Kampf gegen den "Islamischen Staat":Australischer Politiker zieht heimlich in den Krieg

Lesezeit: 4 min

  • Als Präsident der Labor Party im australischen Northern Territory galt Matthew Gardiner als "klarer Kopf". Nun ist heimlich in den Krieg gegen den IS in Syrien gezogen.
  • In seiner Heimat drohen ihm nun bis zu zehn Jahre Haft.

Die kurdischen Peschmerga, die die Terrormilizen des "Islamischen Staates" bekämpfen, finden im Westen viel Unterstützung. Doch dem australischen Labor-Politiker Matthew Gardiner reicht das nicht. Er hat offenbar beschlossen, persönlich in den Krieg gegen die islamistischen Fundamentalisten zu ziehen. Das berichten australische Medien wie die Australian Broadcast Corporation (ABC).

Gardiner ist nicht irgendwer. Er war bis zum Sonntag Präsident von Northern Territory Labor (NT Labor), einer Art Landesverband der Arbeiterpartei Australiens. Außerdem hatte er das Amt des Geschäftsführers der Vertretung der Gewerkschaft United Voice im Bundesterritorium Northern Territory inne.

Seit etwa zwei Wochen ist der ehemalige Soldat der australischen Armee, der Anfang der neunziger Jahren in Somalia im Einsatz war, allerdings verschwunden. Sein Telefon ist abgeschaltet, auf Facebook hat er den Kontakt zu den meisten seiner "Freunde" gekappt, schreibt der Sydney Morning Herald.

Die genauen Umstände seines Verschwindens werden nun von der australischen Bundespolizei AFP untersucht, wie unter anderem der Guardian Australia berichtet.

NT Labor hat Gardiner inzwischen von seinem Amt als Präsident entbunden und seine Parteimitgliedschaft aufgehoben, sagte Parteigeschäftsführer Kent Rowe. Bereits vor seinem Verschwinden war er außerdem von seinem Amt bei der United Voice zurückgetreten, berichtet ABC. Auf der Homepage der Gewerkschaft wurde er bis gestern allerdings noch als solcher aufgeführt.

Parteifreunde völlig überrascht

Unter seinen Parteikollegen hat seine Entscheidung unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die Oppositionsführerin der Arbeiterpartei im Northern Territory, Delia Lawrie, die über Jahre mit Gardiner zusammengearbeitet hat, sagte dem Guardian: "Wir hoffen ehrlich, dass das nicht stimmt."

Auch Luke Whitington, der ABC zufolge ebenfalls mit Gardiner zusammengearbeitet hat, zeigte sich überrascht, aber auch verständnisvoll. Es habe keine Anzeichen für sein Vorhaben gegeben, sagte er dem Sender.

Vor allem sei Gardiner zwar für seine Leidenschaftlichkeit bekannt gewesen, aber auch für seinen klaren Kopf. Er empfinde jedoch durchaus Bewunderung dafür, dass jemand sich so konsequent dafür einsetzen wolle, den IS aufzuhalten.

Der Chef der Labor Party und Oppositionsführer im australischen Parlament, Bill Shorten, sagte Fairfax Radio dagegen, es sei der falsche Weg, nach Syrien zu gehen, um dort eigenmächtig gegen den IS zu kämpfen. "Was immer seine Motivation war, dorthin zu gehen, ist keine Lösung." Das Wichtigste sei nun, herauszufinden, ob es Gardiner gutgehe und ihn nach Hause zu holen. Der Politiker hat in Australien seine Frau und drei Kinder zurückgelassen.

Sollte Gardiner allerdings gegen den IS gekämpft haben, erwartet ihn in seiner Heimat ein Gerichtsprozess. Im vergangenen Jahr hat die australische Regierung ein Gesetz erlassen, dass Australier daran hindern soll, in bestimmten Regionen im Ausland zu kämpfen. Zu diesen "No-go-Zonen" gehört etwa die Provinz Raqqa im Norden Syriens, wo intensive Gefechte zwischen den Kurden und den Kämpfern des IS stattfinden.

Wer gegen das neue Gesetz verstößt, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen. Eigentlich richtete sich das Gesetz vornehmlich gegen australische Anhänger des Islamischen Staates, von denen sich Schätzungen zufolge 90 dem IS und anderen islamistischen Terrormilizen angeschlossen haben.

Mit Gardiner ist nun zum ersten Mal jemand namentlich bekannt, der mit dem gegenteiligen Motiv ausgereist ist.

Bestrafung für den Kampf

"Wir wissen, dass es einige Australier gibt, die denken, sie hätten mit ihrer Beteiligung an den Konflikten im Ausland die richtige Wahl getroffen", sagte ein Sprecher des Bundesstaatsanwalts George Brandis dem Guardian. "Aber diese Wahl vermehrt nur das Leiden in Syrien und Irak und setzt diese Australier und andere tödlicher Gefahr aus."

Gardiners Parteifreund Luke Whitington hält es allerdings für aberwitzig, dass diesem für seinen Einsatz gegen den IS nun Haft droht. Denn "Australien ist in einer Koalition, die diese Kerle im Irak bekämpft, und wir sind offensichtlich verbündet mit allen Ländern, die in Syrien gegen sie kämpfen", sagte er ABC. "Wenn er losgezogen ist, um die Kurden in Syrien zu unterstützen, kämpft er gemeinsam mit den Amerikanern und anderen mit uns Verbündeten." Die USA, Frankreich aber auch Australien haben die fundamentalislamischen Milizen von der Luft aus angegriffen. Deutschland hat sich bislang darauf beschränkt, den Kurden Waffen zu liefern.

Anti-Terror-Gesetz gegen Anti-Terror-Kämpfer

Das australische Gesetz, das Gardiner zu einem Straftäter macht, geht in die gleiche Richtung wie die Resolution gegen ausländische Kämpfer, die der UN-Sicherheitsrat im September 2014 angenommen hat. Allerdings verpflichtet die Resolution alle Länder zu schärferen Gesetzen, die das Reisen zu "terroristischen" Zwecken verhindern sollen. Dabei wurde an Dschihadisten wie Anhänger des Islamischen Staates gedacht. Auch in Deutschland hat die Bundesregierung ein neues Gesetzespaket vorgestellt, das schon die Reisepläne in Richtung terroristische Ausbildungslager unter Strafe stellen soll. Außerdem hat das Kabinett beschlossen, dass radikalislamischen Verdächtigen nicht nur der Reisepass, sondern auch der Personalausweis vorrübergehend entzogen werden kann.

Für eine Reise mit dem Ziel, gegen die Terroristen zu kämpfen, gibt es dagegen in Deutschland keine speziellen Gesetze. Hier müssen die Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall prüfen, ob gegen nationale oder internationale Gesetze verstoßen wurde, heißt es aus dem Justizministerium.

Auch die Mitglieder einer Rockerbande aus Köln und eines niederländischen Motorradclubs, die angeblich gegen den IS gekämpft haben, müssen wohl keine juristischen Folgen befürchten - außer es ergäben sich etwa Hinweise auf Verstöße gegen das Völkerrecht.

Im Ausland für seine persönlichen Ideale zu kämpfen, hat übrigens eine lange Tradition. So hatten sich in den 30er Jahren Tausende Menschen aus aller Welt in den Internationalen Brigaden der Spanischen Republik zusammengefunden, um im Bürgerkrieg gegen die Truppen des Putschisten General Franco zu kämpfen - darunter auch George Orwell, der Autor von "Animal Farm" und "1984". Auch Rebellengruppen wie die Farc in Kolumbien haben im bewaffneten Kampf immer wieder Unterstützung durch Europäer erhalten.

© SZ.de/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: