Umbau bei Siemens:Keiner stoppt Kaeser

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Siemens-Chef Joe Kaeser sortiert seinen Vorstand nach eigenem Gusto neu - und ist nun umringt von Vertrauten.

(Foto: AFP)
  • Siemens-Chef Joe Kaeser hat in kurzer Zeit viel Macht angehäuft, so viel wie kaum ein Manager.
  • Mittlerweile gibt es nur noch wenige, die sich trauen, ihm zu widersprechen. Für Kaeser ist das gefährlich: Macht er einen Fehler, schadet das dem ganzen Konzern.

Kommentar von Christoph Giesen

Sie ist lang, die Liste der Opfer des Joe Kaeser: Als erste musste Arbeitsdirektorin Brigitte Ederer gehen, dann flogen Peter Solmssen und Barbara Kux. Im vergangenen Mai endete die Karriere des selbstbewussten Energievorstandes Michael Süß. Nun verlässt der langgediente Medizintechnik-Chef Hermann Requardt das Unternehmen vorzeitig.

Seit anderthalb Jahren ist Joe Kaeser im Amt als Siemens-Chef. Und selten hat ein Manager in Deutschland in so kurzer Zeit so viel Macht angehäuft wie Kaeser. Fünf Vorstände wechselte er aus, die freien Posten besetzte er allesamt mit Getreuen. Vor einem Putsch aus den eigenen Reihen wie er Vorgänger Peter Löscher ereilte, ist Kaeser natürlich gefeit. Dafür besteht nun die Gefahr, dass der Vorstand zu stark auf den Siemens-Chef ausgerichtet ist.

Es gibt nur noch wenige, die sich trauen, intern dem Chef zu widersprechen, und immer mehr Siemensianer halten sich zurück, wenn es darum geht, eigene Vorstellungen über die Ausrichtung des Konzerns einzubringen. Siemens steht und fällt mit Kaeser - und das ist nicht gut. Macht der Boss einen Fehler, kann der gesamte Konzern Schaden nehmen. Und riskante Entscheidungen hat Kaeser in den vergangenen Monaten etliche gefällt. Er war es, der seine Mannen in die Übernahmeschlacht um den angeschlagenen französischen Industriekonzern Alstom trieb.

Kaeser zahlte für den Konzern Dresser zuviel. Niemand stoppte ihn

Am Ende unterlag Siemens dem Rivalen General Electric. Rückblickend mag die Niederlage Siemens kaum geschadet haben, schließlich muss General Electric sich nun mit der französischen Regierung als Partner bei Alstom rumschlagen und kann nicht frei schalten und walten. Doch das Bietergefecht um Alstom hat den Druck auf Kaeser erhöht: Die nächste Übernahme, das war allen klar, musste sitzen.

Im Herbst schlug Kaeser dann zu. Für den Rekordpreis von 7,6 Milliarden Dollar wird Siemens den amerikanischen Kompressorhersteller Dresser-Rand kaufen, der vor allem die Öl- und Gasindustrie beliefert. Monatelang hatte der Siemens-Chef Dresser-Rand beobachten lassen. Wieder kam es zu einer Preisschlacht. Und wieder war der Gegner ein alter Rivale: diesmal Peter Löscher, Kaesers Vorgänger als Siemens-Chef, der den Preis für den Schweizer Pumpenhersteller Sulzer trieb.

Damals, vor vier Monaten, räumte Kaeser rasch ein, dass Dresser-Rand kein Schnäppchen gewesen sei. Immerhin war Siemens bereit, das 31-Fache des Jahresgewinns von Dresser-Rand zu zahlen - üblich ist in der Ölindustrie normalerweise der Faktor 15. Im Herbst konnte Kaeser die Übernahme noch als strategischen und langfristigen Erfolg verklären. Damals kostete ein Fass Öl auch noch deutlich über 90 Dollar. Heute liegt der Ölpreis bei unter 50 Dollar. Im schlimmsten Fall drohen dem Konzern deshalb in einigen Jahren Abschreibungen in Milliardenhöhe. Natürlich konnte Kaeser den Einbruch des Ölpreises nicht erahnen, doch er setzte sich selbst unter Druck, er musste unbedingt kaufen. Und niemand stoppte ihn.

Das ist die Siemens-Krankheit.

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