bestand die Gefahr, dass der Bundesgerichtshof ein Urteil hätte kippen können. Um dies zu vermeiden, musste der Prozess neu aufgelegt werden. Die Verteidigung argumentiert nun: Dass das nicht zuständige Gericht das Verfahren eröffnet habe, sei ein so schwerwiegender Mangel, der durch die Einsetzung einer neuen Kammer nicht "geheilt" werden könne. Eine komplett neue Anklage sei daher nötig. Entschieden wird über den Antrag wohl am kommenden Montag. Sollte er abgeschmettert werden, dürfte es eine zähe Verhandlung werden.

Wie die Angeklagten auftreten

Die Angeklagten Josten und Bath zeigen sich am Montag jedenfalls wenig kooperativ, Bath macht nicht einmal persönliche Angaben. Die Details seines Lebens rekonstruieren die Richter mühselig aus E-Mails und Auszügen aus Handelsregistern. Schließlich bittet Baths Verteidigung die Richter inklusive der Schöffen, anzugeben, ob sie oder ihre Verwandten Teldafax-Kunden gewesen seien. Das Unternehmen hatte letztlich so viele Kunden, dass ein Glückstreffer dabei sein könnte - und ein Richter dann für befangen erklärt werden könnte.

Anders tritt Gernot Koch auf, der dritte Angeklagte. Er ist groß, schlank und im gut geschnittenen Anzug erschienen. Ihm hat die Staatsanwaltschaft ein Angebot gemacht: Packt er aus, kommt er mit einer Bewährungsstrafe davon - und muss mit 200 bis 250 Sozialstunden rechnen. Es wäre ein eleganter Abgang.

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