Kollaps in Schweizer "Tagesschau":Gewappnet für das "Havarie-Szenario"

Lesezeit: 2 min

Cornelia Boesch in den Schweizer Nachrichten (Foto: dpa/SRF)
  • Die Schweizer Tagesschau-Moderatorin Cornelia Boesch war am Sonntagabend während laufender Sendung zusammengebrochen.
  • Die 39-Jährige hat eigenmächtig entschieden, die Sendung trotz Krankheit moderieren zu wollen. Wenige Minuten vorher hätte man dem Redaktionsleiter zufolge noch Ersatz finden können.
  • ARD und ZDF sind auf solche Notfallszenarien vorbereitet; in der ARD spricht man sogar vom "Havarie-Szenario".

Von Carolin Gasteiger

Cornelia Boesch dürfte es am Sonntagabend gegangen sein wie vielen Arbeitnehmern. Sie fühlte sich nicht gut, hatte sogar ein wenig Fieber, schleppte sich aber nach dem Motto "Ach, das wird schon gehen" ins Büro. Im Gegensatz zu vielen Angestellten, die ihre glühenden Wangen hinterm Bildschirm verstecken, musste die 39-Jährige allerdings einer ganzen Nation die heiße Stirn bieten. Sie moderiert seit vier Jahren die Schweizer Tagesschau und die sehen jeden Abend etwa 600 000 Zuschauer.

Am Sonntagabend passierte nun, was nicht passieren sollte. Boesch brach in der Sendung während einer Live-Schalte nach Griechenland zusammen. Spontan übernahm Sascha Ruefer, der jeden Sonntag die Sportnachrichten vorträgt. Ruefer erklärte den Zuschauern schließlich auf Regieanweisung, dass seine Kollegin Boesch erkrankt sei und die Sendung vorzeitig beendet werde - es war das erste Mal in 61 Jahren.

"Das bisschen Fieber steck' ich weg"

Auf Situationen wie diese war der Schweizer Rundfunk nicht vorbereitet, obwohl die Beteiligten wussten, dass Boesch sich nicht wohl fühlte. "Cornelia Boesch ist eine erfahrene Moderatorin und hat selbst entschieden, dass sie die Sendung machen will", erklärt Redaktionsleiter Urs Leuthard Süddeutsche.de. "Ein paar Minuten vor der Sendung hätten wir noch eingreifen und für Ersatz sorgen können." In dem Fall habe man aber keinen Grund gesehen, einzugreifen. Und Boesch selbst gab im Nachhinein auf Twitter zu: "Das bisschen Fieber steck' ich weg, dachte ich."

Nachrichtenmoderatoren sorgen gerade in täglich wiederkehrenden Formaten wie der Tagesschau für einen hohen Wiedererkennungswert und so für eine hohe Bekanntheit beim Zuschauer. Was aber, wenn jemand ausfällt? In der Schweiz hätten die Zuständigen "vielleicht noch schneller reagieren können. Wir werden unsere Workflows nochmals überprüfen", sagt der Redaktionsleiter. Aber für ein Notfall-Szenario, das für jeden Moment an 365 Tagen im Jahr Ersatz bedeutet, sieht Leuthard keine Notwendigkeit.

Von Moderationsteams bis zum "Havarie-Szenario"

Anders halten es die deutschen Schwestersender. Im ZDF gehe das heute journal mit Moderationsteams in die Sendung, erklärt Sprecher Thomas Hagedorn auf Anfrage. "Falls es nötig sein sollte, würde die Ko-Moderatorin für den Moderator einspringen und umgekehrt." Geprobt werde diese Notsituation allerdings nicht, "schlicht in der Hoffnung, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen vor der Kamera einer guten Gesundheit erfreuen", sagt Hagedorn. Auch bei der Nachrichtensendung heute stünden Ersatzkollegen bereit, die im Notfall einspringen könnten. "Abhängig vom Verlauf, also vom Zeitpunkt in der Sendung, würde die heute-Redaktion dann entscheiden, ob abgebrochen wird oder ein Ersatz-Kollege übernehmen könnte", so Hagedorn.

So weit das ZDF. In der ARD spricht man hingegen von einem "Havarie-Szenario". Und das sieht so aus: Fällt eine Sprecherin oder ein Sprecher während der laufenden Tagesschau aus, liest der Off-Sprecher sämtliche Texte. "Er (oder sie) spricht normalerweise ausschließlich die Texte der kurzen Nachrichtenfilme live aus dem Off", erläutert Martin Gartzke vom NDR, der für die Tagesschau zuständigen Landesrundfunkanstalt. Ins Bild würde der Off-Sprecher allerdings auch im Havariefall nicht rücken; stattdessen würden die Hintergrund-Illustrationen der einzelnen Meldungen im Vollbildmodus gezeigt, heißt es. Abbrechen müsste man die Sendung dann auf jeden Fall nicht.

Cornelia Boesch geht es ihrem Redaktionsleiter zufolge den Umständen entsprechend gut: Auch die Kollegen von ARD und ZDF wünschen der 39-Jährigen gute Besserung. Und Sascha Ruefer findet auf Twitter besonders herzliche Worte für seine Kollegin: "Mit Dir ist's halt nie langweilig."

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